Unternehmeredition: Herr Vestner, was zeichnet Ihr Geschäftsmodell aus und wie ist die aktuelle Geschäftsentwicklung?
Simon Vestner: Grundsätzlich lässt sich unser Geschäftsmodell in zwei Bereiche unterteilen, die Neuerrichtung und den Service von Aufzugsanlagen. Beide Bereiche machen jeweils 50% des Umsatzes aus. Im Ausland sind wir mit Vertriebsbüros in Österreich und Frankreich vertreten. 2011 hatten wir einen Jahresumsatz von 50 Mio. EUR und beschäftigen rund 350 Mitarbeiter.
In der Aufzugsbranche konkurrieren Sie mit Größen wie ThyssenKrupp, Otis, Kone und Schindler. Welches ist aus Ihrer Sicht Ihr Alleinstellungsmerkmal?
Wir sehen den USP in unserer Beweglichkeit am Markt. Verglichen mit unseren Wettbewerbern können wir neue Aufzüge schneller planen, liefern und einbauen. Besonders wichtig ist es, flexibel auf die speziellen Bedürfnisse der Kunden einzugehen. Großkonzerne wie ThyssenKrupp sind schwerfällige Tanker und wir die Schnellboote. Gleichzeitig bieten wir die volle Bandbreite an Aufzugsanlagen an, bis hin zu Großprojekten wie beispielsweise in der Allianz-Arena.
Wie sind Sie im Bereich Innovation aufgestellt?
Simon Vestner: Seit 1997 gibt es in unserer Branche den starken Trend zum maschinenraumlosen Aufzug. Früher gab es auf dem Dach eines Gebäudes den Maschinenraum, in dem das gesamte technische Equipment des Aufzuges untergebracht war. Wir haben Lösungen entwickelt, um die gesamte Technik im Aufzugsschacht unterzubringen. Der Trend geht auch weiter in Richtung platzsparendes Bauen, Energieeffizienz und Lärmschutz. Auch hier sind wir innovativer Vorreiter.
Was bedeutet es für Sie, Familienunternehmer zu sein?
Simon Vestner: Die Werte unserer Familie nehmen auch im Unternehmen eine große Rolle ein. Wir versuchen langfristig zu denken, insbesondere wollen wir den Mitarbeitern Sicherheit geben. München ist ein extrem schwieriger Standort, um High Potentials zu gewinnen. Wir müssen attraktiver sein als Münchner Großkonzerne. So versuchen wir beispielweise auch in schlechten Zeiten, keine Mitarbeiter freizustellen.
Wann war für Sie klar, dass Sie das Unternehmen weiterführen möchten?
Simon Vestner: Mit 14 habe ich als Ferienjob in unserem Lager Bedienungstasten sortiert. Mein erstes Projekt bekam ich mit 18, da verkaufte ich ausrangierte Firmenwägen. Es sind natürlich immer wieder kleine Stufen, die man geht, aber auch zu gehen bereit sein muss. Neben meinem Studium der Elektrotechnik und BWL habe ich auch Erfahrungen in anderen Unternehmen, u.a. einer Investmentbank gesammelt. Nach meinem Studium haben sich mein Vater und ich entschlossen, den Prozess Schritt für Schritt einzuleiten. Begonnen habe ich mit einem IT-Projekt, weitere Stationen waren Finanzen und internationale Projekte. 2005 habe ich dann meinen ersten festen Arbeitsvertrag von der Firma bekommen und wurde in die Geschäftsführung aufgenommen.
Wie ist heute die Aufgabenverteilung in der Geschäftsführung und wie sind die unterschiedlichen Herangehensweisen das Unternehmen zu führen?
Simon Vestner: Mein Vater und ich sind oft deckungsgleich im Ziel, es gibt nur Diskussionen darüber, wie man es bestmöglich erreicht. Bezüglich des Führungsstils ist er präventiver, versucht Fehler durch Gespräche frühzeitig zu verhindern. Meine Philosophie ist es, diese eher zuzulassen und zu hoffen, dass die Mitarbeiter aus ihnen lernen. Unternehmerisches Denken soll auch bei den Mitarbeitern geweckt werden.
