“Es besteht die Notwendigkeit, Unternehmen weiterhin zu stärken”

Foto: © MQ-Illustrations AdobeStock

Mittelständische Beteiligungsgesellschaften (MBGen) üben bei der Absicherung von Wachstumsfinanzierungen und Nachfolgelösungen im deutschen Mittelstand eine wichtige Rolle aus. Wir sprachen mit zwei Vertretern über die aktuelle Situation.

Unternehmeredition: Wie ist Ihr Geschäftsjahr gelaufen? Was waren für Sie die „Highlights“ in Ihrer jeweiligen Beteiligungsgesellschaft?

Silke Baron: Wir hatten einen leichten Rückgang – aber für uns ist das eher eine Art der Rückkehr zur Normalität. Die Nachfrage nach Beteiligungen liegt unverändert auf einem hohen Niveau und entspricht im abgelaufenen Jahr ungefähr der Größenordnung vor der Coronakrise. Auffällig war für uns der Anstieg kleinteiliger Beteiligungen bis 50.000 EUR aus unserem Mikromezzanineprogramm. Entsprechend der angespannten wirtschaftlichen Lage hatten wir bei den Beteiligungen auch einige wenige Ausfälle – aber das kam für uns nicht unerwartet.

Dr. Thomas Drews: Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern gab es eine ähnliche Entwicklung. Für mich war 2023 eine Art Übergangsjahr nach einer intensiven Phase während der Coronapandemie. Und trotz der Krise in der deutschen Wirtschaft konnten wir einige Expansionen und Nachfolgen finanzieren. Wir haben im vergangenen Jahr unser 30-jähriges Jubiläum gefeiert. Die MBG Mecklenburg-Vorpommern hat in den vergangenen drei Jahrzehnten insgesamt 827 Unternehmen bei der Verwirklichung ihrer Vorhaben unterstützt. Insgesamt wurden Gesamtinvestitionen von rund 1,5 Mrd. EUR getätigt.

Baron: Wir liegen mit unseren beiden Häusern insgesamt im Trend der 15 Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften, die im vergangenen Jahr 389 Beteiligungen mit einem Gesamtvolumen von knapp 154 Mio. EUR eingegangen sind. Das ist ein wichtiger Beitrag für den Mittelstand in Deutschland.

In welchen Bereichen sehen Sie 2024 Schwerpunkte Ihrer Aktivitäten?

Baron: In Anbetracht der wirtschaftlichen Herausforderungen erleben wir aktuell eine steigende Nachfrage nach Finanzierungsmöglichkeiten. Es zeigt sich also weiter die Notwendigkeit, kleine und mittlere Unternehmen zu stärken und zu unterstützen. Die wichtigsten Anlässe für Finanzierungen sind unverändert Nachfolgeregelungen und die Unterstützungen bei den erforderlichen ESG-Investitionen.

Dr. Drews: Insgesamt stellen wir eine leicht verhaltene Stimmung fest. Die aktuelle wirtschaftliche und geopolitische Lage ermuntert nicht gerade zum Investieren – das finde ich durchaus nachvollziehbar. Viele Unternehmen versuchen, die Krise einfach auszusitzen, und werden dann vermutlich später wieder aktiv. Wir verzeichnen weiterhin ein leicht sinkendes Preisniveau bei den Unternehmensbeteiligungen – aber die Bewertungen sind immer noch recht hoch. Da wird es manchmal schon schwer, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen.

Welche wesentlichen Aufgaben und Herausforderungen sehen Sie für mittelständische Unternehmen und wie können MBGen hier unterstützen?

Dr. Drews: Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind im Prinzip Flächenländer mit ähnlich gelagerten Anforderungen. Unternehmen müssen sich hier mit einem geringeren Angebot an Infrastruktur zufriedengeben. Auch die Suche nach Fachkräften wird angesichts der wachsenden Landflucht nicht leichter. Allerdings können wir aus der „Schwäche“ des Ländlichen auch wieder eine Stärke machen. Es gibt eine wachsende Zahl von Menschen, denen der Trubel und die Hektik in den Städten zu schaffen macht. Hier sehe ich auch Chancen für unsere Wirtschaft. Zudem haben wir durch die Coronapandemie einen großen Schub im Bereich der Digitalisierung erhalten – davon profitieren Bürger und Unternehmen gleichermaßen und darauf können wir aufbauen. Wir kümmern uns besonders darum, dass wir für Unternehmer die passenden Nachfolger suchen und hier insgesamt beim Nachfolgeprozess eine möglichst starke Unterstützung bieten. Damit versuchen wir, Abhilfe zu schaffen bei dem Problem, dass es zu wenige Nachfolger für etablierte Firmen gibt. Wir übernehmen hier möglichst die Initiative und versuchen, die passenden Partner zusammenzubringen. Dafür haben wir bei uns in Mecklenburg-Vorpommern schon im Jahr 2015 das Projekt „Nachfolgezentrale MV“ etabliert. Auf diese Weise werden Firmen und damit auch wertvolle Arbeitsplätze erhalten. Und nicht zuletzt bieten unsere Eigenkapitalfinanzierungen auch bei Nachfolgesituationen eine gute Lösung, um eine Finanzierung überhaupt erst zu ermöglichen.

