Krise, Krise und dann noch einmal Krise: Der deutsche Mittelstand hat es gerade nicht besonders leicht. Die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften bieten den Unternehmen – insbesondere in Wachstumsphasen – Eigenkapitalbeteiligungen und Teilhabe am Netzwerk. Wir sprachen mit den beiden MBG-Geschäftsführern Peter Pauli und Carsten Krull über die aktuelle Situation.
Unternehmeredition: Wie hat sich Ihr abgelaufenes Geschäftsjahr gestaltet? Was waren für Sie die „Highlights“ in Ihrer Beteiligungsgesellschaft?
Carsten Krull: Das war ein spannendes Jahr für uns. Es verlief insofern ungewöhnlich, als wir zwei vollkommen unterschiedliche Hälften erlebten. Wir haben praktisch unser gesamtes Neugeschäft im ersten Halbjahr erwirtschaftet, danach ist die Nachfrage eingebrochen. Die Auswirkungen des Ukrainekriegs haben wir ebenso deutlich zu spüren bekommen wie den kräftigen Anstieg der Zinsen und damit der Refinanzierungskosten. Aktuell haben wir rund 65 Mio. EUR an Beteiligungen in den Büchern – mit insgesamt 190 Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern. Im vergangenen Jahr lag unser Neugeschäft bei knapp 18 Mio. EUR mit 29 Unternehmen.
Peter Pauli: Wir hatten im abgelaufenen Geschäftsjahr Neuinvestments von 67,5 Mio. EUR – ein Rekordwert – und in der Folge auch einen historisch hohen Beteiligungsbestand von 350 Mio. EUR. Zusammen mit dem von der BayBG gemanagten Säule-zwei-Programm haben wir ein Neuinvestmentvolumen von rund 100 Mio. EUR realisiert, eine große Leistung unseres Teams. Tatsächlich hält die Nachfrage nach den Beteiligungslösungen der BayBG an; ich rechne für das laufende Geschäftsjahr 2022/23 mit einem weiter steigenden Beteiligungsbestand von über 380 Mio. EUR.
Halten Sie angesichts der Aufgaben, die vor mittelständischen Unternehmen stehen, eine besicherte Beteiligungsmöglichkeit von 1,5 Mio. EUR für ausreichend? Wären hier höhere Volumina nicht wünschenswert?
Pauli: Grundsätzlich ist die jüngste Erhöhung der Obergrenze für rückgarantierte Beteiligungen von 1 Mio. auf 1,5 Mio. EUR zu begrüßen. Mit einer entsprechenden Freigabe durch die zuständigen Ministerien sind Beteiligungen bis 2,5 Mio. EUR möglich, aber der erforderliche Abstimmungs- und Freigabeprozess ist für viele Unternehmen nicht praktikabel und vor allem nicht schnell genug. Letztlich determiniert die maximale Höhe der rückgarantieren Beteiligung auch, in welche mittelständischen Unternehmen investiert werden kann. Unternehmen mit beispielsweise einer Bilanzsumme von 20 Mio. EUR oder mehr und Wachstums- beziehungsweise Transformationsinvestitionen ist mit einer Beteiligung von 1,5 Mio. EUR häufig nicht geholfen – allerdings gibt es für dieses Segment jenseits der MBGen kein institutionelles Beteiligungsangebot im Markt. Die BayBG kann über das rückgarantierte Geschäft hinaus Beteiligungen bis zu 10 Mio. EUR anbieten und trifft damit im Moment auf eine hohe Nachfrage.
Krull: In der zweijährigen Phase der Coronapandemie hatten wir die Möglichkeit, auch ohne die Freigabe durch den Bund eine Beteiligung bis zu 2,5 Mio. EUR einzugehen. Damals war das Risiko höher als heute. Insofern haben die MBGen hier unter Beweis stellen können, dass sie ihr Geschäft verstehen und die richtigen Entscheidungen treffen. Vielleicht gibt es hier in der Zukunft etwas Bewegung. Die Nachfrage auf dem Markt wäre jedenfalls vorhanden.
In welchen Bereichen sehen Sie 2023 Schwerpunkte Ihrer Aktivitäten?
