Schauspieler, Regisseur, Musiker, Sänger und Entrepreneur – Lenn Kudrjawizki hat viele Gesichter. Seit seinem vierten Lebensjahr spielt er Geige. Seit 1994 arbeitet er als Schauspieler für Film und Fernsehen, 2007 gab er sein Regiedebüt. Zusätzlich gründete er mit seiner Firma Legrain Productions das weltweit erste Co2-reduzierte Orchester. Gerade laufen zwei neue Folgen des erfolgreichen Kroatien-Krimis, in dem er den Kommissar Emil Perica spielt. Wir sprachen mit dem Multitalent über seine vielfältigen Aktivitäten.
Unternehmeredition: Herr Kudrjawizki, Sie sind zugleich Musiker, Sänger, Schauspieler und Regisseur. Wie bekommen Sie diese vielen Stränge unter einen Hut?
Lenn Kudrjawizki: Schauspiel, Film, Kunst und Musik − für mich ist alles eine Ausdrucksform, diese Bereiche kann ich nicht trennen. All diese Professionen lassen einen fliegen. Ich horche eigentlich immer auf das Leben und lasse mich treiben. Mal steht die Musik im Vordergrund, mal die Filmkunst und mal etwas anderes. Das wichtigste dabei ist, dass ich in allen Bereichen jeweils tolle Menschen habe, mit denen ich arbeite.
Sie sind im Alter von zwei Monaten mit ihren Eltern von Leningrad nach Ost-Berlin in der damaligen DDR gezogen. Schlummert eine russische Seele in Ihrer Brust?
Früher wurde bei uns zuhause nur Russisch gesprochen und damit habe ich viel von der Mentalität in mich aufgesogen. Manchmal fühle ich mich wie ein russischer Clown mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Am stärksten spüre ich meine Herkunft, wenn ich mit Freunden feiern will und der Tisch voll gedeckt ist. Dann überkommt es mich und ich fühle den Drang in mir, nach russischer Sitte voller Inbrunst einen Toast auszusprechen.
Sie haben in zahlreichen nationalen und internationalen Film- und TV-Produktionen gespielt, darunter der ARD-Kroatien-Krimi oder der Thriller Jack Ryan, die Netflix-Streaming-Serien Vikings und Unorthodox oder die Sky-Produktion Babylon Berlin. Welche Inszenierung hat sie selbst am meisten bewegt?
Innerlich besonders bereichert hat mich die Arbeit für die deutsch-österreichische Produktion „Die Fälscher“, die im Februar 2008 in Los Angeles mit dem Oscar in der Kategorie „bester fremdsprachiger Film“ ausgezeichnet wurde. Der Film basiert auf einem realen Geschehen. Jüdische KZ-Häftlinge mussten während des zweiten Weltkriegs im Rahmen der „Operation Bernhard“ in großem Stile Falschgeld für die Nationalsozialisten drucken. Ich habe einen der Fälscher gespielt.
Im aktuellen Kroatien-Krimi, der am 27. Januar in der Primetime im Ersten ausgestrahlt wird, vermitteln Sie als Ermittler Emil Perica zwischen Tradition und Moderne. Inwieweit trifft das auch auf Sie persönlich zu?
Ich bin davon überzeugt, dass das Leben um einiges leichter und friedlicher ist, wenn Menschen im Dialog bleiben und lernen sich besser zuzuhören. Emil ist ein moderner Mann, der zusammen mit einer Frau als Hauptkommissarin ermittelt. Für Kroatien ist das vielleicht ungewöhnlich, jedoch für meine Welt nicht. Wir haben hervorragende Drehbuchautoren, die es schaffen, ein Gefühl des gesellschaftlichen Lebens in Kroatien zu vermitteln. In der nun 11. Folge, „Tod im roten Kleid“, geht es um einen Transsexuellen, der auf der Suche nach sich selbst an äußere Grenzen stößt und daran zerbricht. Eine Woche später, am 3. Februar, folgt dann der zweite Fall „Vor Mitternacht“, wo das Ermittlerteam sehr stark auf die Probe gestellt wird!
Nervt es Sie, der „TV-Russe“ oder „TV-Kroate“ zu sein?
In meinen jungen Jahren wurde ich tatsächlich häufiger klischeehaft als böser Russe mit russischem Akzent besetzt. Inzwischen habe das große Glück, mir überlegen zu können, welche Rollen ich annehme. Für mich kommen nur Rollen mit Tiefgang in Frage. Auch die Welt hat sich gewandelt: Die Besetzungen sind viel internationaler geworden, die Nationalitäten treten dabei in den Hintergrund.
In der Serie Vikings werden Sie von Ihrem verrückten Zarenbruder gefoltert und bereiten mit einem Wikingeranführer eine Befreiungsrevolte vor. Wie haben Sie sich bei dieser Produktion gefühlt?
