Es ist keinem zu wünschen, aber selbst gut geführte Traditionsunternehmen können durch externe Effekte, etwa Corona, Ukrainekrieg oder Inflation, in die Krise und sogar in die Insolvenz geraten. In einem solchen Fall möchte man als Unternehmer meist so viel Einfluss wie möglich auf sein Unternehmen behalten. Neben den insolvenzrechtlichen Möglichkeiten, zum Beispiel ein Verfahren in Eigenverwaltung, kann jedoch auch vorgesorgt werden, um bei einem möglichen Unternehmensverkauf aus der Insolvenz heraus weiterhin Mitbestimmungsmöglichkeiten zu haben.
Im Falle einer Insolvenz ist nach § 1 InsO die höchstmögliche Gläubigerbefriedigung prioritäres Ziel. Daher ist es – mit wenigen Ausnahmen – üblich, einen Verkaufsprozess anzustoßen. Dies gilt auch bei einem Verfahren in Eigenverwaltung, welches auf eine Fortführung im Wege eines Insolvenzplans unter Einbeziehung des Gesellschafters abzielen kann.
Sicht des Gesellschafters
Der Unternehmer hat hier nur sehr beschränkte Möglichkeiten, direkt zu intervenieren und den Prozess nach seinen Wünschen mitzugestalten, da ihm die Rechte zur Verfügung über das Unternehmen mit der Insolvenzanmeldung entzogen worden sind. Als Gesellschafter sind ihm die Einflussrechte auf die Geschäftsleitung genommen. Und als Geschäftsführer wird seine Vertretungsbefugnis entweder von einem Insolvenzverwalter verdrängt oder er muss im Rahmen einer Eigenverwaltung – meist zusammen mit einem CRO – sein Handeln an den Interessen seiner Gläubiger ausrichten.
Auslagerung von betriebsnotwendigen Teilen in andere Gesellschaften
Ein Gesellschafter kann auf verschiedenen Wegen vorsorgen, um bei einer möglichen Unternehmenstransaktion aus der Insolvenz heraus weiterhin Mitspracherechte bis hin zur Entscheidungshoheit zu haben. Den meisten dieser Methoden ist gemein, dass unverzichtbare Teile des Unternehmens insolvenzsicher ausgelagert werden. Das heißt: Eine Stand-alone-Fortführung ohne diese Assets ist nicht oder nur schwer möglich. Infolge der dadurch erzeugten Abhängigkeit ist ohne Zustimmung und aktive Mitwirkung des Alteigentümers de facto keine Transaktion möglich.
Vereinfacht ausgedrückt haben die Gläubiger im Falle einer Insolvenz nur Zugriff auf die insolvente Gesellschaft, nicht jedoch zum Beispiel auf Schwestergesellschaften, so nicht Intercompany-Verbindungen zur gegenseitigen Besicherung oder Ähnliches bestehen. Viele Unternehmer führen die Betriebs-
immobilie bereits jetzt in einer eigenen Gesellschaft – meist jedoch mit dem Ziel des Vermögenerhalts. Bezüglich einer möglichen Einflussnahme im Falle einer Insolvenz können jedoch auch weitere, für das Unternehmen unverzichtbare Vermögensgegenstände und Schlüsselpositionen in eigene Gesellschaften ausgegliedert werden, so zum Beispiel das gesamte Intellectual Property, Markenrechte, Lizenzen, IT oder Maschinen. Wichtig hierbei ist natürlich, dass es sich nicht um Tochtergesellschaften der betroffenen operativen Gesellschaft handelt.
Ein Insolvenzverwalter ist in einem solchen Fall de facto gezwungen, den Alteigentümer in eine Unternehmenstransaktion einzubeziehen, da die meisten Investoren nicht auf diese maßgeblichen Assets des Unternehmens verzichten können. Während bei einer Immobilie möglicherweise eine gegenseitige Abhängigkeit herrscht, ist das Druckpotenzial bei IP- oder Markenrechten ungleich höher. Ohne Nutzung dieser Rechte wird eine Betriebsfortführung meist unmöglich sein.
Anfechtungssicherheit
Eine solche Aufsplittung sollte jedoch gut vorbereitet sein: Es müssen alle gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Themen betrachtet und einbezogen werden. Der wichtigste Aspekt ist jedoch die Anfechtungssicherheit.
