Dos and Don’ts bei der Übernahme am US-Markt

Deutsche Mittelständler wählen bei der Expansion in die USA immer öfter den Weg der Akquisition

Deutsche Unternehmen, die am US-Markt aktiv werden wollen, ziehen den Unternehmenskauf dem Fabrikbau auf der grünen Wiese immer öfter vor.
Foto: © sam richter_AdobeStock

Dass die USA für Deutschland mal wieder der wichtigste Handelspartner sind und die deutsche Industrie am liebsten in den USA und schon lange nicht mehr gern in Deutschland investiert, können wir heute überall lesen – aber dass ein direkter Unternehmenskauf der langfristigen Standortwahl und dem Fabrikbau auf der grünen Wiese immer öfter vorgezogen wird, das geht aus den rohen Statistiken nicht hervor. Und dieser Weg ist zwar schneller, aber ebenfalls riskant und mit vielschichtigen Fallstricken versehen. 

Wenn eine Übernahme als möglicher oder gar einziger Weg im Raum steht, geht es in erster Linie zunächst darum, die Erwartungshaltung der Akteure zurechtzurücken. Dabei unterschätzen sowohl Unternehmer als auch Beiräte und erfahrene Private-Equity-Fondsmanager am häufigsten die Dauer eines erfolgreichen Übernahmeprozesses, die Kosten und Ressourcenbindung im eigenen Unternehmen und am gravierendsten die Erwartung der Verkäufer an den endgültigen Preis des Unternehmens.

Die häufigsten Fehler zur Ableitung der klarsten „Don’ts“

Bei Unternehmenskäufen am US-Markt durch deutsche Mittelständler kursieren schon seit den späten 1970er-Jahren immer wieder dieselben falschen Erwartungen. Immer dann, wenn ein einziger Inhaber alle Entscheidungen zügig fällt und die Anbahnung von Gesprächen rasch voranschreitet, kann ein Kauf innerhalb eines halben Jahres über die Bühne gehen. Wo lange Runden in verschiedenen Gremien eines Konzerns oder eines Fonds gedreht werden müssen und eine Due Diligence mit allen Abteilungen durchexerziert wird, gehen auch gut und gern mal zwei Jahre ins Land, bevor die operative Integration beginnen kann. Es liegt also, entgegen der gängigen Erwartung, hauptsächlich am Unternehmer selbst, wie schnell er zu seinem US-Tochterunternehmen kommt.

Dann sind da die Anwälte, die Steuerberater und die Übernahmeberater. Während Erstere beide nur aufwandbasiert arbeiten und zumindest in der Rechtsberatung nie wirklich unter 500 USD in der Stunde und gern auch bis zu 2.000 USD abrechnen, arbeiten diejenigen, die den Deal machen, mit monatlichem Fixum und einer festen Erfolgsprämie. Die sogenannten Retainer für das Aufstellen der Kaufkriterien, die Recherche und Ansprache der Zielunternehmen und die Due Diligence bis zum Closing sind in der Regel nördlich von 20.000 USD, und die Erfolgsprämie, abhängig von der Dealgröße, kann zwischen 2% und 6% des Volumens liegen; je kleiner das Volumen, desto höher der Prozentsatz.

Dazu kommt, dass die Tiefe der Due Diligence eine Bindung von Ressourcen im eigenen und im Zielunternehmen bedeutet, die das Tagesgeschäft erheblich einschränken kann. Wir haben es erlebt, dass laufende Geschäfte bei einem kleinen Zielunternehmen durch die Erwartungen des deutlich größeren Käufers praktisch zum Erliegen gekommen sind.

Nicht zu vergessen: der Preis des Zielunternehmens. Angesichts der vielen Babyboomer, die mit all ihrer Lebenskraft etwas aufgebaut haben, das ihre Kinder nicht weiterführen wollen, ist dieser nicht mit einfachen Formeln aus der M&A- oder Private-Equity-Welt zu bestimmen. Hier kommen Deals oftmals nicht zustande, weil der sogenannte Goodwill vom Käufer ungern als Prämie auf den per Formel ermittelten Kaufpreis aufgeschlagen wird.

Und wenn die Erwartungen einmal stehen, der Prozess gut gelaufen ist und es nun gilt, das akquirierte Unternehmen zu integrieren, dann werden tatsächlich die ärgsten Fehler gemacht. Die sogenannte Post-Merger-Integration (PMI) birgt die größten Risiken. Hier sehen wir alle Fehler in jeder Form. Am häufigsten wird hier Misstrauen geschürt, weil die Käuferseite das Wissen im Zielunternehmen und die ganz anderen Marktgegebenheiten ignoriert. Die Mitarbeiter der neuen US-Tochter werden unterschätzt und die neue Mutter erkennt oft zu spät, dass es enorm wichtig ist, welche Persönlichkeit zur Integration vor Ort ist, um den positiven Geist der Übernahmegründe auch mit operativen Erfolgen zu versilbern.

