Es gilt, einige Aspekte zu berücksichtigen, die nicht typischerweise Teil einer Legal Due Diligence sind, in Sachen ESG aber eine Rolle spielen können. Doch die Sache hat einen Haken: Hinsichtlich einer ESG Due Diligence existieren noch keine etablierten Standards. Diese entwickeln sich derzeit erst.
Governance – die augenfälligsten Prüfungspunkte
Die offensichtlichsten Prüfungspunkte im Rahmen einer ESG Due Diligence beziehen sich auf Governance-Aspekte: Verfügt das Unternehmen über eigene ESG-Richtlinien? Gibt es ESG-relevante Standards, Zertifizierungen und/oder Mitgliedschaften? Interessant ist auch, in Erfahrung zu bringen, ob das Unternehmen eine Person für ESG-Angelegenheiten auf Management- oder Teamebene benannt oder einen ESG-Ausschuss eingerichtet hat und ob dem Personal Schulungen zu ESG-Themen angeboten werden. Unter Compliance-Gesichtspunkten ist unter anderem zu beleuchten, welche Vorkehrungen das Unternehmen trifft, um illegale Praktiken wie etwa Bestechung, Korruption und Betrug zu verhindern. Wurden oder werden Ansprüche erhoben oder waren oder sind Verfahren anhängig (oder drohen sie) im Zusammenhang mit der Unternehmensführung in Bezug auf Themen wie Bestechung und Korruption, unlautere Arbeitspraktiken, Menschenrechtsverletzungen oder andere Missstände?
Es sollte außerdem in Erfahrung gebracht werden, ob das Unternehmen über einen Ethikkodex, eine Whistleblowing-Politik, eine Antikorruptionsrichtlinie verfügt. Das gilt auch über das Unternehmen hinaus: Führt das Unternehmen eine Risikobewertung seiner Lieferketten in Bezug auf Menschenrechte (zum Beispiel Arbeitsnormen, Zwangsarbeit, (moderne) Sklaverei, Leibeigenschaft, Kinderarbeit, Missachtung von Arbeitsschutz und Vereinigungsfreiheit et cetera) oder Tierrechte (Tierversuche) durch? Hält es relevante Risikomanagementsysteme vor? Werden eingerichtete ESG-Prozesse und -Systeme (intern oder extern) regelmäßig überprüft und wie wird mit im Rahmen von Prüfungen identifizierten Problemen umgegangen?
Social – es geht um die Menschen
Auch im Hinblick auf soziale Aspekte sind verschiedene Fragen zu stellen und Aspekte zu prüfen. Das Personal steht in diesem Themenkomplex im Mittelpunkt. Um einen Überblick über die komplette Unternehmensstruktur zu erhalten, bietet sich die Erstellung eines Organigramms an, das alle Mitarbeiter umfasst und klärt, ob jemand für soziale und HR-Themen zuständig ist. Ein wichtiger Baustein sind Fragen, die Rückschlüsse auf die Unternehmenskultur zulassen. So ist es sinnvoll, Auskünfte über die Fluktuationsrate einzuholen oder sich die Fehlzeiten der Mitarbeiter in den letzten drei Jahren genauer anzusehen.
Ein anderer wichtiger Bereich betrifft die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter: Hat das Unternehmen ein formalisiertes Gesundheit- und Sicherheitsmanagementsystem oder eine Risikobewertung eingeführt? Verfügt es über formelle Verfahren zur Durchführung von Risikobewertungen am Arbeitsplatz? Gab es in den letzten drei Jahren Unfälle am Arbeitsplatz – und wenn ja, wie häufig und mit welchen Konsequenzen? Und nicht nur das eigene Team ist für die ESG Due Diligence relevant: Sofern Fremdpersonal oder Unterauftragnehmer beschäftigt werden, ist zu klären, wie sichergestellt wird, dass diese fair und ethisch korrekt behandelt werden, und ob Mindeststandards bestehen. Wird eine Risikobewertung auch in der Lieferkette durchgeführt?
