Der eigenen Wahrnehmung trauen

Unbequeme Wahrheiten akzeptieren
Deshalb gilt es, auf Management-Seite alte Wahrheiten aufzubrechen und eingefahrene Strukturen zumindest zu hinterfragen. Eine Branche, für die das seit etwa zehn Jahren paradigmatisch gilt, ist das Medien- und Verlagswesen. Auch wenn es sich hier vorrangig um den Einfluss eines externen Faktors, demNicht verzweifeln: Unternehmer müssen sich ab und an kritisch selbst hinterfragen, um Unternehmenskrisen abzuwenden. Bild: Fotolia/cirquedesprit der Digitalisierung, handelt, geht doch jedes Verlagshaus anders damit um. Besonders schwer tun sich kleinere, regionale Zeitungsverlage. „Dort haben Sie oft gestandene Verlegerpersönlichkeiten, die sich den Wert der gedruckten Zeitung nicht nehmen lassen wollen“, erzählt etwa Herbert Böhnke, Unternehmensberater für das Medien- und Verlagswesen. Doch damit werden große Teile der Leserschaft vernachlässigt und unterschätzt. Auch wenn Absätze und Erträge jahrelang rückläufig waren, ließen viele Verlage die Zügel zu lange schleifen und experimentierten nicht mit neuen, gewinnbringenden Geschäftsmodellen. Das Ergebnis kommt nun knüppeldick: gerade in den letzten drei bis fünf Jahren hat sich die Entwicklung beschleunigt, viele Verlage wurden davon regelrecht überrascht. Doch um sich nun auf der digitalen Spielwiese auszuprobieren und investieren zu können, fehlt oft der notwendige Cashflow. Dann werden Berater wie Böhnke gerufen, und da die Verlagsbranche in Sachen Automatisierung gerade erst am Anfang steht, lassen sich bei ihr Entlassungen nicht so leicht vermeiden.

Frühe Anzeichen wahrnehmen
Auch viele mittelständische Unternehmen reagieren erst dann, wenn es richtig wehtut. Häufig bemerken sie den Liquiditätsengpass nicht mal selbst. „Von sich aus meldet sich keiner, wir sprechen die Unternehmen an, wenn wir beim Erstellen des Jahresabschlusses auf verdächtige Zahlen stoßen“, meint etwa Ernst Altweger, Rechtsanwalt und Steuerberater mit eigener Kanzlei in München. Über innere und strategische Ursachen der Krise können er und sein Team dann keine Auskunft geben, sie sind ja nicht täglich beim Unternehmen. Dennoch trifft auch er beim ersten Nachforschen auf Strukturen, die sich mit gesundem Menschenverstand nicht erklären lassen. „Da gibt es Firmen, deren Gesellschafter seit Jahren verstritten sind und nicht miteinander reden“, sagt er kopfschüttelnd. Ein Wunder, dass diese Unternehmen teilweise noch über Jahre hinweg stabile Erträge erwirtschaften. Anne Koark rät deshalb dazu, das Augenmerk nicht allein auf die Zahlen zu legen, sondern bei der kleinsten Absonderlichkeit einen Berater ins Haus zu holen, selbst wenn es nur das Gefühl sei, etwas könnte nicht
in Ordnung sein.

Die Angst zu versagen
Gerade diesen Schritt sieht die Insolvenzexpertin in Deutschland jedoch mit einem starken Stigma belastet. „Generell herrscht die Angst vor, es nicht alleine zu schaffen und als Verlierer dazustehen“, meint sie. Eine Angst, die sich auf das gesamte Thema Insolvenz erstrecke. Viel wäre deshalb gewonnen, wenn in der Rechtspraxis stärker zwischen kriminellen und unverschuldeten Insolvenzen unterschieden würde. Denn letztendlich kann es jeden treffen.

Verena Wenzelis
wenzelis@unternehmeredition.de

Autorenprofil

Verena Wenzelis war bis Juli 2016 Redakteurin bei der Unternehmeredition.

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