Der deutsche Mittelstand steht vor großen Herausforderungen. Unbesetzte Ausbildungsstellen und unzureichend vorbereitete Azubis prägen das Bild. Helfen können hierbei digitale Lehr- und Lernmethoden in der betrieblichen Ausbildung. Ihr Einsatz nimmt laut dem Institut der deutschen Wirtschaft seit 2019 deutlich zu.
2023 blieben laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung über 73.000 Ausbildungsstellen unbesetzt. Das zeigt: Die duale Berufsausbildung steckt in einer Krise. Viele Mittelständler klagen über fehlende Azubis oder unzureichende schulische Kompetenzen ihrer Lehrlinge. Diese Situation stellt den Mittelstand, in dem acht von zehn Auszubildenden ihre Lehre absolvieren, vor erhebliche Herausforderungen. Gründe dafür sind unter anderem der Mangel an qualifizierten Lehrkräften in Berufsschulen sowie das Ausscheiden erfahrener Ausbilder in den Ruhestand. Gleichzeitig fehlen vielen Auszubildenden grundlegende schulische Kenntnisse, was für Unternehmen zusätzliche finanzielle und personelle Belastungen bedeutet.
Digitale Tools als Problemlöser
Es ist ein Trend bei den Unternehmen zu beobachten, sich dieser Situation zu stellen. Sie nutzen mehr und mehr eine Kombination aus interaktiven, audiovisuellen und selbstgesteuerten Formaten und modernisieren dadurch die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Im Zeitvergleich von 2019 bis 2021 zeigte eine IW-Unternehmensbefragung, dass die Anzahl eingesetzter digitaler Lernmedien sich sukzessive erhöht. Für mehr als die Hälfte der kleinen Unternehmen sind digitale Lernmedien in der Aus- und Weiterbildung mindestens genauso wichtig oder sogar wichtiger als klassische Lernformate. Rund 63,1% der Firmen nutzen Webinare und virtuelle Klassenzimmer, die Echtzeitinteraktion und kollaboratives Lernen ermöglichen. Auch audiovisuelle Medien wie Podcasts oder Lernvideos sind beliebt, da sie flexibles und wiederholtes Lernen ermöglichen. Mehr als die Hälfte der Unternehmen setzen mittlerweile auf digitale Wissensbibliotheken, die als Informationsquelle dienen und selbstgesteuertes Lernen unterstützen.
Gleichzeitig zeigte eine Studie von 2019 des Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA), dass das Potential noch nicht vollständig ausgeschöpft wird. Woran es den Unternehmen außerdem noch fehlt, ist an digitalen Lernerfolgsmessungen. Nur etwa ein Viertel der Unternehmen nutzt diese bereits.
Lernen am Puls der Zeit
Der Markt reagiert auf die Bedürfnisse der Unternehmen nach digitalen Lernangeboten und ist entsprechend in Bewegung. Immer mehr Anbieter stehen den Unternehmen zur Verfügung, um ihre Aus- und Weiterbildungsangebote zu reformieren oder zu erweitern.
Bisher können noch nicht alle Unternehmen den Nutzen spezifischer digitaler Beratungsangebote einschätzen. So wissen 34,6% der Unternehmen, die bislang keinerlei digitale Lehr- und Lernmethodeneinsetzen nicht, ob ein Beratungsangebot ihnen bei der digitalen Gestaltung der Ausbildung hilft. Laut der KOFA-Studie wünschen sich viele Unternehmen für den erfolgreichen Einsatz digitaler Lernmedien insbesondere gute Praxisbeispiele als Inspiration, praxisnahe Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die Einführung digitaler Lernmedien sowie Informationen zu E-Learning-Anbietern. Hier ist noch einiges an Potential, um die Unternehmen besser auf ihrem Weg zu unterstützen.
Flexibilität sorgt für bessere Ausbildungsergebnisse
Unternehmen, die bereits damit arbeiten, haben die Vorteile erkannt. Allein der permanent verfügbare Zugang zu hochwertigen digitalen Lernmaterialien hilft den Mitarbeitern, weil sie selbst entscheiden können, über welches Medium oder wann sie die Lerninhalte abrufen möchten. Seminarunterlagen, Online-Schulungen und digitaler Unterricht können via Laptop, Tablet oder Smartphone aufgerufen werden. Gleichzeitig werden mit den digitalen Lernangeboten die Ausbilder entlastet. Sie müssen weniger Zeit für die Vermittlung theoretischer Inhalte aufwenden und können sich stärker auf die praktische Ausbildung konzentrieren.
Digitale Lerninhalte helfen Kosten zu reduzieren
Der Vorteil von digitalen Lernplattformen liegt auch in der Kostenreduktion bei Unternehmen. Durch den Wegfall betriebsinterner Unterrichtsangebote und Nachhilfekosten können diese Einsparungen erzielt werden. Auch erfordern digitale Tools weniger personelle Ressourcen als traditionelle Schulungsmethoden, ein weiteres Einsparpotential. Ein Unternehmen mit 500 Auszubildenden könnte schätzungsweise durch den Einsatz einer digitalen Lernplattform bis zu 850.000 EUR pro Jahr sparen.
Unternehmen, die moderne Ausbildungsmethoden einsetzen, steigern gleichzeitig ihre Attraktivität im Wettbewerb um junge Fachkräfte. Gerade junge Menschen erwarten heute digitale Werkzeuge und moderne Arbeitsbedingungen, auch in ihrer Ausbildung. Unternehmen, die dies bieten, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Auszubildenden nach dem Abschluss im Unternehmen verbleiben und somit eine langfristige Mitarbeiterbindung entsteht. Unternehmen, die ohne digitale Lernmedien ausbilden, gelten mittlerweile im Index „Ausbildungsunternehmen 4.0“ als digitale Nachzügler. 2021 machten die digitalen Nachzügler etwa 20,4% aller ausbildenden Unternehmen aus. Dies kann sich für das Unternehmen bei der Suche nach Auszubildenden als Problem herausstellen, denn die Erwartungshaltung junger Menschen in Bezug auf den Digitalisierungsgrad ihrer näheren Lebenswelt ist mittlerweile sehr hoch. Digitale Vorreiter können diesen Bonus für sich verbuchen und sprechen dadurch mehr Kandidaten an.
FAZIT
Mittelständische Unternehmen sollten die Chancen der Digitalisierung nutzen und in die Ausbildung ihrer Azubis investieren. Das ist nicht nur eine Investition in die Zukunft des Unternehmens, sondern auch in die Zukunft der gesamten Wirtschaft. Der Einsatz digitaler Tools in der Ausbildung bietet dem Mittelstand die Möglichkeit, sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen und die Ausbildung zukunftssicher zu gestalten. Die duale Ausbildung, ein Grundpfeiler des deutschen Mittelstands, muss modernisiert werden, um auch künftig qualifizierte Fachkräfte auszubilden.
Alexander Powell
Alexander Powell verfügt über umfassende Erfahrung im Bereich der digitalen Ausbildung. Bei simpleclub, einer digitalen Lernplattform, hat er als Co-Founder für die Unternehmenssparte die gesamte Produkt- und Geschäftsentwicklung federführend geleitet und entwickelt. Seit über sechs Jahren arbeitet er eng mit den größten Ausbildern Deutschlands zusammen, um die Qualität der deutschen Ausbildung zu fördern. Zu seinen Schwerpunkten gehören digitale Ausbildung, E-Learning und Qualitätsmanagement in der Bildung.