Hauptgründe für die Krise der Allgäuland Käsereien waren langjähriges Missmanagement und die genossenschaftliche Teilhaberstruktur. Die Allgäuland Käsereien GmbH war im Besitz von sechs bäuerlichen Genossenschaften, von denen jede eigene Produktionsstandorte in den Verbund einbrachte. “Kernproblem war, dass die Genossenschaften nie zu einer Einheitsgenossenschaft zusammengewachsen sind”, sagt Dr. Volkhard Emmrich von der mit der Restrukturierung beauftragten Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner. Es existierten zahlreiche und schlecht besetzte Gremien, die zu langen Entscheidungswegen führten und wirtschaftlich sinnvolles Handeln erschwerten. Die Produktion war ineffizient und die Kosten zu hoch, da weder eine Sortiments- noch eine Standortbereinigung durchgeführt wurde. In der Vermarktung konzentrierte man sich auf Massenmärkte mit vergleichsweise niedrigen Margen und verkannte die Möglichkeiten der hochwertigen Milch im Einzelhandel. Als Erfolgsfaktoren wurde die Steigerung von Produktionsvolumen und Umsatz gesehen und die Rentabilität außer Acht gelassen.
Das böse Erwachen
Mangelnde Kontrollstrukturen und Bilanzverschiebungen des damaligen Managements führten dazu, dass die bäuerlichen Anteilseigner lange nicht merkten, wie schlecht es um ihr Unternehmen bestellt war. “Bis 2007 waren in den Bilanzprüfberichten keine Anzeichen dafür zu finden, dass irgendetwas schief läuft”, berichtet Kuno Rumpel, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der Allgäuland. “Man hatte Tochterunternehmen und nutzte diese Verästelungen, um Liquidität zu generieren. Aus heutiger Sicht waren diese Dinge zweifelhaft, aber man hat im Nachhinein nichts gefunden, das strafrechtlich relevant wäre”, so Rumpel weiter. “Das eigentliche Krisenjahr war 2008, in dem Allgäuland einen konsolidierten Gruppenverlust von rund 20 Mio. EUR bei einer Verschuldung von 60 Mio. EUR hatte. Diese Zahlen wurden allerdings in der Bilanz kaschiert”, so Christian Groschupp von Dr. Wieselhuber & Partner, ehemals CRO als Generalbevollmächtigter des Aufsichtsrats. Nachdem im ersten Halbjahr 2009 die bedrohliche Situation des Unternehmens bekannt wurde, entschieden Aufsichtsrat und Banken, den Turnaround einzuleiten.
Restrukturierung und Kampf um die Milch
Im Verlauf der Restrukturierung wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen: von Cost-Cutting über eine strategische Neuausrichtung und den Versuch einer Rekapitalisierung bis hin zur Initiierung eines Verkaufsprozesses. Im Jahre 2010 wurden die Werke in Augsburg, Tübingen und Dettingen geschlossen. Die Schließungen waren vor allem der strategischen Umorientierung im Sinne einer Reduzierung der weißen Linie (Milch) und einer Konzentration (70%) auf die gelbe Linie (Käse) geschuldet. Im Kern der Strategie stand die Umstellung der Produktion von relativ niedrigwertigen Produkten für den Massenmarkt hin zu einer Spezialisierung auf Premiumprodukte für den Lebensmitteleinzelhandel. Hierzu war es notwendig, die qualitativ hochwertige Milch, insbesondere die der Bergbauern, zu halten. “Genau in dieser Phase ist ein Krieg um die Milch ausgebrochen. Wir mussten uns mit brutalen Abwerbungsversuchen von Wettbewerbern, Misstrauensvoten und Kündigungen auseinandersetzen”, beschreibt Emmrich die prekäre Lage. So wurde laut Kuno Rumpel bis Ende 2011 beinahe die Hälfte der ursprünglichen Milchmenge verloren. Für Allgäuland bedeutete jeder abgewanderte Bauer außerdem die Rückzahlung von Geschäftsanteilen. Für die Bauern war die alles entscheidende Größe der gezahlte Milchpreis, der durch die Wettbewerbssituation in die Höhe getrieben wurde. “Durch Schließung der Standorte und Abbau der Overhead-Kosten waren wir in der Lage, einen vernünftigen Preis etwas unter Wettbewerbsniveau zu zahlen. Insgesamt mussten wir das Milchgeld stark anziehen (2009: 22 Ct/kg – 2011: 34 Ct/kg), um die Bauern bei der Stange halten”, so Emmrich.
