„Digitale KMU-Finanzierung wird immer alltäglicher“

Interview mit Patrick Stäuble, Gründer und CEO der Teylor AG

Teylor ist etwa 1% teurer als traditionelle Banken wie ING oder Deutsche Bank, was durch ein hohes Maß an Flexibilität gerechtfertigt ist.
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Der Mittelstand steht vor erheblichen Herausforderungen: Steigende Zinsen, eine unsichere Wirtschaftslage und zunehmend zurückhaltende Banken erschweren den Zugang zu Krediten und limitieren dringend benötigte Finanzierungsmöglichkeiten. In diesem Umfeld gewinnen alternative Finanzierungsplattformen an Bedeutung. Einer der Vorreiter in diesem Bereich ist die Teylor AG, die kürzlich den Mittelstandsfinanzierer Creditshelf übernommen hat. Wir sprachen mit Teylor-Gründer Patrick Stäuble über Perspektiven und Strategien.

Unternehmeredition: Was waren die wichtigsten strategischen Überlegungen hinter der Übernahme von Creditshelf?

Patrick Stäuble: Die Übernahme basierte auf der strategischen Zielsetzung, unsere Produktpalette zu erweitern und den KMU-Kreditmarkt effizienter zu gestalten. Während Teylor Betriebsmitteldarlehen bis 1 Mio. EUR fokussierte, war Creditshelf im Bereich von 1 bis 6 Mio. EUR aktiv. Beide Unternehmen ergänzten sich gut, hatten eine langjährige Zusammenarbeit und verwiesen Kunden gegenseitig. Die Übernahme, beschleunigt durch das Schutzschirmverfahren von Creditshelf, brachte Teylor neue Kunden, hochqualifizierte Mitarbeiter und den Zugang zu einem größeren Kundensegment. Teylor war schon immer stark in der Automatisierung und den Backoffice-Prozessen, während Creditshelf im Vertrieb an größere KMU brillierte. Durch eine engere Verknüpfung dieser Kompetenzen erwarten wir erhebliche Effizienzsteigerungen.

Hat sich durch die Übernahme auch der regionale Fokus verändert?

Nein, beide Unternehmen waren überwiegend auf Deutschland ausgerichtet. Allerdings arbeiten wir derzeit an einer weiteren Transaktion, die uns helfen soll, internationaler zu agieren. Wir planen den Erwerb eines paneuropäischen Players.

Welche einzigartigen Merkmale und Leistungen heben Sie von anderen Anbietern ab?

Teylor hebt sich durch schnelle, digitale und bequeme Prozesse ab, die Kunden einfacher und effizienter Zugang zu Krediten ermöglichen, unabhängig von der Darlehenshöhe. Intern punkten wir mit nachhaltigem Wachstum, Profitabilität und einer hochautomatisierten Plattform, die Tausende Kredite mit minimalem Personalaufwand verwaltet. Diese Effizienz senkt die Kosten um bis zu 99% im Vergleich zu Banken, macht das Unternehmen stabil und attraktiv für Kunden. Seit 2018 zeigt Teylor mit positivem Wachstum und soliden Strukturen seine langfristige Stärke.

Wie behaupten Sie sich im Wettbewerb gegen traditionelle Banken?

Bei den Banken fokussieren wir uns auf ein Segment, das oft „zwischen den Stühlen“ liegt. Es handelt sich um kleinere und mittelgroße Unternehmenskunden, die für das klassische Corporate-Finance-Geschäft der Banken nicht groß genug sind, aber dennoch Finanzierungslösungen benötigen. Diese Zielgruppe wird von Banken häufig nicht ausreichend adressiert. Genau hier setzen wir an, indem wir unser Angebot speziell für dieses Kundensegment entwickelt haben.

Und wie positionieren Sie sich gegenüber anderen FinTechs?

Wir positionieren uns als führender Anbieter im KMU-Segment, mit kaum Konkurrenz in Deutschland und der DACH-Region. Unsere umfassende Abdeckung und starke Finanzierung, einschließlich einer Debt-Finanzierung von 275 Mio. EUR, heben uns ab. Während es auf europäischer Ebene mehr Wettbewerb gibt, hat der Brexit britische FinTechs stark eingeschränkt, was uns zugutekommt. Unsere klare Fokussierung und die Marktbedingungen stärken unsere führende Rolle weiter.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation der Mittelstandsfinanzierung?

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Die Finanzierungslücke im Mittelstand wird oft überschätzt. Während stabile Unternehmen weiterhin Kredite erhalten, kämpfen viele mit sinkenden Umsätzen und steigenden Schulden, was die Bonität und Finanzierbarkeit beeinträchtigt. Die Kreditnachfrage ist stark gestiegen, aber die Ablehnungsquote ebenfalls, da viele Unternehmen nicht kreditwürdig sind. Auch wir vergeben Kredite nur an Unternehmen mit ausreichender Bonität, doch unser Fokus liegt darauf, spezifische Versorgungslücken in diesem Umfeld zu schließen, indem wir den Antragsprozess erleichtern und beschleunigen.

