ESG Due Diligence in Private-Equity-Transaktionen

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Es ist wohl ein Topthema der letzten zwölf Monate: ESG. Das gilt auch für Private Equity – um die Pflichten gegenüber Investoren im Rahmen von Unternehmensakquisitionen zu erfüllen, muss auch in Bezug auf ESG eine Due Diligence vorgenommen werden. Ein Umstand, auf den sich auch mittelständische Unternehmen einstellen müssen, die an Private-Equity-Investoren verkauft werden.

Es gilt, einige Aspekte zu berücksichtigen, die nicht typischer­weise Teil einer Legal Due Diligence sind, in Sachen ESG aber eine Rolle spielen können. Doch die Sache hat einen Haken: Hinsichtlich einer ESG Due Diligence existieren noch keine etablierten Standards. Diese entwickeln sich derzeit erst.

Governance – die augenfälligsten Prüfungspunkte

Die offensichtlichsten Prüfungspunkte im Rahmen einer ESG Due Diligence beziehen sich auf Governance-Aspekte: Verfügt das Unternehmen über eigene ESG-Richtlinien? Gibt es ESG-relevante Standards, Zertifizierungen und/oder Mitgliedschaften? Interessant ist auch, in Erfahrung zu bringen, ob das Unternehmen eine Person für ESG-Angelegenheiten auf Management- oder Team­ebene benannt oder einen ESG-Ausschuss eingerichtet hat und ob dem Personal Schulungen zu ESG-Themen angeboten werden. Unter Compliance-Gesichtspunkten ist unter anderem zu beleuchten, welche Vorkehrungen das Unternehmen trifft, um illegale Praktiken wie etwa Bestechung, Korruption und Betrug zu verhindern. Wurden oder werden Ansprüche erhoben oder waren oder sind Verfahren anhängig (oder drohen sie) im Zusammenhang mit der Unternehmensführung in Bezug auf Themen wie Bestechung und Korruption, unlautere Arbeitspraktiken, Menschenrechtsverletzungen oder andere Missstände?

Es sollte außerdem in Erfahrung ­gebracht werden, ob das Unternehmen über einen Ethikkodex, eine Whistle­blowing-Politik, eine Antikorruptionsrichtlinie verfügt. Das gilt auch über das Unternehmen hinaus: Führt das ­Unternehmen eine Risikobewertung seiner Lieferketten in Bezug auf Menschenrechte (zum Beispiel Arbeits­normen, Zwangsarbeit, (moderne) Sklaverei, Leibeigenschaft, Kinderarbeit, Missachtung von Arbeitsschutz und Vereinigungsfreiheit et ­cetera) oder Tierrechte (Tierversuche) durch? Hält es relevante Risikomanagementsysteme­ vor? Werden eingerichtete ESG-Pro­zesse und -Systeme (intern oder extern) regelmäßig überprüft und wie wird mit im Rahmen von Prüfungen identifizierten Problemen umgegangen?

Social – es geht um die Menschen

Auch im Hinblick auf soziale Aspekte sind verschiedene Fragen zu stellen und Aspekte zu prüfen. Das Personal steht in diesem Themenkomplex im Mittelpunkt. Um einen Überblick über die komplette Unternehmensstruktur zu erhalten, bietet sich die Erstellung eines Organigramms an, das alle Mitarbeiter umfasst und klärt, ob jemand für soziale und HR-Themen zuständig ist. Ein wichtiger Baustein sind Fragen, die Rückschlüsse auf die Unternehmenskultur zulassen. So ist es sinnvoll, ­Auskünfte über die Fluktuationsrate einzuholen oder sich die Fehlzeiten der Mitarbeiter in den letzten drei Jahren genauer anzusehen.

Ein anderer wichtiger Bereich betrifft die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter: Hat das Unternehmen ein formalisiertes Gesundheit- und Sicherheitsmanagementsystem oder eine Risi­kobewertung eingeführt? Verfügt es über formelle Verfahren zur Durch­führung von Risikobewertungen am ­Arbeitsplatz? Gab es in den letzten drei Jahren Unfälle am Arbeitsplatz – und wenn ja, wie häufig und mit welchen Konsequenzen? Und nicht nur das eigene Team ist für die ESG Due Diligence relevant: Sofern Fremdpersonal oder Unterauftragnehmer beschäftigt werden, ist zu klären, wie sichergestellt wird, dass diese fair und ethisch korrekt behandelt werden, und ob Mindeststandards bestehen. Wird eine Risiko­bewertung auch in der Lieferkette­ durchgeführt?

