Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigt in diesem Jahr weiter an. Viele Firmen sehen sich angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten gezwungen, neue Wege zur Krisenbewältigung zu suchen. Ein vielversprechender Ansatz ist die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren. Hierbei bleibt die Geschäftsführung im Amt und steuert den Sanierungsprozess selbst, unterstützt von Restrukturierungsexperten. Dr. Maximilian Pluta, Geschäftsführer der Pluta Rechtsanwalts GmbH und der Pluta Management GmbH, erläutert im Interview die Vorteile und Möglichkeiten dieses Verfahrens.
Unternehmeredition: Herr Dr. Pluta, immer wieder liest man, dass in diesem Jahr die Unternehmensinsolvenzen weiter steigen werden. Verzeichnen Sie bereits vermehrt Restrukturierungsanfragen?
Dr. Maximilian Pluta: Die wirtschaftliche Lage ist für viele Unternehmen derzeit eine Herausforderung, das stimmt. Wir erhalten seit einiger Zeit vermehrt Anfragen von Unternehmen, die sich mit Blick auf diese Lage oder generelle Branchenentwicklungen krisensicher aufstellen müssen. Es gibt dabei auch technologische Themen, die viele Betriebe beschäftigen. Hierzu zählen die Digitalisierung oder neue Innovationen in einer Branche, die das Geschäftsmodell verändern. Die Unternehmen müssen daher handeln und sich zukunftsfähig aufstellen. Das betrifft Automobilzulieferer, aber auch Immobilienbetriebe, Händler oder energieintensive Firmen.
Und ja: Die Zahl der Insolvenzanmeldungen steigt. Man muss hier aber auch berücksichtigen, dass die Zahlen jahrelang rückläufig waren. Historisch betrachtet sind die Fälle noch auf einem eher niedrigen Niveau. Doch eine Insolvenz bedeutet nicht zwangsläufig das Ende eines Unternehmens, sondern kann auch einen Neuanfang ermöglichen.
Können Sie uns mehr darüber erzählen, wie ein Insolvenzverfahren einem Unternehmen helfen kann?
Ein Insolvenzverfahren – gerade in Eigenverwaltung – bietet vielfältige Werkzeuge zur Sanierung von Betrieben. Eine besondere Form ist das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Hier bietet das deutsche Insolvenzrecht Unternehmen die Möglichkeit, sich neu aufzustellen, ohne die vollständige Kontrolle abgeben zu müssen. Die Geschäftsführung bleibt im Amt und führt das Unternehmen selbst durch das Verfahren, unterstützt von Restrukturierungsexperten und unter gerichtlicher Aufsicht.
Wie kann sich ein Unternehmen sanieren, wenn es ein Eigenverwaltungsverfahren anstrebt?
Ein großer Vorteil des Eigenverwaltungsverfahrens ist, dass es bereits bis zu 24 Monate vor dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit eingeleitet werden kann. Dadurch kann die Geschäftsführung potenzielle Themen frühzeitig identifizieren und Maßnahmen zur Stabilisierung und Restrukturierung des Unternehmens planen und umsetzen. Herausforderungen wie Liquiditätsengpässe, ineffiziente Geschäftsprozesse oder notwendige Kostensenkungen können so proaktiv gelöst werden, um auch wieder profitabel zu wirtschaften. Man sollte daher die Eigenverwaltung als Chance begreifen.
Es gibt Zugangsvoraussetzungen für das Verfahren. Wie genau sehen diese aus?
Die Voraussetzungen für die Eigenverwaltung sind nach § 270a in der Insolvenzordnung geregelt. Ein Unternehmen muss alle Voraussetzungen erfüllen, damit das Amtsgericht das Verfahren auch genehmigt. Ein Kernelement dabei ist die Vorlage einer vollständigen und schlüssigen Eigenverwaltungsplanung. Diese muss darlegen, wie das Unternehmen konkret durch das Verfahren geführt und wieder nachhaltig erfolgreich aufgestellt werden soll. Es muss dabei ein fundierter Finanzplan für die nächsten sechs Monate vorgelegt werden, ebenso der Verhandlungsstand mit Gläubigern und eine Kostenübersicht im Vergleich zu einem Regelverfahren. Den Gläubigern darf durch die Verfahrenswahl kein Nachteil entstehen.
