Deutschland bleibt das „Sorgenkind der EU“

Foto: © Miha Creative_AdobeStock
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Die deutsche Wirtschaft überrascht mit einem Wachstum im dritten Quartal 2024. Doch dies ändert wenig an der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, so Thomas Obst, Konjunkturexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Deutschland bleibt im EU-Vergleich das Sorgenkind, und die wirtschaftlichen Herausforderungen sind weitreichend.

Wachstum durch Konsum

Das Wachstum der deutschen Wirtschaft im dritten Quartal ist in erster Linie auf steigende Konsumausgaben zurückzuführen. Durch die sinkende Inflation und die jüngsten Tarifabschlüsse bleibt den Haushalten mehr Geld zur Verfügung, was sich in den Konsumausgaben widerspiegelt. „Der Anstieg ist ein Hoffnungsschimmer, mehr aber auch nicht. Deutschland bleibt das Problemkind der Eurozone und bewegt sich in Richtung Rezession,“ erklärt Obst. Er betont, dass das Wachstum ohne eine tragfähige Basis bleibt, da die Auftragslage in der Industrie weiterhin schwächelt. Der globale Wirtschaftsaufschwung geht an Deutschland vorüber, da die Fragmentierung der Weltwirtschaft die deutsche Industrie besonders belastet.

Fehlende Investitionen

Der Konjunkturaufschwung wird durch strukturelle Standortprobleme behindert. Zu hohe Steuern, hohe Energiepreise und eine überbordende Bürokratie machen es Unternehmen zunehmend schwer, wettbewerbsfähig zu bleiben. „Die Bundesregierung muss sich diesen Problemen stellen, um Deutschland langfristig zu stärken. Dazu zählt die Sanierung der maroden Infrastruktur ebenso wie Investitionen in zukunftsgerichtete Wirtschaftsbereiche,“ so Obst. Hohe Lohnstückkosten im internationalen Vergleich belasten zusätzlich, und viele Firmen zögern, weitere Investitionen zu tätigen.

Verbesserung der Geschäftsstimmung

Erstmals seit einem halben Jahr verzeichnete das ifo-Institut im Oktober einen Anstieg des Geschäftsklima-Index, der auf 86,5 Punkte kletterte. Dies deutet auf eine Stimmungsaufhellung unter den deutschen Unternehmensführern hin, nachdem der Index vier Monate in Folge gefallen war. Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, kommentierte: „Die deutsche Wirtschaft konnte den Sinkflug vorerst stoppen.“ Die positive Stimmung zieht sich durch die Industrie, den Dienstleistungssektor und den Handel, während die kriselnde Baubranche weiterhin Rückgänge verzeichnet.

Unsicherheiten durch US-Wahl

Die anstehende US-Präsidentschaftswahl sorgt für zusätzliche Unsicherheiten. Sollten sich die Wahlchancen des Republikaners Donald Trump verbessern, könnte dies zu negativen wirtschaftlichen Auswirkungen führen, insbesondere für die deutsche Exportwirtschaft. Laut ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe könnte ein Wahlsieg Trumps eine schnelle Trendwende vereiteln. Rund 44 Prozent der befragten deutschen Industrieunternehmen befürchten Handelshemmnisse und Strafzölle im Falle eines Siegs des Republikaners.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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