Paul Vestner: Ich bin für den technischen Teil zuständig, mein Sohn für den kaufmännischen. Wir sind natürlich nicht jeden Tag der gleichen Meinung, aber das ist auch unmöglich. Er führt nun den Betrieb und ist somit auch dafür verantwortlich.
Wie ist es Ihnen gelungen, den Erfolg des Übergabeprozesses sicherzustellen?
Simon Vestner: Als ich im Unternehmen anfing, hat auch meine Schwester dort gearbeitet. Mittlerweile ist sie erfolgreiche „Familienmanagerin“. Mir wurde die Firma übertragen, während sie andere Vermögenswerte erhalten hat. Der eine möchte sein Geld eher aus dem Unternehmen herausnehmen, während der andere lieber investiert, um die Firma weiter voranzutreiben. Wenn zwei gegensätzliche Standpunkte aufeinander treffen, funktioniert die Firma nicht. Deswegen ist eine klare Trennung von Unternehmen und Vermögen entscheidend für die Übergabe und den Fortbestand des Unternehmens.
Paul Vestner: Ich habe das Unternehmen selbst 1982 nach dem plötzlichen Tod meines Vaters mit meinen zwei Brüdern übernommen. Ich musste mich hoch verschulden, um meine Geschwister herauszukaufen. Erst nach langwierigen Gerichtsverhandlungen konnte ich ihre Anteile übernehmen. Heute sind die Kredite zum Glück abbezahlt. Hätte es jedoch eine strikte Aufteilung gegeben, wäre das Ganze nicht passiert. Deswegen war es mir jetzt wichtig, den Nachfolgeprozess frühzeitig anzustoßen und genau zu regeln.
Welche Visionen haben Sie für die Zukunft?
Simon Vestner: Ein großes Projekt ist, über ein neues IT-System Vertrieb und Produktion besser zu verzahnen. So kann der Vertrieb einfacher als bisher dem Kunden Lösungen präsentieren und darstellen, zu welchen Konditionen individuelle Kundenwünsche erfüllt werden können. Auch Internationalisierung wird bei uns in den nächsten Jahren ganz oben stehen, weil wir im Ausland die größten Chancen sehen. Wir planen, jedes Jahr um 10% zu wachsen.
Paul Vestner: Unser Ziel ist, mehr Aufzüge im Grundmodell zu verkaufen als hochindividuelle Maßanfertigungen. So hoffen wir, über die Menge einen größeren Preisvorteil in der Produktion zu erzielen.
Was ist Ihr wichtigster Rat an andere Unternehmer?
Simon Vestner: Es ist wichtig für den Nachfolger, sich kontinuierlich selbst zu fragen, ob er diesen Schritt auch wirklich gehen will. Generell lässt sich der Prozess in drei Bereiche unterteilen: können, wollen und dürfen. Das „Dürfen“ hat mir mein Vater zugesichert, „wollen“ muss man selbst und das „Können“ bringt man sich bei.
Paul Vestner: Aufgrund meiner eigenen schlechten Erfahrungen kann ich nur betonen, den Nachfolgeprozess frühzeitig anzustoßen und geordnet zu regeln. Es müssen klare Verhältnisse geschaffen und Vermögenswerte aufgeteilt werden. Man sollte so übergeben, dass man sich angenehm verabschieden kann.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führten Markus Hofelich und Julia Gössel.
markus.hofelich@unternehmeredition.de
Zu den Personen: Paul und Simon Vestner
Der gelernte Maschinenbaumeister Paul Vestner führte das Unternehmen seit 1982 und verantwortet primär den technischen Bereich der Vestner Aufzüge GmbH (www.vestner.de). Simon Vestner leitet den kaufmännischen Teil der Geschäftsführung. 2012 plant der Senior sich ganz aus der Geschäftsführung zurückzuziehen, das Unternehmen wird auf seinen Sohn übertragen.
Markus Hofelich ist Gastautor.