Was ist für ein erfolgreiches Verfahren wichtig?
Für den Erfolg ist die umfassende Planung essenziell. Hat der Betrieb Liquiditätsprobleme, ist in einem ersten Schritt zu klären, ob die Zahlungsunfähigkeit droht oder ob die Insolvenzgründe Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung bereits eingetreten sind. Im schlimmsten Fall macht sich die Geschäftsführung sonst haft- beziehungsweise sogar strafbar.
Wie genau startet die Sanierung in Eigenverwaltung?
Das Verfahren beginnt mit einem Antrag beim Insolvenzgericht. Wenn das Gericht dem Antrag stattgibt, bleibt die Geschäftsführung im Amt und kann weiterhin operative Entscheidungen treffen. Parallel dazu wird ein Sachwalter bestellt, der die Aufgabe hat, das Sanierungsverfahren im Sinne der Gläubiger zu begleiten. Der Sachwalter achtet darauf, dass die geplanten Maßnahmen zur Sanierung umgesetzt werden und keine Verluste entstehen, die die Lage der Gläubiger verschlechtern könnten.
Danach werden Sanierungsmaßnahmen umgesetzt. Worauf kommt es an?
Im vorläufigen Verfahren kann das Unternehmen die zur Verfügung stehenden Liquiditätseffekte ausschöpfen; unter anderem erhalten die Mitarbeiter für bis zu drei Monate Insolvenzgeld. Das entlastet die Personalkosten und verschafft finanziell die notwendige Luft, um adäquate Sanierungsmaßnahmen umzusetzen. Zudem können alle Verträge auf den Prüfstand kommen, wie etwa Vereinbarungen mit Kunden und Lieferanten oder beispielsweise Mietverträge für Immobilien. Die Analyse ist hier ganz wichtig, und danach die Umsetzung der Maßnahmen. In der Regel wird auch ein Investorenprozess angestoßen, um zum einen sicherzustellen, dass für die Gläubiger das beste Ergebnis erreicht wird, zum anderen auch, um eine solide Fortführungslösung umzusetzen.
Welche Vorteile sehen Sie in einem Eigenverwaltungsverfahren gegenüber einem klassischen Insolvenzverfahren?
Einer der größten Vorteile ist die Flexibilität für die Geschäftsführung. Das Unternehmen kann seine strategischen Pläne und Maßnahmen zur Restrukturierung selbst entwickeln und umsetzen. Zudem ist es ein positives Zeichen für Geschäftspartner und Kunden, wenn die Unternehmensleitung im Amt bleibt und aktiv an der Lösung der Probleme arbeitet. Wie erwähnt, kann das Verfahren schon frühzeitig angestoßen werden – damit können rechtzeitig Maßnahmen ergriffen und so die Chancen auf eine erfolgreiche Sanierung erhöht werden. In vielen Fällen erreichen wir für die Gläubiger somit auch höhere Quoten.
Was würden Sie Unternehmen raten, die sich in einer finanziell schwierigen Situation befinden und über ein Eigenverwaltungsverfahren nachdenken?
Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen rate ich den Unternehmen, sich frühzeitig professionelle Hilfe zu suchen und nicht zu warten, bis die Krise unüberwindbar erscheint. Eine frühe und gute Planung kann den entscheidenden Unterschied machen. Die Verantwortlichen sollten daher frühzeitig handeln und die Restrukturierung in Angriff nehmen. So können die Unternehmen die Probleme überwinden und idealerweise gestärkt aus der Krise herausgehen.
Vielen Dank für das Interview.
ZUR PERSON
Dr. Maximilian Pluta ist Geschäftsführer der Pluta Rechtsanwalts GmbH und der Pluta Management GmbH. Der Rechtsanwalt, Diplom-Kaufmann und Steuerberater ist Leiter des Geschäftsfelds Sanierung und Restrukturierung. Die Restrukturierungsgesellschaft beschäftigt rund 500 Mitarbeiter in Deutschland, Spanien und Italien und unterstützt insbesondere bei der Sanierung und Fortführung von Unternehmen in Krisen oder Insolvenzsituationen.
Dieses Interview erscheint in 02_24 Unternehmeredition Unternehmensfinanzierung.
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.