Der Fachkräftemangel wird so nicht kommen

Faktor Frauen

Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können zudem substanziell mehr gut ausgebildete Frauen am Erwerbsleben teilnehmen. So errechnet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im jüngsten Fortschrittsbericht zum Fachkräftekräftekonzept der Bundesregierung ein Fachkräftepotenzial bei Frauen von 3,6 Millionen – wenn die Erwerbstätigkeit von Frauen auf den aktuellen durchschnittlichen Wert von 77 Prozent steigt. Wer jetzt sagt, geht doch gar nicht, der sollte einen Blick nach Schweden werfen: Dort arbeiten mit 77 Prozent exakt so viele Frauen wie bei uns alle Erwerbsfähigen. Schließlich ist der Bevölkerungsanteil derjenigen, die keinen beruflichen Abschluss haben, mit 15 Prozent nach wie vor viel zu hoch. Eine Nachqualifizierung – wie schwer dies in jedem Einzelfall auch sein mag – könnte auch hier einen deutlichen Zuwachs für das Fachkräftepotenzial bringen. Die Förderung der Ausbildung von Spätstartern ohne Berufsabschluss über 25 Jahre ist hier ein gangbarer Ansatz: Kanada macht uns hier schon seit Jahren vor, wie die nachträgliche Ausbildung Arbeitslosigkeit reduzieren hilft und das Fachkräftepotenzial erhöht. Dort haben die 36- bis 45-Jährigen den höchsten Anteil an den Auszubildenden. Diese vielfältigen Reserven für unser Fachkräftepotenzial sind der Politik und vielen Unternehmen schon lange bekannt. Und sie werden – zum Teil massiv mit Steuermitteln unterstützt – auch bereits genutzt, tragen bereits zu einer deutlichen Verringerung des „drohenden Fachkräftemangels“ bei und werden dies auch in Zukunft tun.

Unternehmerisches Handeln ist gefordert

Was soll der Unternehmer aber tun, wenn dennoch aktuell freie Fachkraftstellen nicht besetzt werden können oder einige der Mitarbeiter die neue Option auf eine Rente mit 63 Jahren nutzen anstatt wie ursprünglich geplant mit 65 Jahren in Rente zu gehen? Dann ist unternehmerisches Handeln gefordert! Genauso wie es beim Wegbrechen von Absatzmärkten oder bei der Erhöhung der Preise der Vorprodukte gefordert ist. Das heißt zum einen, dass der Unternehmer Geld in die Hand nehmen muss und er zum anderen Ideen braucht, die andere nicht haben. Eine kleine der aktuellen Tagespresse entnommene aktuelle Auswahl: Da ist der Handwerksmeister, der seinem Auszubildenden bei erfolgreicher Übernahme einen Dienstwagen in Aussicht stellt. Oder das Großunternehmen, das seine Rentner mit Werkverträgen zeitlich und räumlich flexibel an sich bindet – mit Vorliebe für Auslandseinsätze, zu denen Fachkräfte mit kleinen Kindern heutzutage nicht gerne abgestellt werden. Und das Beste ist – diese unternehmerische Herausforderung kommt mit Ansage und nicht über Nacht. Sicherlich, es werden auch einzelne Unternehmen an der unternehmerischen Aufgabe, adäquate Fachkräfte anzulocken und an sich zu binden, scheitern. Aber die flexible Reaktion auf ständig neue Herausforderungen macht das Unternehmertum doch so interessant. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die Verrentungswelle der Generation der Babyboomer für fast alle Unternehmen ähnlich geräuschlos laufen wird wie die massive Alterung der Belegschaften in den letzten Jahren.


Zur Person

Prof. Dr. Thomas Zwick/Uni WürzburgProf. Dr. Thomas Zwick, Jahrgang 1968, ist Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Personal und Organisation an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er studierte VWL in Regensburg und Nashville, promovierte mit einer Arbeit über Humankapital und Arbeitslosigkeit in Maastricht und habilitierte mit einer Arbeit über die Produktivitätswirkung von Personalmaßnahmen in Zürich. www.bwl.uni-wuerzburg.de

Autorenprofil

Prof. Dr. Thomas Zwick, Jahrgang 1968, ist Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Personal und Organisation an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er studierte VWL in Regensburg und Nashville, promovierte mit einer Arbeit über Humankapital und Arbeitslosigkeit in Maastricht und habilitierte mit einer Arbeit über die Produktivitätswirkung von Personalmaßnahmen in Zürich.

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