Environmental – Verpflichtung gegenüber der Welt

Dritter und letzter Themenkomplex der ESG Due Diligence ist Nachhaltigkeit. Unternehmen müssen ihren Beitrag leisten. Hierbei spielt eine zentrale Rolle, ob das Unternehmen über eine Umweltpolitik verfügt, in der klare Verpflichtungen und Ziele zur Verbesserung seines ökologischen Fußabdrucks festgelegt sind. Dazu gehören die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben, klare Compliance-Vorgaben und deren Einhaltung sowie die zusätz­lichen Bemühungen des Unternehmens, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, etwa durch ­einen umweltschonenden Einsatz von Ressourcen. Organisatorisch stellt sich die Frage, ob auf Managementebene ­eine Person für das Umweltmanagement verantwortlich ist.

Es ist außerdem zu klären, ob das Unternehmen eine Risikobewertung des Klimawandels durchgeführt hat, um festzustellen, ob seine Geschäfts­tätigkeit durch aktuelle oder sich ent­wickelnde Klimaregelungen oder durch den Klimawandel verursachte physische Veränderungen (einschließlich vermehrter Überschwemmungen, Dürren oder anderer Unwetterereignisse) gefährdet sein könnte, zum Beispiel durch Betriebsunterbrechungen oder Schäden an Vermögenswerten und Produktion.

In welchem Umfang und wie oft wird eine Risikoanalyse in Bezug auf direkte und/oder indirekte Lieferanten der Lieferkette durchgeführt? Es sollte überprüft werden, inwieweit Transportwege außerhalb Deutschlands liegen und welche Maßnahmen das Unternehmen ergriffen hat, um diese zu reduzieren. Hinsichtlich des Umgangs mit chemischen oder gefährlichen Stoffen sowie Boden- und Grundwasserkontamination­ sollte gefragt werden, ob auf dem Betriebsgelände Chemikalien oder Gefahr­stoffe verwendet werden oder solche vorhanden sind, einschließlich der Vorkehrungen zur Lagerung und Hand­habung (Fässer, Tanks, oberirdische/unterirdische Lagerung et cetera). ­Dazu gehört auch die Überprüfung, ob dem Unternehmen frühere oder aktuelle Boden-/Grundwasserverunreinigungen am Standort bekannt sind und ob die Notwendigkeit einer Sanierung besteht.

FAZIT

Die ESG Due Diligence untersucht Unter­nehmen in Hinblick auf die Faktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Der Unterschied zur klassischen Umwelt- oder Environmental Due Diligence: Es geht nicht nur um bereits bestehende, sondern auch um künftige Risiken, die nach einer Übernahme des Unternehmens zum Problem werden könnten. Viele ESG-Themen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht so kritisch zu betrachten, können aber später deutlich höhere Relevanz haben. Diesen Faktor sollten Investoren bei beabsichtigten Übernahmen nicht aus den Augen verlieren. In der Private-Equity-­Welt ist die ESG Due Diligence stark im Kommen – eben, weil Investoren sensibler geworden sind und zukünftige ­Risiken auch eine zentrale Rolle für einen­ Weiterverkauf spielen. Eine detaillierte Überprüfung unterschiedlichster Fakto­ren ist im Rahmen der ESG Due Diligence also mittlerweile keine Kür mehr, sondern Pflicht.

Dieser Beitrag erscheint in der Unternehmeredition-Ausgabe 4/2021.

Autorenprofil
Dr. Nikolaus von Jacobs

Dr. Nikolaus von Jacobs ist Partner mit den Schwerpunkten Private Equity und Mergers & Acquisitions bei McDermott Will & Emery in München. Er berät ­Private-Equity-Fonds und deutsche Industrieakteure zu Private Equity, ­Risikokapital und öffentlichen wie auch ­privaten M&A-Transaktionen. Er ist ­Mitglied der Praxisgruppe Gesellschaftsrecht und Leiter der deutschen Private-Equity-Aktivitäten.

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