Gesundes Wachstum aus eigener Kraft, über Jahre hinweg – und dann kommt der Punkt, an dem man merkt, dass jetzt der große Sprung möglich wäre, doch dieser allein nicht zu schaffen ist. Die Münchner BörseGo AG war in einer solchen Situation und entschied sich für einen Börsengang. Mithilfe des dabei eingesammelten Geldes will sie nun ihre Vermarktungsaktivitäten stärken und ihre Kooperationen ausbauen.
Als man bei der BörseGo AG das für März geplante IPO an der Börse München vorbereitete, ahnte man noch nicht, was sich da Ende Februar, kurz vor Beginn der Zeichnungsfrist, mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine zusammenbraute. Auf den Verlauf des Börsengangs hatten die Geschehnisse nach Angaben der Macher jedoch nur geringe Auswirkungen: „Trotz der Ende März schwierigen Phase in der Ukraine hatten wir sehr viel Zuspruch, sodass wir das Angebot einen Tag vor Angebotsende schließen konnten“, freut sich der Gründer und Vorstand der BörseGo AG, Robert Abend. Auch die ersten Wochen der Börsennotierung seien so abgelaufen, wie man es sich vorgestellt habe, nämlich ruhig und stabil. „Jetzt haben wir genügend Zeit, unsere strategischen Optionen zu ziehen, Pläne umzusetzen und diese in den folgenden Wochen und Monaten zu kommunizieren.“
Die BörseGo AG ist bereits seit über 20 Jahren erfolgreich am Markt aktiv. Über die bekannten Portale GodmodeTrader und Guidants bietet die Finanzmarktanalyse- und Tradingplattform IT-Lösungen und redaktionelle Inhalte für anspruchsvolle Privatanleger und institutionelle Investoren.
Große Nachfrage schon beim Pre-IPO
Vorab war ein Pre-IPO durchgeführt worden, um Ankerinvestoren zu gewinnen. „Wir waren wirklich sehr erfreut, wie groß das Interesse war“, sagt Abend. Nur eine kleine Runde sei angesprochen worden, circa 25 potenzielle Investoren plus rund 60 Mitarbeiter der BörseGo AG. „An weitere mussten wir gar nicht mehr herantreten, weil die zur Verfügung stehenden Anteile damit schon belegt waren“, erläutert der Unternehmer.
Die Einnahmen aus dem Pre-IPO beliefen sich auf 1,9 Mio. EUR, in der Zeichnungsphase kamen noch einmal 720.000 EUR hinzu; somit konnte BörseGo insgesamt 2,62 Mio. EUR einsammeln. Angeboten wurden 3.000 neue Aktien zu einem Preis von je 240 EUR. Aktuell bewegt sich der Aktienkurs trotz fallender Börsen stabil zwischen 210 und 230 EUR pro Aktie.
„Wir haben genau mit der Höhe des eingespielten Kapitals gerechnet. Es wurden ja nur 10% der Aktien ausgegeben. Die Altgesellschafter wollten nicht so viele Aktien abtreten, weil wir noch einiges vorhaben und uns ein gewisses Steigerungspotenzial versprechen“, so Abend. „Das zeugt auch von unserer positiven Erwartungshaltung mit Blick auf die nächsten Monate.“
Hauptziel des Börsengangs: Wachstumsbeschleunigung
Bislang war Abend ein klarer Verfechter einer reinen Innenfinanzierung: „Wir haben unseren Geschäftsaufbau bisher aus dem Eigenkapital heraus finanziert und waren auch immer eigenständig.“ Auch der Cashflow sei fast immer positiv gewesen, trotz der großen Investitionen. Über die Jahre sei das Unternehmen sehr stark gewachsen und mittlerweile sei die Plattform ausgereift. „Heute sind wir ein führendes Unternehmen bei Trading und Charttechnik. Künftig wollen wir unsere Expertise auch in den Bereichen Fundamentalanalyse und längerfristige Anlage noch stärker ausweiten“, erläutert Abend. Deshalb sei nun der Zeitpunkt gekommen, an dem man sich dazu entschlossen habe, für die Finanzierung des weiteren Wachstums externes Kapital einzubinden.
„Eigentlich ist jeder Nutzer unserer Services oder Plattform auch ein potenzieller Investor und jeder Investor auch potenzieller Nutzer unserer Plattform“, erläutert Abend die besonderen Vorteile des Geschäftsmodells. „Es ist ja unser Daily Business. Wir kennen die Börse seit 20 Jahren und fühlen uns da auch wohl. In der Außenwahrnehmung bringt der Börsengang für uns eine Reputationssteigerung bei unseren Kunden und Partnern. Das IPO ist eine Auszeichnung für jedes Unternehmen.“ Der Hauptantrieb für den Börsengang sei aber der Wunsch nach Wachstumsbeschleunigung gewesen.
