Seit zwei Jahrzehnten beteiligt sich die Adcuram Group als Industrieholding im Rahmen von Nachfolgelösungen und Konzernverkäufen an Unternehmen und entwickelt diese erfolgreich und langfristig weiter. Im Fokus steht dabei vor allem der produzierende Mittelstand mit Umsatzgrößen zwischen 50 Mio. und 250 Mio. EUR. Wir sprachen mit zwei Vertretern der Unternehmensleitung über aktuelle Entwicklungen.
Unternehmeredition: Herr Dr. Gusinde, Herr Brickenkamp, wie schätzen Sie die Stimmung am Beteiligungsmarkt nach dem ersten Halbjahr 2023 ein?
Dr. Gusinde: Das Umfeld ist sicherlich schwieriger geworden, Stichworte Baukonjunktur und Ukraine. Auch die Ausläufer der Lieferkettenprobleme sind nach wie vor spürbar, die Zinswende nicht zu vergessen. Es benötigt eine gute operative Expertise, um seine aktuellen Beteiligungen durch dieses turbulente Fahrwasser zu bringen. Das gilt noch viel mehr beim Erwerb neuer Beteiligungen. Dann muss man in aller Regel vom ersten Tag an auch mit operativen Herausforderungen umgehen. Vor diesem Hintergrund sehen wir im Markt, dass sich Beteiligungsunternehmen ohne eigene operative Expertise aktuell schwertun. Entweder zögern sie, etwas zuzukaufen, oder sie sind von ihren bestehenden Beteiligungen sehr stark absorbiert, weil es derzeit so viele Themen parallel zu handeln gilt. Wir tun uns hier deutlich leichter, weil wir bewusst operativ geprägt sind. Genau das ist unser Unterscheidungsmerkmal. Natürlich freuen wir uns nicht über diese Herausforderungen, aber durch unsere jahrelange Erfahrung im operativen Bereich besitzen wir die Fähigkeit, diese Herausforderungen anzunehmen und auch zu bewältigen.
Wie halten Sie Ihre Portfoliounternehmen in diesen Zeiten stabil?
Brickenkamp: Ich denke, es ist entscheidend, dass wir an so gut wie allen Bereichen der Unternehmung mitarbeiten. Natürlich fangen wir bei ganz pragmatischen Themen an. Erst einmal gilt es, die Versorgung, sprich die Lieferketten aufrechtzuerhalten. Das funktioniert mittlerweile wieder sehr gut. Durch unsere operative Expertise können wir ein Stück weit unterstützen und die Unternehmen in unserem Portfolio voranbringen. Konkret bedeutet das: Sie müssen mit Lieferanten verhandeln und zeitgleich auch erfahren darin sein, neue Lieferanten aufzubauen. Sie müssen etwas von Logistik verstehen und benötigen ein verlässliches Netzwerk sowie die Expertise im Troubleshooting. Sie müssen also in der Lage sein, zahlreiche Dinge gleichzeitig zu handeln. Wir sprechen hier eigentlich von dem gesamten Baukasten, den man in einer Krisensituation benötigt.
Ist noch keine Erholung in Sicht?
Dr. Gusinde: Nein. Ich würde sagen, aktuell befinden wir uns eher noch in der Abwärtsspirale. Das wird ein Stück weit durch die Zinsen getrieben, die gegebenenfalls noch weiter steigen, auch wenn sich dies mittelfristig wieder beruhigen wird. Aber ich glaube, dass der Stimmungstiefpunkt in der Industrie − und da spreche ich nicht nur über die Sektoren, in denen wir aktiv sind − noch nicht erreicht ist. Kurz gesagt: Wir stellen uns zumindest darauf ein, dass möglicherweise noch schwierige Monate vor uns liegen.
Gibt es in Ihrem Portfolio Krisengewinner und Krisenverlierer?