Welche Branchen bekommen derzeit eher Kredite, und welche haben es schwerer?

Branchen wie das Baunebengewerbe und die energieintensive Lebensmittelindustrie haben es derzeit schwerer, Kredite zu bekommen. Das Baunebengewerbe leidet unter sinkender Bauaktivität und gestiegenen Zinsen, die ihre Finanzierbarkeit erschweren. In der Lebensmittelindustrie führen hohe Rohstoff- und Energiekosten bei geringen Margen zu finanziellen Engpässen. Branchen mit stabileren Geschäftsmodellen erhalten eher Kredite.

Was sind für Sie die entscheidenden Kriterien, und wie unterscheiden Sie sich von klassischen Banken und anderen alternativen Kreditgebern?

Im Gegensatz zu klassischen Banken analysieren wir Kreditanträge mit 500 Kennzahlen, die individuell gewichtet werden, anstatt nur wenige Standardwerte heranzuziehen. Dies ermöglicht eine präzisere und kontextabhängige Bewertung, selbst bei komplexen Fällen, die Banken oft ablehnen. Automatisierung sorgt dabei für Effizienz, Flexibilität und die Berücksichtigung von Details, die klassische Banken und andere Kreditgeber oft übersehen.

Die traditionellen Banken müssen in diesem Bereich jetzt schnell nachziehen, oder?

Viele Banken erkennen den digitalen Nachholbedarf, weshalb wir ihnen unsere Technologie anbieten. Wir lizenzieren unsere Software an Banken in Deutschland, Österreich und der Schweiz, um ihre Prozesse zu digitalisieren. Beispiele wie die Zusammenarbeit mit der AKF Bank im Bereich Agrarfinanzierungen zeigen, wie unsere Lösungen außerhalb unseres Kerngeschäfts erfolgreich eingesetzt werden können. Banken, die digitale Entwicklungen ignorieren, werden langfristig Schwierigkeiten haben.

Welche Rolle spielen ESG und Nachhaltigkeit bei Ihnen?

ESG und Nachhaltigkeit sind für uns wichtig, aber die Umsetzung ist komplex. Wir arbeiten an einem „Nachhaltigkeitskredit“, bei dem Kunden günstigere Kredite erhalten, wenn sie nachweislich UN-Nachhaltigkeitsziele erfüllen, wie die Reduzierung von Wasser- oder Stromverbrauch. Greenwashing vermeiden wir durch strenge Prüfung und valide Daten. Auch Investoren fordern ESG-Transparenz, etwa zu Energieverbrauch und CO₂-Emissionen, was für unsere Eigen- und Fremdkapitalbereiche zentral ist.

Also ist die Motivation auch, für Investoren attraktiver zu werden und sich auf dem wachsenden Markt zu positionieren?

Genau. Aber es ist auch für unsere Mitarbeiter wichtig, insbesondere für die jüngeren Generationen, wie die Gen Z. Für diese Mitarbeiter ist ESG ein „cooles Projekt“ im Unternehmen. Aus der Sicht der Mitarbeiterentwicklung und -bindung ist es immer wichtiger, den jungen Mitarbeitern zu zeigen, dass ESG bei uns einen hohen Stellenwert hat.

Wenn ein Mittelständler in Erwägung zieht, zu Ihnen zu kommen, spielt natürlich der Kostenfaktor eine große Rolle. Sie sind vermutlich etwas teurer als traditionelle Geldgeber?

Wir sind etwa 1% teurer als traditionelle Banken wie ING oder Deutsche Bank, was durch unsere Schnelligkeit und Flexibilität gerechtfertigt ist. Unsere Finanzierungsmöglichkeiten sind zum Teil auch für Unternehmen zugänglich, die bei Banken abgelehnt werden. Der günstigste Zinssatz liegt bei 5%, und Projektfinanzierungen können teurer sein, aber der Unterschied bleibt gering.

Was sind die zentralen Themen und Visionen für die Zukunft?

Der Fokus sollte aus unserer Sicht auf der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas liegen, besonders in Bezug auf Bürokratie und die Abhängigkeit von Amerika. Für Teylor sehe ich großes Potenzial, da die Nachfrage nach Kapitalaufnahmen bei Unternehmen wächst. Ähnlich wie bei der Einführung von Mobile Banking vor zehn Jahren wird auch die digitale KMU-Finanzierung immer alltäglicher. Unser Ziel ist es, eine führende Plattform für KMU-Finanzierungen zu werden.

Wir danken Ihnen für dieses interessante Gespräch!


ZUR PERSON

Foto: © Teylor AG

Patrick Stäuble, CEO, gründete die Teylor AG im Jahr 2018. Er begann seine Karriere beim Schweizer Militär, wo er als Militärbeobachter an Auslandsmissionen teilnahm. Anschließend studierte er Volkswirtschaft an der Universität Zürich und gründete und verkaufte bereits während des Studiums sein erstes Start-up. Vor der Teylor-Gründung war er mehrere Jahre im Finanz- und Fintech-Sektor in der Schweiz und in Deutschland tätig.

www.teylor.com

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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