Während früher ein Aufsichtsratsmandat eher als ehrenamtliche Tätigkeit und als besondere Auszeichnung nach einer erfolgreichen Berufstätigkeit galt, werden heute klare und umfangreiche Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder gestellt. Hieraus können sich mögliche Haftungstatbestände ergeben. Das gilt insbesondere in Restrukturierungs- und Krisensituationen.
Der Aufsichtsrat hat den Vorstand beziehungsweise die Geschäftsführung zu überwachen (§111 Abs. 1 AktG). Dies gilt fortlaufend und betrifft sämtliche Leitungs- und Führungsaufgaben einschließlich der Unterstützung des Vorstands bei Entscheidungen über die zukünftige Unternehmensstrategie. Er muss kontrollieren, ob der Vorstand mit der gebotenen Sorgfalt agiert, zum Beispiel durch ein adäquates Risikomanagementsystem. Der Aufsichtsrat muss auch beurteilen, ob der Vorstand durch sein Handeln selbst Krisensituationen auslösen kann.
Die erforderliche Intensität von Kontrolle und Beratungsaufwand erhöht sich in Krisensituationen insoweit, als die Überwachung zu einer unterstützenden beziehungsweise sogar gestaltenden Überwachung werden muss. Bei einer sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist der Aufsichtsrat insbesondere verpflichtet, auf die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrags hinzuwirken. Dies gilt speziell auch für die Überprüfung, ob Zahlungen ab Eintreten der Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise Überschuldung noch mit §92 Abs. 2 AktG vereinbar sind.
Besondere Aufgaben des Aufsichtsrats in der Unternehmenskrise
Die Personalkompetenz in Bezug auf die Besetzung des Vorstands ist mit die wichtigste Aufgabe eines Aufsichtsrats. Insofern muss er dafür Sorge tragen, dass in einer Krisensituation des Unternehmens der Vorstand mit für die Krisenbewältigung geeigneten und erfahrenen Personen besetzt ist. Notfalls ist er gehalten, entsprechende Veränderungen in der Zusammensetzung des Vorstands vorzunehmen. Dies gilt zum Beispiel dann, wenn eine kreditgebende Bank Veränderungen im Vorstand zur Bedingung einer Kreditverlängerung macht.
Des Weiteren muss der Aufsichtsrat auf die Vorlage eines Sanierungsplans durch den Vorstand dringen und diesen mit ihm ausführlich diskutieren. Notfalls muss er externe Experten zur Ergänzung der eigenen Kompetenzen in diese Begutachtung einbeziehen. Dies gilt insbesondere, wenn eine Sanierung unter Insolvenzschutz in Eigenverwaltung angestrebt wird. Falls es dem Vorstand an Insolvenzerfahrung fehlt, empfiehlt es sich, frühzeitig vor Stellung des Insolvenzantrags eine Abstimmung mit dem zuständigen Insolvenzrichter bezüglich einer möglichen Ergänzung beziehungsweise Umbildung des Vorstands vorzunehmen. Künftig könnten externe Berater noch früher eingeschaltet werden, denn neue EU-Richtlinien verlangen, dass der deutsche Gesetzgeber demnächst auch ein vorinsolvenzrechtliches Verfahren einführt. Dies soll es Unternehmen in Krisensituationen ermöglichen, ihre Schulden zu restrukturieren, ohne notwendigerweise ein gerichtliches Insolvenzverfahren durchlaufen zu müssen.