Vor vier Jahren gründete der Unternehmensberater Alexander Kühl eine Stiftung, um einen neuen Investorentypus zu etablieren. Im Interview erklärt er, warum Eigentum und Führung für ihn zusammengehören und wieso Kapital nicht mehr die entscheidende Ressource ist.
Unternehmeredition: Herr Kühl, was war der Gründungsimpuls für das Netzwerk von Purpose?
Alexander Kühl: Der Gründungsimpuls war die Frage: Wie müssten Unternehmen sein, die die Wirtschaft positiv verändern, und zwar ganzheitlich für die Gesellschaft? Dann sind wir auf das Thema Eigentum gekommen, weil unserer Auffassung nach darin die DNA des Unternehmens zu finden ist. Unser Schlüsselbegriff ist das Verantwortungseigentum – die Verantwortlichen im Unternehmen sollten also auch seine Eigentümer sein.
Heute gibt es auf der einen Seite viele Start-ups, die sich bestimmten Werten wie der Gemeinwohlökonomie verpflichten. Auf der anderen Seite stehen die traditionellen Familienunternehmen. Wo sind Sie mit Ihrem Ansatz näher dran?
Inhaltlich sind viele Trends von Start-ups wie Nachhaltigkeit und neues Wirtschaften nahe an unseren Werten. Unser Fokus liegt aber klar auf dem Thema Eigentum, weil wir Unternehmertum langfristig denken. Wir glauben, wenn sich ein Unternehmen selbst gehört, dann braucht es keine externen ökologischen oder sozialen Kriterien, weil es für eine Sache da ist und aus einer anderen Motivation heraus existiert beziehungsweise arbeitet.
Als Schlüsselbegriff definieren Sie auf Ihrer Website das Treuhandeigentum. Familienunternehmer sagen oft, dass sie das Unternehmen nur von der nächsten Generation geliehen haben. Ist das für Sie die gleiche Maxime?
Das ist genau die Ethik, die wir vertreten. Es ist der Unterschied zwischen Verantwortungseigentum und Vermögenseigentum. Wir wollen dies auf solche Fälle erweitern, in denen sich kein Nachfolger in der Familie findet. Wir nennen das die Werte- und Fähigkeitenfamilie.
Welchen Unternehmertypus stellen Sie sich für diese Wertefamilie vor?
Vor allem einen, der intrinsisch motiviert ist. Er muss alles für seine Idee machen. Das Interesse am Geld sollte nicht im Vordergrund stehen. Ich glaube, dass Unternehmer, die vor allem finanziell motiviert sind, nicht zu den erfolgreichsten gehören.
Sie treten auch als Berater sowie als Kapitalgeber auf und haben einen eigenen Venture Capital-Arm.
Genau, neben unserer Stiftungsarbeit haben wir eine Genossenschaft gegründet, mit der wir sowohl Start-ups als auch große Unternehmen dabei beraten, eine Eigentümerstruktur zu finden, die die Werte des Unternehmens langfristig schützt. Daneben bieten wir Finanzierungen über die Genossenschaft sowie eine Beteiligungsgesellschaft an, mit der wir Gründer und Mittelständler dabei unterstützen wollen, unabhängig zu bleiben.
Warum braucht es aus Ihrer Sicht eine alternative Venture Capital-Finanzierung?
Weil man bei vielen Start-ups einen sogenannten Mission Drift beobachten kann, sobald sie in einen großen Konzern integriert werden oder an die Börse gehen. Auch im klassischen Venture Capital-Bereich ist das durch die Fokussierung auf den Exit und den finanziellen Wert des Unternehmens immanent.
Sie wollen diese Ideen verteidigen – dafür müssen die Unternehmen aber in ihre Satzung zwei Ziele aufnehmen: Gewinn ist Mittel zum Zweck und externe Investoren haben keinen strategischen Einfluss. Wie schwer ist es, Unternehmer davon zu überzeugen?
Eigentlich sprechen wir nur mit denjenigen Unternehmen, die das sowieso schon wollen. Wir sehen uns da als Dienstleister. Außerdem beobachten wir allgemein eine Veränderung. Kapital ist immer weniger die entscheidende knappe Ressource in der Wirtschaft; es gibt heute andere knappe Güter, zum Beispiel Aufmerksamkeit. Wir stehen da also am Anfang einer größeren Veränderung.
Kurzprofil Alexander Kühl
Geboren: 27. September 1989
Beruf: Ökonom, Philosoph, Unternehmer
Hobbys: Natur erleben, Sportarten lernen, Zeit mit meinen drei Kindern verbringen
Größte Erfolge: täglich Unternehmen dabei zu helfen, den Kapitalismus zu reformieren
Als Redakteur bei der Unternehmeredition leitet Volker Haaß die Online-Aktivitäten sowie die Sonderpublikationen der Plattform. Dazu gehört unter anderem die FuS – Zeitschrift für Familienunternehmen und Strategie.