Zuletzt seien die Investitions- und Marketingbudgets begrenzt gewesen. Mit dem Erlös aus dem Börsengang will man nun in großem Stile Reichweiten steigern und Marketing betreiben sowie mithilfe von Kooperationen und Übernahmen weiter wachsen und skalieren. Vorgesehen ist unter anderem auch eine neue Markenstrategie mit einer großen Vision: „Wir wollen die Homebase für den anspruchsvollen Investor und Trader werden.“
BankM begleitete den Börsengang als Lead Manager
Begleitet wurde der Börsengang von der BankM, einem Spezialisten für Kapitalmarktfinanzierungen im Mittelstand. „Das Unternehmen ist als etabliertes Fintech mit einer guten Marktposition und hoher Profitabilität zugleich spannend und relativ sicher“, erläutert Vorstand Thomas Stewens die Beweggründe für das Engagement der BankM als Lead Manager. Mit ihrer hohen Börsenaffinität passe die BörseGo gut in den Börsenraum. Dass das Unternehmen relativ klein sei, spiele für die Bank dabei keine Rolle. „Wir machen auch gerne kleinere Börsengänge – wichtig für uns ist, dass das Unternehmen gut und solide geführt ist.“
Mit der Performance nach dem IPO könne man allerdings nicht ganz zufrieden sein, urteilt Stewens. Ideal sei, wenn der Kurs leicht nach oben gehe. Für den leichten Kursrückgang macht der Bankvorstand das volatile Börsenumfeld verantwortlich: „Die Entwicklung wäre anders verlaufen, wenn der Kurs nicht ständig von Makroängsten getrieben würde.“ Er sieht die Situation aber nicht als dramatisch an: „Es geht hier um ein Unternehmen, das nicht stark unter der Marktvolatilität leiden wird.“ Im Gegenteil: Bei diesem Geschäftsmodell könnten Aktienkäufer sogar mit besonderer Aktivität reagieren.
redaktion@unternehmeredition.de
„Dieser Fall war ein besonders guter Fit“
Interview mit Thomas Stewens, Vorstand, BankM
Unternehmeredition: Herr Stewens, Sie haben den Börsengang der BörseGo AG als Lead Manager begleitet. Worin liegt Ihrer Ansicht nach der entscheidende Vorteil eines solchen Schritts?
Wir beurteilen es als positiv, wenn der Börsengang − wie bei der BörseGo AG − ein strategischer Schritt in der Unternehmensentwicklung ist. Dabei geht es um Bekanntheitsgrad, langfristige Stabilität und die Aufnahme von langfristigen Partnern: alles Themen, die eine Aktie auch für den Anleger und für uns als Bank attraktiv machen.
Was ist das Besondere am IPO der BörseGo AG im Vergleich mit anderen Börsengängen, die Sie begleitet haben?
Es war ein besonders guter Fit, weil das Unternehmen selbst Börsenteilnehmer ist. Man hatte da schon ein hervorragendes Basisverständnis. Außerdem haben sie den Prozess ausgezeichnet geplant und sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. Und dabei gab es etliche Hindernisse: Coronapandemie, Ukrainekrieg, Änderungen in der Verwaltungspraxis zur Prospektverordnung et cetera. Das Unternehmen hat das trotzdem alles mit Geduld und einem hohen Maß an Souveränität umgesetzt.
Wie geht es nun konkret weiter?
Mit der erhöhten Aktienzahl nach einer Kapitalerhöhung und dem dann niedrigeren Preis kommt die Unternehmensaktie in den m:access und wird sich dort einen soliden Track Record aufbauen. Wir sind von der langfristigen Stabilität und positiven Entwicklung der Aktie überzeugt.
Welche Rolle spielte das Pre-IPO?
Das Pre-IPO war ganz wesentlich, weil es eine Mindestanzahl von Aktionären sichergestellt hat. Man muss schließlich Mindestvoraussetzungen erfüllen hinsichtlich der Streuung der Aktie, und die haben wir durch das Pre-IPO abgesichert. Damit war klar, dass der Börsengang stattfinden würde.
Warum sollte ein Mittelständler an die Börse gehen?
Objektiv sprechen für Mittelständler viele Gründe dafür, an die Börse zu gehen; der wichtigste ist wahrscheinlich, dass die Börse ein hervorragender Weg ist, Nachfolgesituationen langfristig positiv zu regeln – weil Unternehmen an der Börse mit einem hohen Einfluss des Eigentümers sich auch empirisch langfristig sehr stabil entwickeln. Der Grund dafür ist, dass eine Familie in der Regel in Generationen denkt, aber sich dabei durch die Einflussnahme von außen auch immer kritisch hinterfragen muss. Das schafft die langfristige Überlegenheit von solchen Nachfolgelösungen.
Kurzprofil BörseGo AG
Gründungsjahr: 2000
Branche: Trading und Charttechnik
Unternehmenssitz: München
Umsatz: 10,4 Mio. EUR (2020)
Mitarbeiterzahl: 76 Mitarbeiter (Stand: 31.12.2021)
Dieser Beitrag ist in der Magazinausgabe der Unternehmeredition 2/2022 erschienen.
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.