Das chinesische Online-Geschäft gleicht mit seinem enormen Umsatzvolumen einem Schlaraffenland für Händler. Dafür ist der Eintritt in die schöne neue E-Commerce Welt für ausländische Unternehmen mit einigen Hürden versehen, die man akribisch prüfen sollte, bevor man den digitalen Sprung wagt.
Am 11. November 2016 wurde zum 8. Mal der Singels Tag in China gefeiert. Auch dieses Jahr hat der unter dem Motto „Einkauf statt Einsamkeit“ stehende Feiertag allein dem chinesischen Online-Händler Tmall mit 16 Mrd. Euro wieder Rekordumsätze beschert. Angesichts dieser Umsätze und den 700 Mio. potenziellen Online-Käufern stellt sich die Frage, welche Chancen und Risiken der chinesische E-Commerce-Markt für deutsche Unternehmen und deren Produkte bietet.
Verschiedene Zugänge zum Online-Geschäft
Grundsätzlich gibt es für deutsche Unternehmen drei Möglichkeiten, chinesische Käufer im Internet zu erreichen: Eine Möglichkeit ist, das eigene Angebot in Deutschland zu erweitern zu einem grenzübergreifenden Online-Shop. Alternativ kann man einen eigenen Online-Shop in China starten. Oder aber man nutzt Plattformen wie Tmall als Einstieg in den chinesischen Markt. Diese Option wird im Folgenden weiter erläutert.
Die meisten grenzüberschreitenden Online-Einkäufe chinesischer Verbraucher werden über chinesische Online-Plattformen getätigt – allen voran über Tmall Global, dessen Betreiber, der Alibaba-Konzern, mit ca. 70 Prozent Marktanteil im E-Commerce unangefochtener Branchenprimus ist.
Chinesische Regelwerke
Bei solchen Plattformen kommt der Vertrag zwar durch Vermittlung der Plattformen direkt zwischen ausländischem Verkäufer und dem chinesischem Käufer zustande. Die eigentlichen Risiken ergeben sich aber aus den Regelwerken der Plattformen. Der deutsche Verkäufer muss diese akzeptieren, um die Plattform nutzen zu dürfen.
Grundsätzlich darf der chinesische Verbraucher das anwendbare Recht und den Gerichtsstand wählen, allerdings schreiben die meisten Plattformen dem Verkäufer sowohl das anwendbare Recht als auch den Gerichtsstand vor. So gibt beispielsweise Tmall in seinem Regelwerk chinesisches Recht und Schiedsgerichtsbarkeit in Hongkong vor. Nimmt nun der Verbraucher Tmall in Anspruch, so hat Tmall seinerseits die Möglichkeit, den Verkäufer vor dem Schiedsgericht in Hongkong in Regress zu nehmen. Es besteht also das Risiko, dass Tmall den deutschen Verkäufer über ein grundsätzlich auch in Deutschland vollstreckbares ausländisches Schiedsgerichtsurteil in Anspruch nehmen kann. Das bedeutet, dass der deutsche Verkäufer bei dieser Form von Online-Geschäften grundsätzlich auch in Deutschland für Ersatzansprüche des chinesischen Käufers aufgrund mangelhafter Produkte nach chinesischem Recht in Anspruch genommen werden kann. Des Weiteren ist der Verkäufer laut Regelwerk meist verpflichtet, eine Kaution von mehreren (Zehn-)Tausend Euro, je nach gehandelten Produkten, zu hinterlegen, auf die die Plattform bei kleineren Ansprüchen sofort zugreifen kann.
Umsatzbeschränkung
Wer sich von der Anwendung chinesischen Kaufrechts nicht abschrecken lässt, sollte in einem ersten Schritt prüfen, ob seine Produkte zu den über tausend abschließend gelisteten Gütern gehören, die auf chinesischen Online-Plattformen grenzüberschreitend gehandelt werden dürfen. Neben zusätzlichen Regeln für einige Produkte und Industrien ist der Umsatz pro chinesischem Kunden auf 2.000 Renminbi pro Kauf und auf 20.000 Renminbi (circa 2.700 Euro) pro Jahr beschränkt.
Im Ergebnis sollten sich Verkäufer, die das riesige Potenzial des chinesischen Online-Marktes für sich nutzen möchten, zunächst eingehend über die damit verbundenen praktischen und rechtlichen Chancen und Risiken informieren. Andernfalls könnten sie sich unversehens in Deutschland der Vollstreckung eines Hongkonger Schiedsspruchs, welcher nach chinesischem Kaufrecht ausgeurteilt wurde, ausgesetzt sehen.
FAZIT
Mit einer richtigen Vorbereitung und der gebotenen Vorsicht stellt der chinesische Online-Markt gerade für kleinere Handelsunternehmen und den produzierenden deutschen Mittelstand eine kostengünstige Möglichkeit dar, die eigenen Produkte erfolgreich in China und damit auf dem größten Zukunftsmarkt zu platzieren.
Zur Person
Rainer Burkardt ist deutscher Rechtsanwalt und leitet die Kanzlei Burkardt & Partner in Shanghai. Er arbeitet seit über 19 Jahren in China und ist unter anderem Schiedsrichter bei der Shanghai International Arbitration Commission.
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Rainer Burkardt ist deutscher Rechtsanwalt, lebt und abrietet seit über 17 Jahren in China. Er ist Vertrauensanwalt des Österreichischen Generalkonsulats in Shanghai, Schiedsrichter bei der Shanghai International Arbitration Commission und Berater der Stadt QiDong. Burkardt & Partner Rechtsanwälte ist eine in China zugelassene Kanzlei, die vorwiegend mittelständische Unternehmen, aber auch Unternehmensgruppen und internationale Industriekonzerne aus Deutschland, der Schweiz und Österreich bei deren Investitionen in China praxisnah und umfassend berät.