Das Thema Nachhaltigkeit ist in der Unternehmensfinanzierung angekommen. CFOs und Treasury-Abteilungen greifen das Thema aktiv auf, setzen es auf Ihre Agenda und tauschen sich mit Investoren intensiv über Nachhaltigkeit aus. Dies geht aus einer gemeinsamen Befragung des Deutschen Aktieninstituts und der Stuttgarter Börse unter 43 Finanzverantwortlichen großer deutscher Unternehmen hervor.
„Der Markt für nachhaltige Finanzierung wächst”, betonte Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts e.V. zum Auftakt der heutigen Pressekonferenz. Habe das weltweite Emissionsvolumen nachhaltiger Anleihen laut Zahlen der Climate Bonds Initiative 2018 noch bei 170 Mrd. USD gelegen, sei die Zahl im Jahr 2020 schon auf rund 270 Mrd USD angestiegen. Die EZB-Bank prophezeie ein 30-prozentiges Wachstum bei grünen Anleihen.
Der Studie zufolge stellen nachhaltige Finanzierungsinstrumente für Unternehmen, die diese bereits genutzt hätten, keinen Selbstzweck dar, sondern seien Teil ihrer Nachhaltigkeitsstrategie. Diese Unternehmen seien bereit, Ressourcen zu investieren. CFOs und Treasury-Abteilungen ohne Erfahrung mit ESG-Instrumenten wiesen demgegenüber auf ausreichende „herkömmliche“ Finanzierung und das Spannungsverhältnis zwischen zusätzlichem Aufwand und unsicherem Nutzen hin.
Die Studie ergab, dass Impulse, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen, sowohl von den Finanzverantwortlichen selbst, als auch von anderen Marktteilnehmern wie Banken und Ratingagenturen kämen. Die Bedeutung des Themas zeige sich unter anderem in Investorengesprächen, wo das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger werde. Dabei überwögen vor allem die Aspekte Umweltschutz (Environment), gefolgt von guter Unternehmensführung (Governance), währen der soziale Aspekt (Social) noch etwas zurückliege. Auch zeige sich, dass die Finanzabteilungen zunehmend in einen Dialog mit den Nachhaltigkeitsverantwortlichen in den Unternehmen träten.
Entscheidung für Sustainable Finance meist Ausdruck firmenweiter Nachhaltigkeitsstrategie
Danach gefragt, wie die Unternehmen im Finanzbereich auf das Thema nachhaltige Finanzierung reagierten, gaben 80% an, ihre diesbezügliche Berichterstattung und Schulungsmaßnahmen auszubauen. Fast alle ESG-Emittenten geben an, dass die Entscheidung für ein nachhaltiges Finanzierungsinstrument Ausdruck der firmenweiten Nachhaltigkeitsstrategie sei. Auch der antizipierte Reputationsgewinn am Kapitalmarkt ist den Befragten zufolge ein bedeutender Faktor für die Nutzung nachhaltiger Finanzierungsinstrumente. Allerdings, so das Fazit aus den ersten beiden Teilen der Befragung, würden ESG-Instrumente spürbar Zeit und Ressourcen binden. 33 Prozent der Befragten gab an, im Vergleich zu konventionellen Instrumenten bis zu zwei Wochen länger ab der finalen Entscheidung bis zur erstmaligen Nutzung des Instruments gebraucht zu haben. Einen hohen Aufwand verursachten demnach u.a. die Anforderungen an das Reporting und an die Zertifizierung.
Nicht-ESG-Emittenten empfinden herkömmliche Finanzierungsinstrumente als ausreichend
Gefragt wurde auch nach den Motiven und Perspektiven von Unternehmen ohne nachhaltige Finanzierungsinstrumente. Zum einen reichten ihnen etablierte Finanzierungsinstrumente aus. Zudem würden zusätzliche Kosten und aufwändigere Prozesse die Nicht-ESG-Emittenten von der Nutzung nachhaltiger Finanzierungen abhalten. Nicht-ESG-Emittenten erwarteten zudem messbare Vorteile bei nachhaltigen Finanzierungsinstrumenten, so die Ergebnisse der Befragung. Als Hauptargumente für den Einsatz nachhaltiger Finanzierungsinstrumente gaben die Nicht-ESG-Emittenten ebenfalls die Erfordernisse einer firmenweiten Nachhaltigkeitsstrategie, eine mögliche Reputationssteigerung am Kapitalmarkt und ein gewachsenes Investoreninteresse an.
Für fast 90 Prozent der Finanzabteilungen ist es der Studie zufolge wichtig, dass bei ESG-Finanzierungen zukünftig mehr auf die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens abgestellt werde. Der aktuell geforderte enge Projektbezug von Green Bonds mache es für viele Unternehmen schwierig, diese einzusetzen. Außerdem wünschen sich viele Finanzverantwortliche einen geringeren Dokumentationsaufwand.
Von der Politik erhoffen sich die Befragten, den Abbau schwer erfüllbarerer oder nicht kohärenter Anforderungen, international definierte Berichtsstandards und Dokumentationsanforderungen sowie die Erweiterung des geplanten Europäischen Green Bond Standards und die
Ausgabe grüner Anleihen ohne unmittelbare Projektbindung.
Die vollständige Studie finden Sie hier.
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.