Interview mit Dr. Dr. Peter Bettermann, Vorsitzender, Japan-Initiative der Deutschen Wirtschaft
Alle Welt blickt nach Asien als das wirtschaftliche Wachstumszentrum der Zukunft. Japan als lange Zeit einzige asiatische Industrienation erlebte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufstieg – heute beobachtet man diese Dynamik eher in Ländern wie China oder Korea. Inwiefern Japan auch weiterhin ein interessantes Investitionsziel und ein attraktiver Kooperationspartner gerade für deutsche Unternehmen ist, darüber spricht Japan-Experte und Unternehmer Dr. Dr. Peter Bettermann im Interview mit der Unternehmeredition.
Unternehmeredition: Herr Bettermann, welche Rolle spielt Japan in den Wirtschaftsbeziehungen zu Asien heute noch?
Bettermann: Japan ist nach wie vor Innovationsstandort erster Klasse. Vor allem im Hightech-Bereich ist Japan für deutsche Unternehmen der wichtigste Partner – ein Partner auf Augenhöhe, forschungsstark in wichtigen Zukunftsbranchen, mit einem langfristig stabilen Marktumfeld. Deutschland und Japan haben viel gemeinsam, von der Exportabhängigkeit der Wirtschaft bis hin zu grundlegenden Herausforderungen wie dem demografischen Wandel oder im Klimaschutz. Wir können viel voneinander lernen und in globalen Fragen gemeinsam agieren. Ich denke dabei zum Beispiel an den G20-Prozess. Japan hat sich genauso wie Deutschland klar gegen Protektionismus ausgesprochen. Im Klimaschutz ist die deutsche Industrie Vorreiter – und Japan glänzt als Patentführer in der Windkraft, ist Pionier im Bereich innovativer Antriebstechnologien. Insgesamt also eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.
Unternehmeredition: Welche Chancen für deutsche Unternehmen sehen Sie im japanischen Markt? Welche Branchen sind für die deutsche Wirtschaft besonders interessant?
Bettermann: Die geschäftlichen Aussichten in “grünen” Zukunftsbranchen sind trotz Rückgängen in letzter Zeit grundsätzlich gut. Chancen für die deutsche Industrie bietet zum Beispiel Japans Umwelttechnikmarkt wegen der Fördermaßnahmen zum Klimaschutz und zur “Kreislaufgesellschaft”. Ausländische Unternehmen können direkt oder indirekt an den Marktmöglichkeiten partizipieren: Nicht selten kaufen japanische Unternehmen Lizenzen für Technologien und Ausrüstungen von ausländischen Anbietern. Obwohl Japan oft als schwieriger Markt wahrgenommen wird, ist das Potenzial groß, vor allem für deutsch-japanische Kooperationen in Forschung und Entwicklung (F&E). Auch auf innovative Mittelständler mit maßgeschneiderten Lösungen und großer Kundenorientierung warten noch Chancen im japanischen Markt.
Unternehmeredition: Wie können deutsche und japanische Unternehmen von einer F&E-Kooperation profitieren?
Bettermann: In dem sensiblen Unternehmensbereich F&E bedarf es eines langfristigen Engagements – ein Aufwand, den viele Unternehmen scheuen. Dabei erleben wir immer wieder, dass deutsch-japanische F&E-Kooperationen besonders fruchtbar sind. Dies gelingt jedoch nur, wenn beide Seiten bereit sind, sich gegenseitig zu vertrauen und entsprechend zu öffnen. Ein solches Vertrauensverhältnis entsteht aber nicht kurzfristig. Dazu bestehen oft Vorbehalte, zum Beispiel die Angst, dass über den Partner die Technologie zur chinesischen Konkurrenz abwandert. Hier sind insbesondere deutsche Firmen gefordert, ihre F&E-Aktivitäten so zu steuern, dass mit Japanern gemeinsam erreichte Entwicklungen nur in Märkten mit hundertprozentig sicherem IPR-Schutz zum Einsatz kommen.
