Geopolitische Unsicherheiten, Inflation und gestiegene Zinsen stellen den M&A-Markt weiterhin vor Herausforderungen. Doch der Trend zeigt nach oben, wie Yasin Maloglu, M&A-Manager bei Marktlink, im Interview erklärt. Wir sprachen mit ihm über die zunehmende Aktivität bei Firmenübernahmen, die wachsende Rolle von Private-Equity-Gesellschaften und die Chancen für mittelständische Unternehmen.
Unternehmeredition: Herr Maloglu, was waren für Sie die Highlights auf dem M&A-Markt im Jahr 2024?
Yasin Maloglu: Aktuelle Fälle wie die von KaDeWe und Breuninger sind sicherlich spannend, auch wenn sie nicht unbedingt für den gesamten Markt repräsentativ sind. Was viele übersehen, sind die zahlreichen kleineren Transaktionen, die zwar weniger Aufmerksamkeit erregen, aber genauso bedeutsam sind. Besonders interessant finde ich Fälle, in denen durch geschickte Nachfolgelösungen Unternehmen wieder eine langfristige Perspektive erhalten, wie beispielsweise der Verkauf von Toptron Electronics an Alko, den wir begleitet haben. Wir konnten einen sehr effizienten Prozess aufsetzen und haben dem Unternehmen durch die Übernahme eine solide Zukunftsperspektive eröffnet.
Trotz positiver Entwicklungen gibt es auch viele Unternehmen, die vor finanziellen Schwierigkeiten stehen. Was bedeutet das für den M&A-Markt?
Das aktuelle Marktumfeld ist angespannt – gestiegene Zinsen, geopolitische Krisen und Inflationsdruck treffen viele Unternehmen hart. Dies führt vermehrt zu Insolvenzen oder Liquiditätsengpässen, was den M&A-Markt in Bewegung hält. Wir sehen vermehrt Übernahmen von Unternehmen, die in Schwierigkeiten stecken, weil größere Player durch Synergien besser mit den Herausforderungen umgehen können.
Was sind die Erfolgsfaktoren, um aus bedrohten Unternehmen wieder erfolgreiche Unternehmen zu machen?
Es kommt darauf an, ob das Geschäftsmodell eines Unternehmens attraktiv genug ist, um langfristig bestehen zu können. Manchmal liegt das Problem darin, dass Unternehmen langfristige Verträge eingegangen sind, die sich aufgrund der gestiegenen Kosten nicht mehr rentieren. Wir sehen das im Stahlsektor, wo viele Unternehmen durch langfristige Verpflichtungen ohne gesicherte Kostenbasis in Schwierigkeiten geraten sind. Trotzdem gibt es auch Chancen, wenn man den richtigen Partner findet.
Trotz der Unsicherheiten scheint der M&A-Markt wieder anzuziehen, sowohl in Deutschland als auch global. Wie schätzen Sie die Dynamik ein?
Wir sehen eine nachhaltige Entwicklung, und der Appetit der Käufer wird weiter ansteigen. Ich gehe davon aus, dass vor allem der angelsächsische Raum eine stärkere Entwicklung erleben wird, da wir in Deutschland mit unserer Bürokratie oft Neugründungen verhindern. Grundsätzlich beobachten wir aber, dass generell die Nachfrage nach Übernahmen weiter zunimmt. Die Käufer sind wieder aktiver, was durch die leicht sinkenden Zinsen begünstigt wird.
Besonders Private-Equity-Investoren zeigten sich in den letzten Monaten zurückhaltend. Haben Sie das bei Marktlink auch zu spüren bekommen?
Nein, im Gegenteil. Wir verkaufen etwa drei Viertel der Unternehmen, die wir begleiten, an Private-Equity-Investoren oder strategische Käufer, die von Private Equity unterstützt werden. Dieser Anteil ist sogar gewachsen. Besonders vonseiten niederländischer Private-Equity-Unternehmen sehen wir weiterhin viele Anfragen, auch wenn die Bewertungen aktuell strenger geprüft werden.
In den Medien wird oft die Frage aufgeworfen, ob der Verkauf von Traditionsunternehmen an ausländische Investoren wie beispielsweise der Verkauf vom KaDeWe an die thailändische Central Group ein Ausverkauf der europäischen Wirtschaft ist. Wie sehen Sie das?
Das ist eine verständliche Sorge, aber ich sehe das nicht so kritisch. Natürlich müssen wir uns fragen, warum bestimmte europäische Unternehmen nicht in der Lage waren, ihr Geschäftsmodell zu modernisieren. Dennoch sehe ich es positiv, dass ausländische Investoren Unternehmen übernehmen, weil dies oft Arbeitsplätze sichert und die betroffenen Unternehmen langfristig stärkt.
Welche Strategie steckte denn im Fall Central Group dahinter?
