Einsatz des StaRUG zur Unternehmensrestrukturierung

Hohe Erfolgsquote bei sorgfältiger Vorbereitung

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Seit Inkrafttreten des StaRUG sind gut drei Jahre vergangen. Die Zahl der Anwendungsfälle des Gesetzes ist überschaubar, steigt aber ständig – und die Erfolgsquote der prominenteren Fälle ist hoch. Schlussfolgerung: Bei sorgfältiger Vorbereitung gelingen Restrukturierungspläne in der Praxis. Der Beitrag stellt die Voraussetzungen eines erfolgreichen Einsatzes des StaRUG dar.

Das am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) soll Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten die Möglichkeit geben, ihre Passivseite (Verbindlichkeiten und Eigenkapital) im Fall drohender Zahlungsunfähigkeit zu restrukturieren und dadurch eine Insolvenz zu vermeiden.

Der bisherige Track Record des StaRUG

Trotz der erheblichen Möglichkeiten, die das StaRUG in der Krise bietet, ist die Zahl von 56 öffentlichen Restrukturierungsverfahren im Jahr 2023 noch gering.

Erfolgreiche Restrukturierungen unter Einsatz des StaRUG erfolgten im Fall des Automobilzulieferers Leoni, des Immobilienunternehmens Branicks sowie der Modelabel eterna und Gerry Weber. Auch der Agentur Sell & More gelang die Insolvenzvermeidung mittels eines Restrukturierungsplans.

Neben diesen Beispielen öffentlicher Restrukturierungsverfahren gibt es nichtöffentliche StaRUG-Verfahren. Zudem zeigt die Praxis, dass bereits die Möglichkeit, als „Plan B“ das StaRUG zur Überwindung von Akkordstörern einzusetzen, in vielen Fällen die Verhandlungsbereitschaft der potenziell Planbetroffenen erhöht und die für konsensuale Restrukturierungen nötige Einigkeit fördert.

Fallbeispiel Softline AG: Restrukturierung von Eigenkapital und Rechtsform mittels des StaRUG

Instruktiv für eine Eigenkapitalrestrukturierung mittels StaRUG ist der Fall des Leipziger IT-Beratungsunternehmens Softline AG. Dieses reichte am 31. Juli 2023 bei drohender Zahlungsunfähigkeit eine Restrukturierungsanzeige beim AG Dresden ein. Umgehend erfolgte die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten. Am 27. November 2023 erließ das AG Dresden den Planbestätigungsbeschluss. Der Restrukturierungsplan bewirkte einen Formwechsel, die Beendigung der Börsennotiz und die Übernahme aller Anteile durch den Hauptaktionär. Die übrigen Aktionäre schieden gegen Zahlung einer Abfindung aus. Die Softline AG firmiert seither als Softline GmbH und erhielt eine neue Finanzierung. Das Alltagsgeschäft und die Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten und Kunden wurden nicht beeinträchtigt. Auch die Gläubigerrechte wurden nicht beschnitten. Innerhalb weniger Monate konnten so unter Einsatz des StaRUG die Gesellschaftsverhältnisse neu geordnet, Kosten und Komplexität reduziert und die künftige Finanzierung gesichert werden.

Welche Fälle eignen sich für eine Nutzung des StaRUG?

Das StaRUG zielt auf finanzwirtschaftliche Restrukturierungen der Passivseite der Bilanz, also Änderungen hinsichtlich der Schulden (Fremdkapital) und der Anteile (Eigenkapital). Schulden können gekürzt, in Eigenkapital gewandelt, gestundet, mit Ratenzahlungsplänen versehen und anderweitig umstrukturiert werden. Die Anteile an dem in der Krise befindlichen Rechtsträger können übertragen und das Eigenkapital gekürzt oder auch erhöht werden. Ziel eines Restrukturierungsplans gemäß StaRUG ist die Krisenbewältigung mittels Schaffung einer langfristig tragfähigen Kapitalstruktur. Wenn Finanzierungsprobleme zu einer drohenden Zahlungsunfähigkeit führen, kann eine Nutzung des StaRUG die Lösung sein.