Der japanische Markt bietet dies selbstverständlich: Es besteht große Rechtssicherheit, das japanische Patentrecht bietet einen verlässlichen Rahmen mit ebenso verlässlicher Umsetzung. Der hohe Standard beim Schutz geistigen Eigentums ist noch heute ein wichtiger Faktor für die Innovationskraft des Landes, ebenso wie in Deutschland. Dennoch gilt es, die Rahmenbedingungen für die Innovationskooperation weiter zu verbessern. Zum Beispiel brauchen gerade mittelständische Unternehmen Unterstützung beim Aufbau eines Netzwerks und der Partnersuche in Japan. Der japanische Mittelstand hat ein steigendes Interesse an deutschen Partnern: Nachdem die Binnennachfrage eingebrochen ist, sind Zulieferer großer japanischer Konzerne darauf angewiesen, sich zu internationalisieren. Viele schauen dabei auch auf den deutschen Markt. Und davon kann auch unser Mittelstand profitieren.
Unternehmeredition: Wie adressiert die Japan-Initiative der Deutschen Wirtschaft diese Themen?
Bettermann: Die Japan-Initiative setzt sich seit Langem für die Förderung der deutsch-japanischen Zusammenarbeit im Bereich Innovation ein. Im Fokus steht die Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft beider Länder, um Synergiepotenziale auszuschöpfen. Der erste wichtige Schritt ist der Austausch von Informationen über den jeweils anderen Forschungsstandort. Entscheidend ist dann die Kontaktanbahnung zwischen Unternehmen und Forschungsinstitutionen. Die Japan-Initiative hat dazu das Projekt “Germany and Japan – Partner for Innovation” aufgelegt. Auf der Website www.partner-for-innovation.com werden erstmalig relevante Informationen über Forschung in Japan und Deutschland zweisprachig, in japanischer und deutscher Sprache, präsentiert. Dies ist ein erster wichtiger Baustein. 2010 planen wir, eine interaktive Online-Plattform für Industrie und Wissenschaft beider Länder zu realisieren, den “Innovationsmarktplatz”. So möchten wir interessierten Unternehmen den Zugang zum japanischen Markt und die Kontaktaufnahme zu japanischen Partnern erleichtern.
Unternehmeredition: Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung sind also noch nicht hinreichend ausgeschöpft. Wie bewerten Sie aktuell das Engagement deutscher Unternehmen in Japan? Welche Beispiele gibt es für erfolgreiche deutsch-japanische Kooperationen?
Bettermann: Die Freudenberg-Gruppe ist seit mehr als 50 Jahren in Japan aktiv und kooperiert erfolgreich mit der japanischen NOK Corp. und der Vilene Company. Und auch die Verzahnung von Wissenschaft und Industrie wird enger. Zum Beispiel pflegt das Nanotechnologie-Kompetenzzentrum in Dresden eine enge Zusammenarbeit mit einem Nanocluster in Osaka, dem auch eine Reihe mittelständischer Unternehmen angehört. Bayer-Schering gründete 2003 das beeindruckende Nihon Schering Research Center in Kobe. Und der deutsch-japanische Automobilzulieferer Takata-Petri AG forscht allein in Deutschland an drei Standorten. Das sind nur wenige Beispiele von vielen. Entscheidend ist aber immer, dass ein deutsches Unternehmen Produkte und Service anbieten kann, die den hohen japanischen Qualitätsanforderungen entsprechen. Denn letztlich heißt es auch in Japan: Innovativer und besser sein als die Wettbewerber.
Zur Person: Dr. Dr. Peter Bettermann
Dr. Dr. Peter Bettermann ist als persönlich haftender Gesellschafter Mitglied und Sprecher der Unternehmensleitung der Freudenberg & Co. Kommanditgesellschaft in Weinheim. Außerdem ist Bettermann Vorsitzender der Japan-Initiative der Deutschen Wirtschaft. Diese wurde vom Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (APA) initiiert. www.freudenberg.de, www.asien-pazifik-ausschuss.de