Die Firma Alfred H. Schütte besetzt mit ihren Mehrspindel-Drehautomaten eine lukrative Nische im internationalen Werkzeugmaschinenbau. In der vierten Generation lenkt Carl Martin Welcker die Geschicke des Familienunternehmens, in dem Konsens sogar in der Satzung steht.
Der Maschinenhersteller Alfred H. Schütte ist ein typisches Kind der Industrialisierung. Köln war um die Wende zum 20. Jahrhundert als Standort der maschinellen Produktion stark im Kommen. Der Magnet für viele neue Betriebe war damals die Gasmotorenfabrik Deutz, gegründet 1864 von Nicolaus August Otto. In Köln hatte Otto den später nach ihm benannten Viertaktmotor entwickelt, der ein Grundstein für die zweite industrielle Revolution werden sollte. Alle großen Namen der Zeit aus der Welt der Technik zog es in die Domstadt. Zeitweise arbeiteten auch die späteren Automobillegenden Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach bei Deutz.
Auch Alfred Heinrich Schütte erkannte, welche Dynamik von Deutz ausging. 1880 hatte er in Berlin zusammen mit Bernhard Schuchardt die Handelsunternehmung Schuchardt & Schütte gegründet, die sich auf den Import von Stählen und Werkzeugmaschinen aus England sowie den USA spezialisierte. Doch Berlin, das merkte Schütte schnell, war nicht der Ort, an dem er die Firma weiterentwickeln konnte. Die Zukunft für Werkzeugmaschinen, davon war er überzeugt, lag beim Automobil. Und die erste Adresse in dieser Branche war damals Deutz in Köln. Schütte löste die Verbindung mit seinem Kompagnon und gründete 1905 eine Handelsvertretung am Rhein. Die Entscheidung erwies sich schnell als richtig. Das junge Unternehmen florierte. Bald reichte es Schütte nicht mehr, Werkzeugmaschinen bloß zu vertreiben. Er beschloss, selber welche zu bauen. 1915 kamen die ersten eigenen Vierspindel-Drehautomaten auf den Markt.
Simultan statt nacheinander
Mehrspindel-Drehautomaten machen auch heute den Großteil des Geschäfts bei Schütte aus. Es sind komplexe Maschinen, in denen bis zu acht Spindeln auf einer Trommel jeweils Werkstücke halten, die von unterschiedlichen Werkzeugen bearbeitet werden. Hinzu kommen bis zu drei Gegenspindeln für die rückseitige Bearbeitung. Die Arbeit an einem Werkstück wird auf diese Weise aufgeteilt. Das hat den Vorteil, dass ein Werkstück viel schneller fertig wird, als wenn die einzelnen Arbeitsschritte hintereinander erfolgen, wie etwa beim Bohren eines Gewindes, beim Reiben von Löchern oder beim Fräsen von Flächen. Folglich kommen Mehrspindel-Drehautomaten überall dort zum Einsatz, wo es um hohe Stückzahlen und um Schnelligkeit geht, zum Beispiel bei der Produktion von Zündkerzen. „Normalerweise braucht man für die Herstellung des Zündkerzenkörpers eine halbe Minute. Das machen wir in unter einer Sekunde“, erklärt Carl Martin Welcker, Urenkel des Firmengründers. Weltweit werden pro Jahr etwa eine Milliarde Zündkerzen gebraucht, für Motoren in Autos, Lkws, Schiffen oder auch Rasenmähern. 85 Prozent davon werden auf Schüttes Werkzeugmaschinen hergestellt.