Earn-outs in der Praxis – Fluch oder Segen für Verkäufer?

Wenn künftige Performance über den endgültigen Kaufpreis mitentscheidet

Earn-outs sind ein bewährtes Mittel, um divergierende Preisvorstellungen zwischen Käufer und Verkäufer bei M&A-Transaktionen zu überbrücken
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Earn-out-Klauseln sind ein bewährtes Mittel, um divergierende Preisvorstellungen zwischen Käufer und Verkäufer bei M&A-Transaktionen zu überbrücken. Sie bieten die Möglichkeit, einen Teil des Kaufpreises an die künftige Entwicklung des Unternehmens zu koppeln. Insbesondere bei Unternehmen mit hohem Zukunftspotenzial, aber noch unsicherer Entwicklung – etwa im Technologiebereich – können Earn-outs zu einer wertvollen Verhandlungslösung werden.

Richtig ausgestaltet, können Earn-outs für beide Seiten ein mächtiges Instrument sein, um Vertrauen zu schaffen, Interessen zu harmonisieren und dynamisches Wachstum gezielt zu honorieren. Denn ein Earn-out muss nicht zwangsläufig als Risikofaktor betrachtet werden – vielmehr kann er als Mechanismus zur fairen Teilhabe an zukünftiger Wertschöpfung dienen.

Strukturelle Varianten von Earn-outs

Earn-outs lassen sich in vielfältiger Weise strukturieren, abhängig von Branche, Geschäftsmodell und Zielsetzung. Üblicherweise basieren sie auf finanziellen Zielgrößen wie dem EBITDA, dem Umsatz oder der Bruttomarge, wobei zunehmend auch KPIs wie ARR (Annual Recurring Revenue) oder CAC (Customer Acquisition Cost) zum Einsatz kommen – insbesondere in SaaS-Geschäftsmodellen. Qualitative Zielgrößen wie regulatorische Meilensteine, Patenterteilungen oder Produkt-Launches können ergänzend eine Rolle spielen, etwa in der Biotech-Branche.

Die Gestaltung erfolgt oft über Schwellenmodelle, bei denen eine Auszahlung nur bei Erreichen eines Mindestwerts erfolgt, lineare Modelle mit kontinuierlicher Beteiligung ab dem ersten Euro Zielerreichung oder Stufenmodelle mit vordefinierten Schwellen und Bonuszahlungen. Ein gut konzipiertes Modell sollte dabei Anreizwirkungen entfalten und zugleich die kaufmännische Steuerung des Unternehmens nicht einschränken. Der Zeitraum eines Earn-outs bewegt sich typischerweise zwischen ein und drei Jahren. Kürzere Perioden reduzieren Unsicherheit, längere ermöglichen die Abbildung strategischer Entwicklungen.

Bilanzielle und steuerliche Fragestellungen

Earn-outs sind ein bewährtes Mittel, um divergierende Preisvorstellungen zwischen Käufer und Verkäufer bei M&A-Transaktionen zu überbrücken
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Bilanz- und steuertechnisch erfordert der Earn-out eine differenzierte Betrachtung. Käufer müssen beurteilen, ob eine Rückstellung in der Eröffnungsbilanz erforderlich ist, was vom Grad der Wahrscheinlichkeit und der Schätzbarkeit der Zahlung abhängt. Verkäufer hingegen stehen vor der Herausforderung, die steuerliche Behandlung präzise zu erfassen – insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob der Earn-out als Teil des Veräußerungserlöses oder als laufender Ertrag zu versteuern ist. Dies kann Auswirkungen auf die Steuerprogression und auf mögliche Steuerstundungsmodelle haben. Auch Bewertungsfragen im Rahmen der PPA und der potenzielle Einfluss auf das Working Capital stellen komplexe Themen dar, die im Rahmen der Transaktionsstrukturierung frühzeitig adressiert werden sollten.

Chancen durch Earn-outs – aus Sicht beider Parteien

Aus Verkäufersicht bieten Earn-outs die Möglichkeit, eine Bewertungslücke zu überbrücken und am zukünftigen Erfolg des Unternehmens zu partizipieren. Besonders in dynamischen Märkten, in denen die historische Profitabilität nicht das gesamte Potenzial widerspiegelt, kann dies zu einer deutlich höheren Gesamtbewertung führen. Verkäufer, die über spezifisches Wissen, Kundenbeziehungen oder Innovationskraft verfügen, können durch Earn-outs gezielt monetär am eigenen Beitrag zur Unternehmensentwicklung beteiligt werden. Für Käufer wiederum reduziert der Earn-out das Risiko der Überzahlung und stellt eine Art „Performance-Versicherung“ dar. Auch bei Integration und Post-Merger-Management entfaltet ein Earn-out seine Wirkung: Wenn Management oder Gründer an Bord bleiben, entsteht eine zusätzliche Motivation, um gesetzte Ziele nicht nur zu erreichen, sondern zu übertreffen.