Environmental – Verpflichtung gegenüber der Welt
Dritter und letzter Themenkomplex der ESG Due Diligence ist Nachhaltigkeit. Unternehmen müssen ihren Beitrag leisten. Hierbei spielt eine zentrale Rolle, ob das Unternehmen über eine Umweltpolitik verfügt, in der klare Verpflichtungen und Ziele zur Verbesserung seines ökologischen Fußabdrucks festgelegt sind. Dazu gehören die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben, klare Compliance-Vorgaben und deren Einhaltung sowie die zusätzlichen Bemühungen des Unternehmens, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, etwa durch einen umweltschonenden Einsatz von Ressourcen. Organisatorisch stellt sich die Frage, ob auf Managementebene eine Person für das Umweltmanagement verantwortlich ist.
Es ist außerdem zu klären, ob das Unternehmen eine Risikobewertung des Klimawandels durchgeführt hat, um festzustellen, ob seine Geschäftstätigkeit durch aktuelle oder sich entwickelnde Klimaregelungen oder durch den Klimawandel verursachte physische Veränderungen (einschließlich vermehrter Überschwemmungen, Dürren oder anderer Unwetterereignisse) gefährdet sein könnte, zum Beispiel durch Betriebsunterbrechungen oder Schäden an Vermögenswerten und Produktion.
In welchem Umfang und wie oft wird eine Risikoanalyse in Bezug auf direkte und/oder indirekte Lieferanten der Lieferkette durchgeführt? Es sollte überprüft werden, inwieweit Transportwege außerhalb Deutschlands liegen und welche Maßnahmen das Unternehmen ergriffen hat, um diese zu reduzieren. Hinsichtlich des Umgangs mit chemischen oder gefährlichen Stoffen sowie Boden- und Grundwasserkontamination sollte gefragt werden, ob auf dem Betriebsgelände Chemikalien oder Gefahrstoffe verwendet werden oder solche vorhanden sind, einschließlich der Vorkehrungen zur Lagerung und Handhabung (Fässer, Tanks, oberirdische/unterirdische Lagerung et cetera). Dazu gehört auch die Überprüfung, ob dem Unternehmen frühere oder aktuelle Boden-/Grundwasserverunreinigungen am Standort bekannt sind und ob die Notwendigkeit einer Sanierung besteht.
FAZIT
Die ESG Due Diligence untersucht Unternehmen in Hinblick auf die Faktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Der Unterschied zur klassischen Umwelt- oder Environmental Due Diligence: Es geht nicht nur um bereits bestehende, sondern auch um künftige Risiken, die nach einer Übernahme des Unternehmens zum Problem werden könnten. Viele ESG-Themen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht so kritisch zu betrachten, können aber später deutlich höhere Relevanz haben. Diesen Faktor sollten Investoren bei beabsichtigten Übernahmen nicht aus den Augen verlieren. In der Private-Equity-Welt ist die ESG Due Diligence stark im Kommen – eben, weil Investoren sensibler geworden sind und zukünftige Risiken auch eine zentrale Rolle für einen Weiterverkauf spielen. Eine detaillierte Überprüfung unterschiedlichster Faktoren ist im Rahmen der ESG Due Diligence also mittlerweile keine Kür mehr, sondern Pflicht.
Dieser Beitrag erscheint in der Unternehmeredition-Ausgabe 4/2021.
Dr. Nikolaus von Jacobs
Dr. Nikolaus von Jacobs ist Partner mit den Schwerpunkten Private Equity und Mergers & Acquisitions bei McDermott Will & Emery in München. Er berät Private-Equity-Fonds und deutsche Industrieakteure zu Private Equity, Risikokapital und öffentlichen wie auch privaten M&A-Transaktionen. Er ist Mitglied der Praxisgruppe Gesellschaftsrecht und Leiter der deutschen Private-Equity-Aktivitäten.