Mittelständler sangen ein Loblied auf die Jugend. Heute setzen Unternehmen immer mehr auf ältere Mitarbeiter. Fachkräftemangel und demografischer Wandel sind nicht die einzigen Gründe dafür.
„Vor rund 15 Jahren war es bei Konzernen gang und gäbe, Mitarbeiter über 55 mit einer hohen Abfindung nach Hause zu schicken“
Susanne Glaser-Radtke, Geschäftsführerin GIM Gesellschaft für integratives Management mbH
Silver Ager auf dem Vormarsch?
Sind sie also tatsächlich auf dem Vormarsch, die 50-Plusler, die Best und Silver Ager? Erkennen Unternehmer zunehmend nicht nur den Nutzen, den ältere Mitarbeiter ihnen in Zeiten von Fachkräftemangel und umgekehrter Alterspyramide bringen, sondern auch ihren Wert? „Das denke ich schon“, sagt Susanne Glaser-Radtke, Geschäftsführendende Gesellschafterin der Hamburger Personalberatung GIM Beratung für integratives Management mbH. „Vor rund 15 Jahren war es bei Konzernen gang und gäbe, Mitarbeiter über 55 mit einer hohen Abfindung nach Hause zu schicken“, erklärt Glaser-Radtke. Und die vielen jungen Rentner ließen es sich gern gefallen, freuten sie sich doch auf ein Leben in Ruhe und finanzieller Sorglosigkeit.
„Heute hingegen sind die Universitäten voll von Greyhounds“, weiß die Personalberaterin. Nicht nur in den Unternehmen habe ein Umdenken eingesetzt, auch die Silver Ager selbst veränderten sich, bildeten sich freiwillig weiter, fingen nach ihrem Arbeitsleben noch einmal ein Studium an. „Das zeigt, wie aktiv ältere Menschen heute sind, und es macht sie als Mitarbeiter für Unternehmen interessant“, ist Glaser-Radtke überzeugt. „Mein Eindruck ist, dass viele Firmenchefs genau wissen, was sie an älteren Angestellten haben“, sagt sie.
Keine statistische Evidenz
So scheint es fast, als hätte sich mit der Alterspyramide auch die Vorliebe der Konzernvorstände und mittelständischen Firmenlenker umgekehrt. Schworen vielen von ihnen vor noch nicht einmal 20 Jahren auf die Jugend, hofieren sie heute die erfahrenen Älteren. Schließlich zeigen Studien, die untersuchen, ob sich ältere und jüngere Mitarbeiter in ihren Persönlichkeitsmerkmalen unterscheiden, im Durchschnitt keine oder nur sehr geringe Effekte. Wissenschaftlich konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dass ältere Menschen etwa gewissenhafter arbeiten oder emotional stabiler sind. Auch zeigen sich jüngere Menschen nicht per se offener für neue Erfahrungen. „Es ist daher nicht sinnvoll, ältere Mitarbeiter bei der Besetzung von Stellen grundsätzlich zu bevorzugen“, sagt Professor Uwe Kanning.
Das sieht auch Personalberaterin Glaser-Radtke so. „Andererseits muss man aber berücksichtigen, dass viele junge Leute in Deutschland heute erst mit über 30 ihr Studium abschließen“, gibt sie zu bedenken. „Wenn sie einmal Anfang 50 sind, haben sie noch ein Drittel ihrer Lebensarbeitszeit vor sich“, sagt sie. Daher sei es durchaus richtig, dass Unternehmer von der jahrelangen „Glorifizierung der Jugend“ Abstand genommen hätten.
Es geht nicht um Bevorzugung
„Es geht gar nicht darum, ältere Mitarbeiter zu bevorzugen, sondern darum, sie individuell sinnvoll einzusetzen“, findet Glaser-Radtke. Das sei je nach Branche natürlich einfacher oder schwieriger. „Aber letztendlich kann auch ein 60-jähriger Maler, den man vielleicht nicht mehr aufs Gerüst schickt, umschulen“, ist die Personalberaterin überzeugt. Er könne jüngere Kollegen coachen oder im Verkauf tätig sein. „Gerade dort erweisen sich ältere Mitarbeiter oft als extrem wertvoll“, weiß auch Hans-Georg Pompe. Viele Kunden schätzten es, von souveränen Ansprechpartnern mit viel Fachwissen betreut zu werden.