Eine Unternehmenskrise kommt selten ohne Vorwarnung. Doch im Trubel des Alltags erkennen Firmenlenker Frühwarnzeichen und eigene Management-Fehler oft nicht. Zu spätes Reagieren kann jedoch fatale Folgen haben. Eine Ursachenanalyse.
Anne Koark hatte Glück: Nachdem ihre Firma 2003 Insolvenz angemeldet hatte, machte sie sich ziemlich schnell als begehrte Rednerin und Expertin zum Thema Insolvenz einen Namen. Als englische Frohnatur blieb ihr auch nichts Anderes übrig, als sofort wieder neuanzufangen: „Bei uns herrscht eine komplett andere Kultur des Scheiterns. Es wird nicht der ausgelacht, der gestürzt ist, sondern der, der liegenbleibt“, sagt die 50jährige heute. Dennoch hätte sie nicht
So wie Anne Koark geht es jährlich etwa 20.000 Selbstständigen in Deutschland, und nicht alle gehen so gestärkt aus einer Insolvenz hervor wie sie. Tritt bei ihnen Zahlungsunfähigkeit ein, gelten die gleichen Regeln wie bei Verbraucherinsolvenzen, d.h. eine so genannte Wohlverhaltensphase, in der der Schuldner kein eigenes Konto eröffnen darf, keine Verträge abschließen kann und jedwede Einnahmen sofort in die Verfahrensmasse einbringen muss. Sind nach dieser Frist noch Schulden offen, kann die betroffene Person von ihnen befreit werden, doch bis dahin gilt: ein Leben auf dem Abstellgleis. Kein Wunder, dass die meisten von ihnen den Insolvenzantrag bis auf die letzte Minute hinausschieben und eventuelle Frühwarnzeichen übersehen oder nicht wahrhaben wollen.
Den richtigen Zeitpunkt erkennen
„Am Anfang möchte man natürlich möglichst viel retten und meint, durch genügend Engagement bekommt man alles irgendwie hin“, erzählt Koark. Und natürlich verläuft die Entwicklung hin zu einer Krise über mehrere Stadien, bei denen der Unternehmer nicht sofort tiefgreifende Schritte unternehmen muss. „Am Anfang jeder Krise steht die strategische Krise, bei der Märkte verfehlt werden oder Wettbewerber bessere Produkte herstellen“, meint etwa Sanierungsmanager Andreas Pleßke. Hier sind Korrekturen noch relativ leicht möglich, sollten aber schnell forciert und auch umgesetzt werden. Geschieht dies nicht, drohen Erträge dauerhaft einzubrechen, die Zahlen werden schlechter und die Substanz wird langsam angeknabbert. Auch hier droht jedoch noch kein Grund zur Panik, denn meist ist das Eigenkapital groß genug, um den Negativtrend abzufedern. Verpasst man dann, die Reißleine zu ziehen, entwickelt sich die Ertrags- zu einer Liquiditätskrise. Das ist der Punkt, an dem Pleßke zum Unternehmen gerufen wird und versucht zu retten, was zu retten ist.
„Meist ist es nicht so, dass die Geschäftsführer nicht selbst wüssten, was sie zur Abwendung der Krise tun müssen“, erzählt der 51-Jährige. Gerade dann stehen sie jedoch unter besonderem Druck und müssen zusätzlich zum Tagesgeschäft eine Vielzahl von Sonderaufgaben erledigen. Zügiges und
Unbequeme Wahrheiten akzeptieren
Deshalb gilt es, auf Management-Seite alte Wahrheiten aufzubrechen und eingefahrene Strukturen zumindest zu hinterfragen. Eine Branche, für die das seit etwa zehn Jahren paradigmatisch gilt, ist das Medien- und Verlagswesen. Auch wenn es sich hier vorrangig um den Einfluss eines externen Faktors, dem
Frühe Anzeichen wahrnehmen
Auch viele mittelständische Unternehmen reagieren erst dann, wenn es richtig wehtut. Häufig bemerken sie den Liquiditätsengpass nicht mal selbst. „Von sich aus meldet sich keiner, wir sprechen die Unternehmen an, wenn wir beim Erstellen des Jahresabschlusses auf verdächtige Zahlen stoßen“, meint etwa Ernst Altweger, Rechtsanwalt und Steuerberater mit eigener Kanzlei in München. Über innere und strategische Ursachen der Krise können er und sein Team dann keine Auskunft geben, sie sind ja nicht täglich beim Unternehmen. Dennoch trifft auch er beim ersten Nachforschen auf Strukturen, die sich mit gesundem Menschenverstand nicht erklären lassen. „Da gibt es Firmen, deren Gesellschafter seit Jahren verstritten sind und nicht miteinander reden“, sagt er kopfschüttelnd. Ein Wunder, dass diese Unternehmen teilweise noch über Jahre hinweg stabile Erträge erwirtschaften. Anne Koark rät deshalb dazu, das Augenmerk nicht allein auf die Zahlen zu legen, sondern bei der kleinsten Absonderlichkeit einen Berater ins Haus zu holen, selbst wenn es nur das Gefühl sei, etwas könnte nicht
in Ordnung sein.
Die Angst zu versagen
Gerade diesen Schritt sieht die Insolvenzexpertin in Deutschland jedoch mit einem starken Stigma belastet. „Generell herrscht die Angst vor, es nicht alleine zu schaffen und als Verlierer dazustehen“, meint sie. Eine Angst, die sich auf das gesamte Thema Insolvenz erstrecke. Viel wäre deshalb gewonnen, wenn in der Rechtspraxis stärker zwischen kriminellen und unverschuldeten Insolvenzen unterschieden würde. Denn letztendlich kann es jeden treffen.
Verena Wenzelis
wenzelis@unternehmeredition.de