Gestaltungsoptionen für maximale Wirkung

Earn-outs sind ein bewährtes Mittel, um divergierende Preisvorstellungen zwischen Käufer und Verkäufer bei M&A-Transaktionen zu überbrücken
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Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Earn-out liegt in der präzisen Definition der Parameter, der fairen Risikoallokation und der operativen Umsetzbarkeit. Neben der Auswahl der richtigen Kennzahlen ist insbesondere die Berechnungslogik entscheidend. Was wird als bereinigter EBITDA gewertet? Wie werden Sondereffekte, Rückstellungen oder konzerninterne Leistungen behandelt? Empfehlenswert ist eine detaillierte Berechnungsformel im Kaufvertrag, ergänzt durch Beispiele und Szenarien. Eine Reportingpflicht mit Einsichtsrecht für den Verkäufer sowie die Möglichkeit zur Einbindung eines neutralen Wirtschaftsprüfers kann Vertrauen schaffen und spätere Streitigkeiten vermeiden. Ebenso wichtig ist die Berücksichtigung unternehmerischer Flexibilität – ein zu rigides Earn-out-Modell kann Innovationen bremsen oder operative Entscheidungen verzerren. Eine dynamische und an die Realität des Geschäftsmodells angepasste Regelung ist deshalb vorzuziehen.

Praxisbeispiele und Erfolgsmodelle

Ein sehr erfolgreiches Beispiel stammt aus der Softwarebranche: Ein Gründerteam verkaufte sein B2B-SaaS-Unternehmen an einen strategischen Käufer, der das Wachstum durch Internationalisierung beschleunigen wollte. Die Earn-out-Klausel war an den ARR gekoppelt, mit einem progressiven Auszahlungsschlüssel bei Überschreiten bestimmter Umsatzmarken. Das Modell war so ausgestaltet, dass auch externe Effekte wie Währungsschwankungen und Investitionen in neue Märkte berücksichtigt wurden. Die Ziele wurden bereits im zweiten Jahr übertroffen, der Earn-out in voller Höhe ausbezahlt. Das Management blieb auch nach Ablauf des Earn-outs im Unternehmen – ein Zeichen für gelungene Integration und Zufriedenheit auf beiden Seiten.

Ein weiteres Beispiel aus dem Healthcare-Bereich zeigt, wie qualitative Ziele zur Anwendung kommen können. Der Earn-out war an die erfolgreiche CE-Zertifizierung eines Medizintechnikprodukts gebunden. Da der Prozess regulatorisch komplex war, wurde zusätzlich ein Meilensteinmodell mit Teilzahlungen eingeführt. Die Zwischenziele wurden dokumentiert, ein externer Regulatory Consultant wurde zur Überprüfung eingebunden. Auch hier wurde der Earn-out erfolgreich erfüllt und diente nicht nur der finanziellen Absicherung, sondern auch der Strukturierung eines strategisch bedeutsamen Entwicklungsprozesses.

Fazit

Earn-outs sind keineswegs nur Risikopuffer oder Kompromisslösungen. Richtig strukturiert, entfalten sie eine starke strategische Wirkung, verbinden Interessen und schaffen Vertrauen. Sie bieten Raum für Kreativität in der Gestaltung und ermöglichen es, dynamische Unternehmensentwicklungen gerecht zu berücksichtigen. Der Schlüssel liegt in einer partnerschaftlichen Haltung, in der rechtlichen Präzision der Ausgestaltung und in der gemeinsamen Vision für den Unternehmenserfolg. Für Verkäufer, die an das Potenzial ihres Unternehmens glauben, und für Käufer, die Wert auf nachhaltige Performance legen, kann der Earn-Out ein echter Gewinn sein – und weit mehr als nur eine Zahl im Kaufvertrag.

Autorenprofil
Kevin Johannes Kambach

Kevin Johannes Kambach ist Senior Associate bei Oaklins Germany und Mitglied der Branchenteams Consumer & Retail und TMT. Er unterstützt Mandanten und Kollegen bei verschiedenen Aufgaben im Zusammenhang mit Branchenanalysen, Financial Modelling, der Erstellung von Informationsmaterial und der Projektdurchführung. Vor seinem Einstieg bei Oaklins Germany war er in der M&A- und Compliance-Abteilung einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig.

www.oaklins.com/de

 

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