Es war eine tolle Erfahrung. Vikings ist die wohl grünste Produktion der letzten Jahre gewesen. Es gab überhaupt kein Plastik und nur kompostierbares Geschirr am Set. Flüge aus der ganzen Welt wurden eingespart oder kompensiert. Es geht dabei aber nicht nur um den ökologischen Fußabdruck, sondern auch um das soziale Miteinander. Es wurde nur respektvoll miteinander umgegangen. Dasselbe setze ich auch bei meiner Produktionsfirma Legrain Productions um.
In Ihrer eigenen Firma vereinen Sie Film, Musik und Event. Wie erfolgreich ist dieses Geschäft?
Wegen Corona stehen wir gerade in den Startlöchern und warten darauf, dass es wieder losgeht mit Events und Konzerten. Digitale Strategien greifen hier leider nicht, es geht dabei ja um Gefühle und Emotionen. Die lassen sich nur live transportieren. Und das modulare System von kleinen Shows bis zu unserem großen Berlin Show Orchestra erlaubt es uns in „normalen Zeiten“ alle Bühnengrößen bespielen zu können. Dabei begleiten wir Stars und entwickeln auch eigene Konzepte. Das macht viel Freude. Und wir arbeiten auch an verschiedenen Drehbüchern.
Was hat Sie dazu gebracht, selbst Regie zu führen und was beabsichtigen Sie mit Ihren Regiearbeiten?
Ich finde es faszinierend, die verschiedenen Schulen und Techniken auszuloten. Jedes Land und jeder Regisseur hat eine andere Filmsprache. Ich liebe es mit Menschen zu arbeiten und dabei Geschichten zu erzählen. Zunächst habe ich klein angefangen und habe sehr viel Zuspruch erhalten, sodass ich immer weiter gemacht habe. Mein Kurzfilm „Business as Usual – Der Prophet fliegt mit“ beispielsweise hat den Menschenrechtspreis von Amnesty International verliehen bekommen. Darin geht es um Feindseligkeit und Ressentiments gegenüber Arabern nach dem 11. September. Ich versuche den Menschen einen Spiegel vorzuhalten, der sie zum Nachdenken bewegt.
Sie setzen sich für Nachhaltigkeit und Klimaschutz ein und engagieren sich in einer UNICEF-Initiative zur Unterstützung von Kindern in Erdbebengebieten. Sind Sie ein Weltverbesserer?
Ich halte es für sehr wichtig bei allem was wir tun, an unser Environment zu denken. In meiner Firma setzen wir auf nachhaltigen positiven Umgang, verwenden grünen Strom, nutzen Eco- statt Dieseltaxis, vermeiden wo es nur geht Flüge und übernachten möglichst in zertifizierten Hotels. Wir reduzieren unseren Co2-Fussabdruck, wo es nur geht, und was nicht weg zu organisieren ist, wird mit klimaneutral-jetzt.de kompensiert. Bei jedem Schritt überprüfen wir, ob er wirklich notwendig und zielführend ist, z.B. ob man seine Technik unbedingt mitbringen muss oder ob man sie sich auch vor Ort stellen lassen kann. Sehr oft gibt es einen anderen, nachhaltigeren Weg, der auch kostengünstiger sein kann. Auch ein respektvoller Umgang miteinander ist sehr wichtig. Der Spirit, den wir verbreiten, kehrt zu uns zurück und macht unsere Welt so ein Stückchen besser. Das alles machen wir für unsere Kinder. Es ist wichtig unseren Kindern zu zeigen, dass es immer Hoffnung gibt und dass sie nicht alleine sind. Unicef ist da ein wunderbarer Partner und das Engagement und die Leidenschaft sind großartig. Es geht mir hierbei nicht nur um akute Hilfe, sondern auch um einen Strukturaufbau, der den betroffenen Kindern langfristig unter die Arme greift und ihnen eine Chance bietet.
ZUR PERSON
Geboren 1975 in Leningrad, genoss Lenn Kudrjawizki zunächst in Ost-Berlin und später in Dresden eine umfassende Schauspiel-, Sprach- Klavier- und Violinenausbildung. 1994 feierte er sein Fernsehdebüt mit der Rolle des Wladimir in “Katrin und Wladimir”. Seitdem spielte er in vielen erfolgreichen Fernseh- und Kinoproduktionen. 2007 gab Lenn Kudrjawizki mit seinem Kurzfilm “Today Is My Day” sein Regiedebüt. Er moderierte mehrmals den Leipziger Opernball und ist auch als Musiker unterwegs: Soloprojekt „Lenn”, Irish Folk Band „Inciders“ und “The Berlin Show Orchestra“. Auf der Violine begleitet er regelmäßig Lesungen von Marianne Sägebrecht. Er lebt mit seiner Frau, der Violinistin Nora Kudrjawizki, und den zwei gemeinsamen Kindern in Berlin.
Instagram: www.instagram.com/lenn_kudrjawizki
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.