Im Wesentlichen verfolgt die Central Group eine erweiterte „Buy-and-Build“-Strategie. Ähnlich wie klassische Private-Equity-Häuser identifizieren sie attraktive Märkte und erweitern ihr Portfolio durch strategische Zukäufe. Die Central Group hat dies geschickt umgesetzt, indem sie große Marken wie KaDeWe und Selfridges ins eigene Portfolio geholt hat, was ihre physische Präsenz und Markenreichweite erweitert. Ob sie ein Rebranding planen, weiß ich nicht, aber es wäre denkbar, dass sie diese Warenhäuser unter einer gemeinsamen Marke zusammenführen.
Was bringen der Central Group solche Zukäufe?
Zukäufe bieten ihnen die Möglichkeit, Synergien zu schaffen und Kosten über mehrere Branchen, Sparten und Länder hinweg zu verteilen. Dadurch können sie Schwankungen in verschiedenen Märkten besser ausgleichen. Besonders mit Globus haben sie nun auch die Kaufkraft der Schweiz im Portfolio, was den Markt für sie in Europa noch interessanter macht.
Hat der (Luxus-)warenhaussektor trotz des zunehmenden Onlinehandels eine Zukunft?
Grundsätzlich hat das Warenhaussegment weiterhin seine Berechtigung. Der Erfolg hängt davon ab, welche Marken angeboten werden, wie Kunden angesprochen werden und welche Aktionen durchgeführt werden. Ein Beispiel ist Breuninger, das derzeit zum Verkauf steht, und wo die Central Group als möglicher Käufer im Gespräch ist. Sie setzen sehr interessante Kundenbindungsmaßnahmen um.
Was sind denn aktuell die Trends bei KMUs?
Der Nachfolgeprozess bleibt ein wichtiger Faktor. Es gibt kontinuierlich Übernahmen, da viele Unternehmen aufgrund der Nachfolgeregelung verkauft werden müssen. Aber auch der Transformationsdruck spielt eine große Rolle, insbesondere im Mittelstand. Es muss nicht immer der Gesamtverkauf oder -aufkauf sein. Oftmals verkaufen Unternehmen Teile, konsolidieren sich oder kaufen gezielt dazu, um sich besser an die veränderten Marktbedingungen anzupassen.
Beispielsweise in Bereichen wie Künstliche Intelligenz (KI) oder Nachhaltigkeit – können Zukäufe hier eine Lösung bieten, um den Transformationsdruck zu bewältigen?
Absolut. Der Transformationsdruck kann aus verschiedenen Gründen entstehen. Einerseits können regulatorische Anforderungen, wie etwa Vorgaben zum CO2-Fußabdruck, Unternehmen zu Veränderungen zwingen. Andererseits spielt auch die veränderte Nachfrage der Kunden eine Rolle. Wir haben Transaktionen auf beiden Seiten begleitet. Manchmal fehlt es den Unternehmern an Energie oder der zeitlichen Perspektive, um notwendige Transformationen selbst anzustoßen. In solchen Fällen wird das Unternehmen verkauft, um den nächsten Schritt, etwa durch Automatisierung oder Investitionen, zu ermöglichen. Auf der anderen Seite gibt es auch Unternehmen, die feststellen, dass sie nicht mehr innovativ genug sind oder dass ihre Produkte nicht mehr die Nachfrage bedienen. Hier sehen wir oft Übernahmen, bei denen gezielt Know-how oder innovative Produkte hinzugekauft werden, um das Unternehmen für die Zukunft besser aufzustellen.
Es gibt also beides: Unternehmen, die sich entschließen, aus strategischen Gründen zu verkaufen, und solche, die durch gezielte Zukäufe ihre Innovationskraft stärken?
Genau. Besonders beim Verkauf sehen wir oft, dass Unternehmer zu spät agieren. Andererseits gibt es Unternehmer, die mit Mitte vierzig noch genug Zeit haben, aber dennoch erkennen, dass ein Verkauf oder eine Integration in eine größere Gruppe der beste Weg ist, um den Transformationsanforderungen gerecht zu werden. Leider dürfen wir aufgrund der Vertraulichkeit nicht immer über unsere Transaktionen sprechen, aber es gibt zahlreiche Beispiele dafür.
Was ist Ihr Ausblick auf den M&A-Markt, insbesondere im KMU-Segment?
Unser Ausblick ist positiv. Die Kluft zwischen Käufern und Verkäufern beginnt sich zu schließen, besonders da die makroökonomischen Bedingungen, insbesondere die Zinsen, sich etwas entspannen. Die Nachfrage nach Nachfolgelösungen bleibt hoch, und Unternehmen werden in den nächsten Jahren zunehmend die Möglichkeit haben, den richtigen Partner zu finden, um eine optimale Lösung für sich und ihre Mitarbeiter zu erzielen.
ZUR PERSON
Yasin Maloglu ist M&A-Manager bei Marktlink in Düsseldorf. Davor war er bei KPMG und bei der Metro AG in Düsseldorf. Seine besonderen Schwerpunkte sind Technologie und Großhandel. Marktlink berät seit 1996 Unternehmer beim Kauf und Verkauf kleinerer und mittelständischer Unternehmen (KMU).
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.