Immer wieder scheitern Übergaben von Familienunternehmen daran, dass Patriarchen der Generation 75 plus diese nicht oder viel zu spät vorbereiten. Wenn Unternehmer den Platz für die nächste Generation nicht räumen, steht die Existenz des Familienunternehmens auf dem Spiel. Warum der Generationenwechsel nicht zum Generationenproblem werden darf.
Am Ende ging es gerade noch einmal gut. 67 Jahre lang stand Hans Riegel junior an der Spitze des Bonner Süßwarenimperiums Haribo, gehen wollte er einfach nicht. „Ich mache meine Arbeit, weil sie mir Freude macht, und ich habe keinen Grund, mir die Freude selbst zu nehmen“, sagte er 2010 im Alter von 87 Jahren in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Noch an seinem 90. Geburtstag im März 2013 erklärte der Firmenpatriarch, er sei bis dato fast täglich im Büro. Zwar hatte Riegel vier Jahre zuvor, kurz nach dem Tod von Bruder Paul, der die Produktion verantwortete, zwei seiner Neffen ins Unternehmen geholt. Zudem verpasste er Haribo eine Holding-Struktur. Einen Fremdgeschäftsführer, der in der Lage war, die Geschicke der Firma tatsächlich zu lenken, stellte Riegel jedoch erst im Sommer 2013 ein – wenige Monate vor seinem Tod.
Vergleichsweise strukturiert sieht es bei einem ganz aktuellen Beispiel aus. Günther Fielmann, Gründer der gleichnamigen Optikerkette, hat nun angekündigt, sich aus der operativen Leitung zurückzuziehen. Fielmann geht stramm auf die 80 zu. Anfang Februar gab der Firmenpatriarch bekannt, sein Sohn Marc werde die Führung des Unternehmens in diesem Geschäftsjahr ganz übernehmen. Der 29-Jährige war in den vergangenen acht Jahren Schritt für Schritt in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Jetzt will Günther Fielmann seinem Filius auch die Verantwortung für die Firmenstrategie übertragen. Aus seiner Tätigkeit im Vorstand wird Fielmann senior sich ebenfalls weiter zurückziehen – im Alter von stolzen 79 Jahren.
Das Klammern des Einen ist das Vakuum des Anderen
Dass mittelständische Firmenpatriarchen der Generation 75 plus wie Günther Fielmann der Hans Riegel erst in hohem Alter von ihrem Thron steigen, ist keine Seltenheit. So war der ehemalige Chef des Technologieunternehmens Trumpf, Berthold Leibinger, bereits 75 Jahre alt, als er das Unternehmen seiner Tochter Nicola Leibinger-Kammüller übertrug. Helene Metz stand gar bis zu ihrem 86. Lebensjahr an der Spitze des gleichnamigen Fernsehherstellers. Dahinter verbirgt sich eine Haltung, die zum Problem werden kann: Viele Unternehmer des alten Schlages – erst recht, wenn sie Gründer sind – lassen einen internen oder externen Nachfolger lange Zeit gar nicht in die Nähe ihres selbsterklärten Machtzentrums.
Dieser Nachfolgekomplex ist nicht nur ein unternehmerisches Risiko, sondern mittlerweile auch ein volkswirtschaftliches. Denn aus dem Klammern der Alten an die Geschäftsführung entsteht ein potenzielles Führungsvakuum für die Jungen: Wer im wahrsten Wortsinn nicht herangeführt wird an die Geschäftsleitung, kann das Unternehmen weder organisieren noch weiterentwickeln. Wenn dann der Patriarch unverhoffter Dinge körperlich abbaut, droht gleichermaßen der wirtschaftliche Kollaps.
Innere Zwänge contra die Nachfolge
„Immer wieder scheitern Übergaben von Familienunternehmen daran, dass Patriarchen der Generation 75 plus diese nicht oder viel zu spät vorbereiten“, konstatiert Tom Rüsen, geschäftsführender Direktor des Wittener Instituts für Familienunternehmen. Dies geschieht offensichtlich wider besseres Wissen. Schließlich informiert nahezu jede Industrie- und Handelskammer darüber, wie enorm wichtig eine rechtzeitige Nachfolgeplanung ist, und mahnt, zumindest den berüchtigten Notfallkoffer parat zu haben. Doch einige betagten Machtmenschen halten sich für unverzichtbar und dulden niemanden neben sich. So scheint es zumindest auf den ersten Blick.
Die wahren Ursachen dafür, dass Firmenchefs nicht loslassen, liegen jedoch viel tiefer. Wer sich mit seinen inneren Zwängen auseinandersetzt, hat auch im hohen Alter noch immer die Chance, das Ruder herumzureißen und sein Unternehmen doch gut in die nächste Generation zu übergeben. Die gute Nachricht: Firmenchefs, die heute um die 55 Jahre alt sind, trennen sich deutlich leichter von ihren Unternehmen.