Viele Unternehmen sind derzeit mit der Frage konfrontiert, ob die Fortführung des Unternehmens beziehungsweise bestimmter Unternehmensbereiche betriebswirtschaftlich weiterhin sinnvoll ist. Das Management muss daher Handlungsoptionen beurteilen, welche den größten Wert beitragen beziehungsweise geringsten Schaden verursachen. Dies ist in immer mehr Situationen die Stille Liquidation statt Turnaround, Verkauf oder Insolvenz.
Ein eingeleitetes Restrukturierungsprogramm kann unter anderem die Vereinfachung der Konzernstruktur oder die Beendigung von Aktivitäten nachhaltiger Verlustbringer zum Gegenstand haben, beispielsweise durch die Bereinigung von Produktsegmenten oder den Rückzug aus Regionen.
Vorteil einer stillen Liquidation gegenüber dem Insolvenzverfahren ist, dass die öffentliche Wahrnehmung geringgehalten werden kann. Darüber hinaus hat das Management den Prozess der stillen Liquidation selbst unter Kontrolle und kann damit den Ablauf gestalten sowie negative Auswirkungen besser steuern (z.B. Management von Lieferantenbeziehungen).
Die wesentliche Hürde ist allerdings die operative Umsetzung der Liquidation, die komplex und zeitintensiv sein kann (siehe Abb. 1 für wichtige Stakeholder). Im Folgenden werden wesentliche Aspekte vorgestellt, die in Vorbereitung und Durchführung zu betrachten sind. Dabei stehen operative Maßnahmen im Vordergrund und nicht die rechtliche Ausgestaltung einer Liquidation.
Quelle: Alvarez & Marsal
Liquidationsplan erstellen
Unabhängig vom Anlass sollte zu Beginn immer eine ausführliche Validierungs-, Planungs- und Konzeptentwicklungsphase stehen. Leitprinzip ist dabei, dass ausreichend Mittel im Unternehmen, das liquidiert werden soll, verbleiben, um die bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten zu bedienen. Sollte dies fraglich sein, so besteht für die Geschäftsführung ein erhebliches Haftungsrisiko. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn während der laufenden Liquidation Ausschüttungen vorgenommen werden sollen.
Zu allererst ist daher ein detaillierter Liquidationsplan zu erstellen. Die enthaltenen Themen und Aufgaben reichen von trivialen Sachverhalten wie der Kündigung bestehender Verträge bis zur komplexen Übertragung von bestehenden Kundenbeziehungen auf Dritte. Auch die Planung der notwendigen Ressourcen und die Vergabe von Verantwortlichkeiten ist zu berücksichtigen.
Natürlich sind auch die finanziellen Implikationen der Liquidation darzustellen. Es geht darum die Liquiditätseffekte (Einnahmen und Ausgaben) auf einer Zeitachse abzubilden und frühzeitig abzuschätzen, wie die finanzielle Ausstattung ist beziehungsweise sein sollte, damit die Liquidation auch durchgeführt werden kann. Gegebenenfalls müssen die entsprechenden Finanzmittel zum Beispiel vom Eigentümer zur Verfügung gestellt werden, damit eine Insolvenz vermieden wird. Weiterhin ist der Plan monatlich zu überprüfen und es ist zu bewerten, ob es Änderungen bei den Annahmen gibt. Diese sind der Geschäftsführung zu kommunizieren und im Plan anzupassen.
Der Erfahrung nach sollte bei der Bearbeitung der Aufgaben ein pragmatischer Ansatz gewählt werden. Geschwindigkeit bei der Umsetzung ist von enormer Bedeutung für den Erfolg der Liquidation und wichtiger als zahlreiche Optimierungsschleifen. Das gilt gerade im Hinblick auf den vorgegebenen Zeitrahmen und die damit begrenzte Verfügbarkeit von Ressourcen und deren Know-how sowie die Tatsache, dass häufig weitere Themen auftauchen, die ursprünglich nicht im Plan enthalten waren.