Nicht geeignet ist das Gesetz bei bereits eingetretener Insolvenzreife und zur Bewältigung tiefgreifender operativer Krisen, selbst wenn diese letztlich auch zu Finanzierungs- und Kapitalproblemen führen. Das StaRUG gibt weder Wahlrechte zur Vertragsbeendigung noch führen Restrukturierungspläne zu einer betriebswirtschaftlichen Sanierung. Letztere ist häufig zusätzlich nötig, um operative Krisenursachen nachhaltig zu beseitigen. Sie muss parallel außerhalb des Restrukturierungsplans erfolgen, der allerdings operative Maßnahmen als Bedingung für die Wirksamkeit der Restrukturierung vorsehen kann.

StaRUG-Restrukturierungsplan, Mehrheitsprinzip

Kern der Sanierung mithilfe des StaRUG ist ein Restrukturierungsplan. Diesen erstellt das Unternehmen mithilfe von Beratern. Neben Maßnahmen wie etwa der Kürzung bestehender Verbindlichkeiten muss der Restrukturierungsplan eine Vergleichsrechnung enthalten. Sie ist Entscheidungs- und Verhandlungsgrundlage für die Planbetroffenen und schützt diese vor unzulässigen Eingriffen. Die Vergleichsrechnung stellt dar, was die Betroffenen im Restrukturierungsplan erhalten (zum Beispiel Zahlung einer Planquote gegen Forderungsverzicht im Übrigen) und was sie andererseits erhalten würden, wenn der Restrukturierungsplan nicht zustande käme. Dabei hat das Unternehmen das nächstbeste hinreichend wahrscheinliche Alternativszenario zugrunde zu legen, also nicht etwa automatisch Insolvenz und Zerschlagung mit „Nullquote“.

Der Restrukturierungsplan muss nicht alle Gläubiger und Anteilsinhaber einbeziehen. Das Unternehmen wählt die Planbetroffenen nach sachgerechten Kriterien aus und teilt diese im Restrukturierungsplan in Gruppen ein.

Zur Planannahme ist eine Mehrheit von 75% der nach nominellem Forderungsvolumen beziehungsweise Anteilswert bemessenen Stimmrechte in jeder Gruppe erforderlich. In Ausnahmefällen kann die Zustimmung einer dissentierenden Gruppe mittels „Cross-Class Cram-Down“ gerichtlich ersetzt werden.

FAZIT

Das StaRUG ist in der Restrukturierungspraxis angekommen. Seine Vorteile gegenüber einem Insolvenzverfahren liegen insbesondere darin, dass für Eingriffe in Schulden und Anteile nur ausgewählte Planbetroffene beteiligt werden müssen und die Restrukturierung in Eigenverwaltung zügig, diskret beziehungsweise rufschonend und kostengünstig erfolgt. Einstimmigkeit ist nicht erforderlich; für die Annahme eines Restrukturierungsplans genügt die Zustimmung der Planbetroffenen mit 75%-Mehrheit.

 

Voraussetzungen für erfolgreiche Anwendungen des StaRUG
 

1.    Frühzeitiges Handeln: Das StaRUG kann nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit und nicht mehr bei eingetretener Insolvenzreife genutzt werden.

2.    Eignungsprüfung: Das StaRUG eignet sich für finanzwirtschaftliche Restrukturierungen bezüglich Schulden und Anteilen und nicht zur Lösung operativer Probleme.

3.    Restrukturierungsplan: Erarbeitung trefflicher Maßnahmen zur Restrukturierung von Schulden und/oder Eigenkapital; überzeugende Vergleichsrechnung.

4.    Professionelle Begleitung: Das StaRUG hat eine gewisse Komplexität. Für die Erstellung des Restrukturierungsplans und die Abstimmungen mit dem Restrukturierungsgericht sowie den Planbetroffenen sollten Spezialisten hinzugezogen werden.

Autorenprofil

Prof. Dr. Georg Streit ist Rechtsanwalt und Partner sowie Leiter der Praxisgruppe Restrukturierung bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in München. Er ist beratend und forensisch in allen Bereichen tätig, die durch den Themenkreis Krise/Sanierung/Insolvenz in juristischer Hinsicht angesprochen sind. www.heuking.de

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