Verkaufsstart
Mit Beginn der Restrukturierung wurde parallel ein M&A-Prozess eingeleitet. Schnell war klar, dass ein Verkauf von Allgäuland nur für einen strategischen Investor interessant sein würde. “Das Hauptverkaufsargument war die hochwertige Milch. Die Verarbeitungskapazitäten hingegen waren veraltet und die Produktion entsprach nicht den vom Markt geforderten Qualitätsstandards”, sagt Felix Regehr vom M&A Berater CAPEO, der den Verkaufsprozess begleitete. Hinzu kam die hohe Verschuldung des Unternehmens, die einen Verkauf erschwerte. Dies war einer der Gründe, warum ein ursprünglich interessierter deutscher Molkereikonzern von einem Kauf absah. Außerdem sei das strategische Momentum nicht so groß gewesen, da das Unternehmen bereits in Süddeutschland vertreten war, sagt Regehr. Stattdessen versuchten die Wettbewerber lieber über Abwerbungsversuche der Bauern an die Milch von Allgäuland heranzukommen. Die Strategie von Arla war hingegen eine andere. Durch den Kauf hätte Arla zu einem der drei führenden Milchverarbeiter im deutschen Markt aufsteigen können. “Arla wollte die hochwertige Milch und in Süddeutschland seine Füße fest in den Sand bohren”, so Regehr.
M&A on hold
Durch die Arla-Übernahme der Hansa-Milch in Norddeutschland verzögerte sich allerdings der Verkaufsprozess von Allgäuland, so dass zwischenzeitlich wieder eine Stand-Alone-Lösung auf den Plan trat. Diese sollte durch die landwirtschaftliche Rentenbank und den genossenschaftlichen Hilfsfonds mit 15 Mio. EUR finanziert werden. Gleichzeitig sollten die Banken auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten. “Die politischen Ebenen waren dazu bereit und der Plan hätte sich gerechnet”, so Emmrich. Allerding wurden die Geschäftszahlen Anfang 2011 so schlecht, dass die Rentenbank und der Hilfsfonds die Finanzierung nicht mehr verantworten wollten. “Die Stand-Alone-Strategie war nie langfristig geplant. Uns wurde eine Übergangslösung ermöglicht, die sehr wichtig war, um die Bauern an Bord zu halten”, so Rumpel.
Übernahme durch Arla
Der Versuch einer Stand-Alone-Lösung hatte Signalwirkung, sowohl auf Arla als auch auf die Bauern. “Man konnte Arla verdeutlichen, dass auch Alternativen verfolgt werden, was den Verkaufsprozess beschleunigte. Auf der anderen Seite wurde den Bauern durch das Scheitern der Stand-Alone-Lösung klar, dass es keine Alternative zu einem Verkauf gab”, so Regehr. Eine Insolvenz hätte für die Bauern einen Ausfall der Milchgeldzahlungen über ca. sechs Wochen bedeutet, und auch für die Banken wäre nicht viel übrig geblieben. “Die Banken haben daher nach zähen Verhandlungen auf ihre Forderungen so weit verzichtet, dass Arla schließlich bereit war, Allgäuland zu kaufen”, sagt Regehr. Dennoch verlief die Verkaufsabstimmung der Genossen nicht reibungslos. Die erforderliche Marke von 75% wurde bei der ersten Abstimmung der Bergbauerngenossenschaft knapp verfehlt (72%). Der Molkereikonzern Zott und der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) hatten versucht, die Bauern zu Gegenstimmen zu bewegen. “Aus strategischen Gesichtspunkten kann man das Verhalten von Zott verstehen, das vom BDM allerdings nicht”, bewertet Rumpel die damalige Situation. In einer zweiten Abstimmung wurde die erforderliche Mehrheit erreicht und Allgäuland schließlich im November 2011 durch Arla übernommen.
Fazit:
“Gerade noch mal gut gegangen” – mit diesen Worten beschreibt Kuno Rumpel den Ausgang der Geschichte. Die Insolvenz und somit schwere Ausfälle bei Bauern und Banken konnten vermieden werden. Die Genossen haben für ihr Unternehmen zwar nichts mehr bekommen, erhielten allerdings einen attraktiven Milchliefervertrag. Dr. Volkhard Emmrich sagt dazu: “Die Bauern, die mitgegangen sind, sind heute sehr zufrieden. Die Wettbewerber hat der Preiskampf eine Menge Geld gekostet, daher geht deren Milchpreis runter. Im Vergleich dazu ist der Vertrag mit Arla sehr gut. Die Bauern sind die Gewinner.”
Kurzprofil: Allgäuland Käsereien GmbH
Gründungsjahr: 1901
Branche: Molkereiprodukte
Unternehmenssitz: Wangen
Mitarbeiter 2010: 306
Umsatz 2010: 253 Mio. EUR