Sonderthemen frühzeitig angehen
Darüber hinaus sind auch Themen zu berücksichtigen, die insbesondere zu Beginn des Liquidationsprozesses schwer zu prognostizieren sind beziehungsweise besondere Aufmerksamkeit verdienen, da diese wesentlichen Einfluss auf den Erfolg der Liquidation haben können. Hierzu gehören unter anderem rechtliche Auseinandersetzungen (insbesondere als Beklagter), steuerliche Sachverhalte (z.B. Betriebsprüfungen), der Umgang mit Pensionsverpflichtungen oder konzerninterne Transaktionen.
Die beiden letztgenannten kann das Unternehmen aktiv steuern. So können bestehende Pensionsverpflichtungen mittels einer Liquidationsversicherung ausgelagert werden. Dies ist aber mit einer hohen Einmalzahlung verbunden, die im Gegenzug aber Planungssicherheit bietet. Bei konzerninternen Transaktionen, zum Beispiel Verkäufen von Vermögensgegenständen an andere Konzerngesellschaften, ist zu beachten, dass diese einem Drittvergleich standhalten müssen. Dies ist insbesondere unter haftungsrechtlicher Perspektive von Bedeutung, damit das Management im Falle einer zunächst ungeplanten, aber im späteren Verlauf möglicherweise dennoch eintretenden Insolvenz nicht dem Vorwurf der aktiven Vermögensminderung ausgesetzt wird.
Hinsichtlich laufender Rechtsverfahren sollten externe rechtliche Stellungnahmen zu möglichen Ausgängen und Schadenshöhen eingeholt werden. Ähnliches gilt bei möglichen Steuerrisiken. Die Erkenntnisse müssen in den Liquidationsplan integriert und kontinuierlich überwacht werden.
Kernteam definieren
Beim Aufstellen des Liquidationsplans muss auch die Grundlage für das erforderliche Personalgerüst gelegt werden. Es muss festgelegt werden, wer, wann, wofür und wie lange im Unternehmen benötigt wird. Die Unternehmensleitung muss entscheiden, ob ein aggressiver oder ein eher defensiver Planungsansatz gewählt wird. Es ist also abzuwägen, ob der möglichst kostenoptimale Abbau beziehungsweise die Ausgliederung von Arbeitsplätzen Priorität hat, oder ein ausgewogener Ansatz gewählt wird, der zumindest von der Ressourcenperspektive eine gewisse Flexibilität bietet. Diese Entscheidung ist sowohl von der Komplexität der Situation als auch den arbeitsrechtlichen Rahmenfaktoren abhängig. Die zeitnahe Einbindung und Begleitung durch arbeitsrechtliche Experten ist daher unerlässlich.
Unabhängig davon sind die folgende Punkte von Bedeutung:
- Transparente Kommunikation des Plans in Richtung aller Beteiligten
- Sicherung von wesentlichen Mitarbeitern durch Motivations- beziehungsweise Halteprämien
- Risikoorientierte Personalplanung − Fokus auf die wesentlichen Themen und deren Abarbeitung
- Hohe Umsetzungsgeschwindigkeit
Erfahrungsgemäß sinkt mit zunehmender Projektdauer die Motivation der mit der Schließung beauftragten Mitarbeiter. Ferner nehmen vor allem gut qualifizierte Mitarbeiter oftmals Jobangebote anderer Unternehmen beziehungsweise nicht von der Schließung betroffener Unternehmensteile wahr. Vor diesem Hintergrund ist meist die Einbindung externer Spezialisten erforderlich.
FAZIT
Die Durchführung einer Liquidation kann sehr komplex sein. Große Bedeutung kommt daher der Erstellung des Liquidationsplans inklusive Sonderthemen sowie der Personalplanung zu. Entscheidend ist aber, dass das Geplante auch umgesetzt wird. Maßgebend ist eine strukturierte und schnelle Abarbeitung der anstehenden Aufgaben – getting things done steht im Fokus. Die Einbeziehung erfahrener Experten ist in diesem Zusammenhang häufig sinnvoll, da diese ähnliche Situationen regelmäßig erleben und entsprechend zielorientierter oder auch emotionsloser agieren können. Darüber hinaus helfen zusätzliche Ressourcen die Liquidation auf der geplanten Zeitachse zu erreichen und somit den Erwartungshaltungen der Stakeholder nachzukommen.
Dieser Beitrag erschien in der neuen Magazinausgabe der Unternehmeredition 2/2024 mit den Schwerpunkten Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Digitalisierung.