Insolvenzanfechtungsrechtliche Tatbestände setzen immer eine Gläubigerbenachteiligung voraus. Grundsätzlich sind erst einmal jedwede Assetübertragungen möglich, ohne dass diese insolvenzrechtlich angefochten werden können. Jedoch müssen einige Regeln eingehalten werden. Insbesondere sind vier Tatbestände nach Insolvenzrecht von Bedeutung, bei denen Zeiträume wie auch Sachverhalte berücksichtigt werden müssen. Eine detaillierte Darstellung würde allerdings den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Jedenfalls muss eine solche Assetverlagerung frühzeitig und mit penibler Sorgfältigkeit durchgeführt werden, damit ein Insolvenzverwalter das Konstrukt oder die Eigentumsverhältnisse nicht infrage stellen kann. Neben dementsprechenden Wertgutachten mit einem drittvergleichbaren, marktüblichen Kaufpreis und einer genauen Dokumentation mit präziser Beschreibung der veräußerten Assets ist vor allem die Zeitschiene von hoher Relevanz. Es empfiehlt sich insofern, fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen.
Eine strikte Trennung innerhalb eines Firmengeflechts ist nicht einfach einhaltbar: So fordern beispielsweise die finanzierenden Banken entsprechende Sicherheiten und ziehen dabei natürlich auch die Assets der Schwestergesellschaften oder gegenseitige Patronatserklärungen in Betracht. Es erfordert ein hohes Maß an Disziplin, um diese Trennung auch in Sondersituationen des Unternehmens beizubehalten.
Sicht des Investors
Bei Unternehmenstransaktionen aus der Insolvenz ist die Zeitschiene aufgrund der Liquiditätssituation regelmäßig sehr knapp. Es führt meist zu erheblichem Koordinationsaufwand, mehrere Entscheider seitens des insolventen Unternehmens unter einen Hut zu bringen. Potenzielle Käufer sollten sich jedoch nicht durch Konstrukte abschrecken lassen, in denen nicht alle betriebsnotwendigen Assets beim Unternehmen liegen, sondern sich vielmehr rechtzeitig durch professionelle Unterstützung eines spezialisierten Beraters die dadurch entstehenden Chancen sichern. Viele Konkurrenten werden in solchen Situationen abspringen. Des Weiteren kann bei geschickten Verhandlungen ein günstigerer Kaufpreis erzielt werden.
Eine aktive, schnelle, partnerschaftliche Einbindung des Gesellschafters ist dabei für eine Insolvenzunternehmenstransaktion und damit Fortführung des Unternehmens unumgänglich. Meist wird dies jedoch unterschätzt, sodass Investorenlösungen scheitern und Unternehmen im schlimmsten Falle, trotz Fortführungswürdigkeit, liquidiert werden müssen. es dann zu einer Insolvenz kommen, empfiehlt es sich gerade für den Gesellschafter, professionelle Beratung beizuziehen, um die Vorteile seiner Einflussnahme in der notwendigen Geschwindigkeit vollumfänglich nutzen zu können, ohne den Fortbestand des Unternehmens zu gefährden.
FAZIT
Die Auslagerung von betriebsnotwendigen Assets ist eine charmante Art, sich als Gesellschafter auch bei einer Unternehmenstransaktion innerhalb einer Insolvenz unentbehrlich zu machen. Man sollte jedoch nicht mögliche Stolpersteine unterschätzen und professionelle Beratung hinzuziehen. Im Falle einer Insolvenz erfordern solche Konstrukte ein hohes Maß an aktiver, lösungsorientierter und schneller Mitwirkung des Gesellschafters, um einen Fortbestand des Unternehmens zu sichern.
Für potenzielle Käufer ist in solchen Situationen aufgrund ihrer Komplexität eine Beratung durch erfahrene Experten ebenfalls unabdingbar. Es erhält meist der Käufer den Zuschlag und kann zudem oft auch einen günstigen Kaufpreis durchsetzen, der diese Tücken im erforderlichen Tempo meistern und mit dem gebotenen Pragmatismus an die Situation herangehen kann. Eine professionelle, moderierende Beratung ist daher für Gesellschafter wie auch potenzielle Käufer – unabhängig von der Insolvenzverwaltung – ratsam.
Dieser Beitrag ist in der Magazinausgabe 3/2023 mit Schwerpunkt “Unternehmensverkauf” erschienen.
Silvan Drasch
Silvan Drasch ist Managing Director und Head of M&A bei One Square Advisors. Die auf Sondersituationen spezialisierte Beratungsgesellschaft mit Standorten in München, Frankfurt, Düsseldorf und London bietet maßgeschneiderte Leistungen im Bereich der Restrukturierung an: von Distressed M&A über die Passivseiten- und speziell Anleiherestrukturierung, die Beratung von Gläubigern oder Schuldnern bis hin zu Lösungen bei Immobilien in Sondersituationen.