Baron: Der Ehrlichkeit halber muss man auch darauf hinweisen, dass wir – ebenso wie bei den Unternehmerinnen – einen Nachholbedarf bei den Unternehmensnachfolgerinnen haben. Meiner Meinung nach müssen hier die Bedingungen für Familien und für Frauen verbessert werden, damit Kinderbetreuung und die Pflege von Angehörigen mit den Anforderungen des Arbeitslebens in Einklang gebracht werden können.
Gerade mittelständische Unternehmen sehen sich einer doppelten Herausforderung gegenüber: Sie müssen bei der Digitalisierung aufholen und zugleich wachsenden Anforderungen bei der Nachhaltigkeit gerecht werden. Hinter dem Stichwort ESG verbergen sich viele Anforderungen für die Firmen, die schnell ins Geld gehen können. Ich sehe es als unsere Aufgabe an, den Unternehmen hier eine Hilfestellung zu geben und eine Anpassung an die Nachhaltigkeits- und Umweltkriterien zu ermöglichen. Davon profitieren nicht nur die Betriebe, sondern auch unsere Umwelt und damit wir alle.

Bemerken Sie einen Finanzierungsengpass bei Wachstumsfinanzierungen und Nachfolgelösungen?

Baron: Banken wollen inzwischen mehr Sicherheiten. Das erleben wir derzeit in vielen Gesprächen. Nach den verschiedenen einschneidenden Krisen der vergangenen Jahre schauen die Finanzierer noch etwas genauer hin und stellen mehr Fragen als früher. Darauf müssen sich Unternehmer einfach einstellen und sich ein wenig mehr strecken als in der Zeit vor der Coronapandemie. Von einer Kreditklemme sind wir meiner Meinung nach aber noch weit entfernt. Gute Geschäftsmodelle und tragfähige Wachstumsideen bekommen heute auch immer noch eine Finanzierung mit Unterstützung von Banken. Mir sind auch keine Fälle bekannt, bei denen das gestiegene Zinsniveau eine Finanzierung verhindert hat – da gibt es ganz andere Kriterien, die eine Rolle spielen können.

Dr. Drews: Banken schauen insbesondere auf die Eigenkapitalausstattung. Hier können die Mezzaninefinanzierungen der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften eine wichtige Hilfe sein, um eine Finanzierungslösung mit verschiedenen Bausteinen zu realisieren. Bestandteile einer Nachfolgefinanzierung sind klassischerweise Bankkredite, Rückdarlehen des Verkäufers, Rückzahlungen nach bestimmten Meilensteinen wie auch das eigene Kapital des Käufers. Bankkredite werden günstiger bei einer besseren Eigenkapitalausstattung, die ein besseres Rating zur Folge hat.

Welche Wünsche haben Sie aktuell bezüglich der Politik in unserem Land?

Baron: Ein großes Hemmnis für unsere Wirtschaft ist der Fachkräftemangel. Hier ist auch weiter die Initiative der Politik gefordert, um innovative Lösungen zu finden. Unsere Wirtschaft braucht einfach gut ausgebildete Arbeitskräfte, um die Produktion aufrechterhalten zu können – von Innovationen ganz zu schweigen. Aufgabe des Staates ist es aus meiner Sicht, dass jungen Menschen das Bild des Unternehmers positiv vermittelt wird.

Dr. Drews: Ich spüre in vielen Gesprächen eine starke Unsicherheit bei den Unternehmern wegen der heiklen politischen Lage und der schwierigen Prognosen. Auch die hohen Energiekosten wirken als Bremse für weitere Investitionen. Weitere schwierige Faktoren sind die zunehmende Bürokratie und die wachsenden Pflichten zur Dokumentation. Offen gesagt fehlen hier Maß und Mitte. Mit den vielen Vorschriften werden auch weiter Innovationen und Firmengründungen abgewürgt. Ein Markteintritt für junge Unternehmen ist derzeit schwierig.


ZU DEN PERSONEN

Foto: © Silke Baron

Silke Baron ist seit Januar 2024 die neue Geschäftsführerin der Bürgschaftsbank Brandenburg. Zeitgleich hat sie die Position der Geschäftsführung der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft (MBG) Berlin-Brandenburg übernommen. Die ausgebildete Bankkauffrau und diplomierte Bankbetriebswirtin war zuvor in verschiedenen Bereichen der Landesbank Berlin AG tätig. Seit 2017 verantwortete sie den Vertrieb im mittelständischen Firmenkundengeschäft der Berliner Sparkasse.

www.mbg-bb.de

 

Foto: © Dr. Thomas Drews

Dr. Thomas Drews ist seit 2004 Geschäftsführer der Bürgschaftsbank Mecklenburg-Vorpommern GmbH und der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mbH. Davor war er Leiter Firmenkundengeschäft Region Rostock bei der HypoVereinsbank. Er absolvierte ein Studium als Diplomingenieurökonom an der Universität Rostock und als Doktor der Betriebswirtschaft an der Universität Rostock. Erste berufliche Stationen absolvierte Dr. Drews als Prüfungsassistent bei einer Steuerberatungsgesellschaft. Weiter Tätigkeiten übte er bei deutschen Kreditinstituten aus – unter anderem bei der Dresdner Bank AG sowie der Vereins- und Westbank AG.

www.mbg-mv.de

Das Interview erscheint im Spezial Investoren im Mittelstand 2024.

Autorenprofil
Alexander Görbing

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

Vorheriger Artikelseleon GmbH wird an aesco solutions verkauft
Nächster ArtikelInsolvenzzahlen steigen – aber bessere Stimmung