Ein Chamäleon aus Waldenburg

Fieber der Industrialisierung

Begonnen hat alles 1876 im schwäbischen Bieringen. Hier wird Firmengründer Rafael Stahl geboren, hier macht er seine Lehre als Schlosser. Doch der junge Mann weiß, dass mehr in ihm steckt, nach Wanderjahren und ersten Erfahrungen in einem Stuttgarter Industriebetrieb gründet er 1876 seine eigene Firma. Die sticht von vornherein mit Pionierleistungen hervor, als eine von wenigen stellt sie elektrische Bügeleisen nach amerikanischer Bauart her. Weiter geht es mit Rundwirkmaschinen, auf denen Mieder für Frauen hergestellt wurden. 1888 entwickelt er die größte Rundwirkmaschine der Welt. Doch das Geschäft mit der Mode hält nicht lange an, der Markt bricht zu Beginn der 1890er Jahre zusammen. Die letzten Rundwirkmaschinen werden 1897 nach China geliefert.

 

Es sind die Söhne von Rafael Stahl, die sich nach neuen Geschäftsbereichen umsehen. Nach dem Tod des Vaters stellen sie auf Fördertechnik um. Sie entwickeln elektrische Flaschenzüge, Aufzüge und Kräne. 1901 baut Stahl den ersten elektrischen Personenaufzug, 1902 den ersten Aufzug mit Druckknopfsteuerung. Der ursprünglich handwerkliche Betrieb entwickelt sich mehr und mehr zum Industrieunternehmen. Die Produktion wird schnell erweitert, ab 1908 stellt Stahl auch Personenpaternoster her. „In München fährt heute noch ein Paternoster von uns“, so Hans-Volker Stahl.

Kriegswirren und Wachstumsschock

Die beiden Weltkriege treffen die Firma hart. Die Rückschläge steckt sie durch neue Entwicklungen weg, die sofort nach Ende des Krieges in Serie gehen. Nach einer Werksexplosion 1921 fragt BASF gezielt explosionssichere Ausrüstung nach. Grund genug für die Firma Stahl, sich mit der Technologie zu beschäftigen. Von da an ist sie einer der führenden Anbieter.

Nach dem Zweiten Weltkrieg geht das Wachstum mit nicht gekannter Geschwindigkeit weiter. „Wir entwickelten uns zu Europas zweitgrößtem Hersteller von Aufzügen – nach Schindler aus der Schweiz“, so Hans-Volker Stahl. 1944 wird der Elektrozugbau von Stuttgart nach Künzelsau verlegt. Dorthin, wo die späteren Geschäftsführer von Würth, der Berner Gruppe und EBM Papst in die gleiche Klasse gingen. Doch die Schwaben machen sich auch schnell an den Export. Sie finden Vertretungen in Südamerika, gründen Tochtergesellschaften in ganz Europa. Mit Übernahme der Firma Alfred Zaiser, eines Konkurrenten aus Stuttgart, steigt die Mitarbeiterzahl 1965 auf 2.800. 1968 liegt der Firmenumsatz bei über 100 Mio. DM.

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