Foto: © bluedesign_AdobeStock

Ein paar wenige Regeln als gute Erfolgszutaten

Commitment: Auch wenn aller Anfang schwer ist, die Verhandlungen oft zäh sind und sich in der Due Diligence unerwartete Dinge auftun können, bringt es am Ende nur etwas, wirklich hinter der Entscheidung des Prozesses zu stehen. Abwarten, herauszögern oder gar abbrechen ruiniert einen guten Namen am Markt, bevor man überhaupt versucht hat, etwas zu verkaufen.

Keep up the Pace: Amerikaner, die ihr Lebenswerk veräußern wollen, erwarten einen Prozess im Gleichschritt vom ersten Kontaktaufbau bis zur PMI-Phase. Wer hier zögert, nicht antwortet, weil Wochenende ist, oder sich für drei Wochen in den Urlaub verabschiedet, schürt Misstrauen und gefährdet den ganzen Deal.

Show Respect: Sowohl die kleinste abfällige Bemerkung eines Käufers als auch die Grundeinstellung von Abteilungsleitern in der Due-Diligence-Phase haben schon Deals an den Rande des Abgrunds gebracht. Auch intern, auch hinter verschlossener Tür darf kein abfälliges Wort fallen. Eine Grundstimmung der Positivität und gesunder Optimismus sind ein Muss im gesamten Prozess. Auch wenn der Shop steinzeitlich aussieht oder die Personalakten in Papierform im Aktenschrank Staub sammeln – die Verkäuferseite darf sich nie herabschauend behandelt fühlen.

Keep your Word: Wir sind es gewöhnt, dass Fondsmanager, eingesetzte CEOs oder konservative Unternehmer ein Schnäppchen suchen. Nichts ist jedoch schlimmer, als einen Preis oder eine bereits genannte Zahl zurückzuziehen. Wenn die Verkäuferseite das Gefühl hat, es wird nach Gründen gesucht, um den Preis zu drücken, ist der Deal geradezu zum Scheitern verurteilt.

Zusammenfassend bleiben ein paar Wahrheiten festzuhalten:

  1. Viele der Erwartungen, potenziellen Fehler und Verhaltensregeln haben ihre Wurzeln in kulturellen Divergenzen. Ganz oft lassen sich daraus entstandene Missverständnisse oder Missstimmungen ausräumen, wenn ein erfahrener Berater, der sich ein Leben lang in beiden Kulturen bewegt hat, mit am Tisch sitzt.
  2. Auch wenn die Amerikaner zunächst nett, freundlich und zuweilen fast überschwänglich wirken können, ist doch am Ende immer der eigene Vorteil die treibende Kraft. Es reicht nicht, der englischen Sprache gefühlt mächtig zu sein und schon ein paar Ecken der USA gesehen zu haben: Es ist ein festes Vertrauen in den Prozess erforderlich, um am amerikanischen Markt etwas kaufen zu können.

FAZIT

Trotz aller Widrigkeiten ist es immer dann ratsam, wenn die Option offensteht, eine Übernahme als Expansionsstrategie zu probieren. In den allermeisten Fällen führt der Weg schneller und sicherer zum Erfolg im nach wie vor größten Binnenmarkt der Erde.

👉 Dieser Beitrag erscheint auch in der nächsten Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2024 mit den Schwerpunkten “Unternehmensverkauf/M&A/Private Equity”.

Autorenprofil
Benedikt Ibing

Benedikt Ibing, geschäftsführender Gesellschafter der Pegasus Group in Atlanta, GA, unterstützt deutsche Mittelständler beim Eintritt in den nordamerikanischen Markt. Vor seiner Tätigkeit bei Pegasus hatte er Führungspositionen in US-Unternehmen mit deutschen Muttergesellschaften inne und erwarb Abschlüsse in Management und International Business. Die Pegasus Group begleitet mittelständische Unternehmen bei Geschäftsaufbau, Expansion sowie Übernahmen am nordamerikanischen Markt und managt Führungslücken ihrer Tochterunternehmen.

Vorheriger ArtikelKTP fusioniert mit belgischer conTeyor-Gruppe
Nächster ArtikelAllensbach-Umfrage zeichnet positiveres Unternehmerbild