Dr. Gusinde: 2021, also das Jahr nach dem ersten Coronaeinschlag, war mit gleich vier Neuzugängen in unserem Portfolio eines der erfolgreichsten Geschäftsjahre für Adcuram seit der Gründung. Wir sind nicht in Schockstarre verfallen, sondern haben die Situation genutzt, um neue Unternehmensbeteiligungen zu erwerben. Ein Beispiel dafür ist die Fertighausgruppe, bestehend aus Streif, Schwabenhaus und Danhaus, die wir zu einem Zeitpunkt erworben haben, als es bereits große Holzlieferprobleme gab. Wir sind also sehenden Auges in ein schwieriges Thema reingegangen, weil wir fundamental daran geglaubt haben, dass die Fertighausindustrie langfristig Erfolg haben wird – auch wenn es kurzfristig natürlich nicht einfach war. Gleichzeitig haben wir uns 2021 mit dem Einstieg bei Korte Einrichtungen trotz der gegenwärtigen Insolvenzwelle bei Bäckereien in einem Unternehmen für Bäckereiausstattung engagiert. Parallel dazu konnten wir zwei Zukäufe für bestehende Portfoliounternehmen realisieren. So haben wir für Mea Bautechnik die Betonlichtschachtproduktion der Firma Vilgertshofer aus Alling bei München übernommen – eine großartige Ergänzung, da sich durch den Einstieg in eine eigene Betonfertigung neue Märkte für Mea eröffnet haben. Gleichzeitig konnten wir für unsere Beteiligung Vitrulan den Zukauf der finnischen Mikkeli erfolgreich abschließen. Als Produzent von multiaxialem Gittergewebe für Windanlagen ergänzt Mikkeli unser technisches Textilunternehmen ideal. Dazu kommen zwei erfolgreiche Exits im Jahr 2022. Einmal mit der Firma Wo&Wo im Sommer, die wir an einen Käufer aus Frankreich weitergegeben haben. Wo&Wo stellt Sonnenschutz her und war lange Jahre bei uns im Portfolio. Außerdem haben wir die Berliner Abbruch- und Recyclingfirma Garbe zum Verkauf gestellt. Während der Haltedauer haben wir es geschafft, das Unternehmen zu professionalisieren und neue Strukturen einzuführen, bevor wir es dann an Heidelberg Materials veräußert haben, die Garbe mit ihrer Größe und Schlagkraft natürlich ganz anders begleiten und wachsen lassen können.
Welche Trends sehen Sie im internationalen Geschäft?
Brickenkamp: Die Coronapandemie hat zu wesentlichen Engpässen in den globalen Lieferketten geführt. Dadurch waren viele Unternehmen bestrebt, sich breiter aufzustellen und die alternativen Lieferketten auf- beziehungsweise weiter auszubauen. Die können in Richtung Asien gehen, das kann dann aber vielleicht auch mal ein Land links und rechts neben China sein, wenn dort die passenden Produkte produziert werden. Ansonsten haben sich die Märkte meiner Meinung nach aber nicht sonderlich verschoben. Die Unternehmen agieren genauso weiter, indem sie versuchen, optimal zu sourcen. Es geht sogar ungeachtet der politischen Diskussion eher wieder ein Stück weit zurück nach China, weil die Grenzen wieder offen sind. Wir beziehen bei Mea beispielsweise wieder Gussdeckel aus Asien. Eine Zeit lang haben wir diese in der Türkei gekauft, dann waren sie dort schlicht zu teuer – darum sind wir zurück nach China gegangen, weil die Containerfrachten preislich wieder dramatisch runtergegangen sind.
Sie sind eine Industrieholding. Erklären Sie uns doch bitte Ihr Modell.
Dr. Gusinde: Wir investieren aus der eigenen Bilanz. Das heißt, wir legen die Gelder aus, die wir investieren, und profitieren natürlich auch davon, wenn wir etwas wieder verkaufen. Diese Gelder werden wieder eingesetzt, um neue Investments zu tätigen. Wir bringen also Kapital und operative Expertise.
Gab es in den letzten Jahren Richtungswechsel? Welche Ziele verfolgen Sie für die Zukunft?
Dr. Gusinde: Wir haben eine hohe Kontinuität in unserer Strategie und im Team. Es ist eine Stärke von Adcuram, dass wir seit langer Zeit zusammenarbeiten und dass wir uns auf Kollegen stützen können, die viel Erfahrung mitbringen und schon lange bei uns sind. Auch die Strategie ist seit Jahren unverändert: sich in mittelständische Situationen hineinzubegeben, wo wir operativ etwas bewegen können. Dies hat uns erfolgreich gemacht und so soll es auch bleiben. Aber wir sehen natürlich auch den Wandel. Das Wettbewerbsumfeld hat sich deutlich verschärft über die letzten Jahre, und natürlich haben sich auch die Themen etwas verschoben. Man muss heute auf Lieferkettenprobleme, Personalengpässe, Fachkräftemangel, Digitalisierung oder ESG (Environmental, Social and Governance) reagieren. Das Nachhaltigkeitsthema spielt bei uns seit Langem eine wichtige Rolle, sogar im Logo. Aber auch das hat noch einmal an Intensität zugenommen, und wir kümmern uns heute noch aktiver darum, den ESG-Gedanken bei all unseren Portfoliounternehmen zu verankern. Früher hat man vielleicht eher Lean Management oder Lean Production forciert – heute sind es auch Themen wie die Reduktion des CO2-Footprints und eine gute Corporate Governance.
ZU DEN PERSONEN
Dr. Philipp Gusinde ist Geschäftsführer der Adcuram Group, zuständig für M&A.
Henry Brickenkamp ist Geschäftsführer der Adcuram Group, zuständig für die Weiterentwicklung der Beteiligungen.
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.