Pauli: Wir konzentrieren uns in Moment darauf, unsere Pipeline abzuarbeiten, und setzen mehrere Beteiligungen um. Wir werden das Rekordauszahlungsvolumen des letzten Geschäftsjahres nach heutiger Einschätzung sogar übertreffen. Gleichzeitig wollen wir das Wachstum der BayBG strukturell absichern. Unser Schwerpunkt liegt im Moment auf Investments in mittelständische Unternehmen; gleichzeitig werden wir auch im VC-Bereich im gewohnten Umfang investieren.
Krull: Bei uns steht eine Intensivierung der Unterstützung von Start-ups auf der Agenda. Unser Ziel ist es dabei, dass die Unternehmen im Land bleiben und hier gute Möglichkeiten vorfinden. Deswegen werden wir uns auch dafür bewerben, einen weiteren Fonds auflegen zu können.
Spüren Sie in den Gesprächen mit den Unternehmen eine stärkere Zurückhaltung der Banken bei Finanzierungen? Nimmt aufgrund der steigenden Zinsen die Bedeutung von Beteiligungskapital weiter zu, um Unternehmen das Wachstum zu ermöglichen?
Krull: Wir spüren in unserer Region noch keine starken Auswirkungen in diesem Bereich. Die Kreditinstitute sehen hier weiter ihre Aufgabe und ihre Verantwortung. Aber es ist durchaus feststellbar, dass bei Finanzierungsanfragen durch die Banken ein verstärktes Auge auf die Eigenkapitalausstattung geworfen wird. Darin besteht sicher auch eine Chance für die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften und ihre Mezzanineangebote.
Pauli: An der einen oder anderen Stelle verhalten sich die Kreditinstitute restriktiver. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn viele Unternehmen haben in der Phase der vergangenen Krisen ihr Verschuldungspotenzial ausgeschöpft. Wir erleben die Kreditinstitute aber weiterhin durchaus konstruktiv. Ich sehe nach der langen Zeit billigen Geldes und offensiver Kreditpolitik der Banken eher eine Normalisierung als eine heraufziehende Kreditklemme.
Rechnen Sie wegen der steigenden Zinsen mit Auswirkungen auf das Neugeschäft?
Pauli: Die Refinanzierungskosten steigen. Fremdkapital wird teuer – das gilt dann auch für Eigenkapital. Insgesamt sind die Konditionen der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften sehr fair. Mittelständische Unternehmen können über Beteiligungsfinanzierung Wertsteigerungen erreichen, die um ein Vielfaches höher sind als zum Beispiel die Kosten für das dazu benötigte Mezzaninekapital. Normalerweise ist zu erwarten, dass das Neugeschäft mit steigenden Renditeanforderungen nachlässt; aktuell sehen wir diesen Effekt aber noch nicht.
Krull: Es hat ganz bestimmt Auswirkungen, wenn sich die Finanzierungskosten erhöhen. Dann müssen Investitionen oder Wachstumsstrategien neu kalkuliert werden und vielleicht lohnt sich der eine oder andere Plan dann nicht mehr. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass der Abstand zwischen Bankzinsen und Kosten für Beteiligungskapital derzeit gleichbleibt, und das ist aktuell gegeben.
Ist das große Thema ESG mit seinen Anforderungen an neue Strukturen und notwendige Investitionen für mittelständische Unternehmen überhaupt zu stemmen? Wo und wie können hier die MBGen helfen?
Krull: Grundsätzlich geht es bei allen notwendigen Maßnahmen rund um ESG um einen sorgfältigen Umgang mit den Ressourcen und ein verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften. Das ist in unser aller Sinne. Unternehmen werden vor neue Aufgaben gestellt und wir haben ein neues Megathema nach Internationalisierung und Lieferkettenproblematik, mit dem wir uns in den kommenden Jahren beschäftigen werden. Die kommenden Anforderungen bringen in vielen Bereichen auch die Notwendigkeit von Investitionen mit sich – hier können die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften bei der Umsetzung mit ihren Finanzierungslösungen helfen. Unternehmer sollten bereits jetzt entsprechende Vorbereitungen treffen. Und es zeichnet sich aus meiner Sicht ab, dass es in vielen Branchen auf der Suche nach Finanzierungen ein Problem mit schlechten ESG-Ratings geben kann. Investoren schauen jetzt schon sehr genau hin, wie es die Firmen mit den Fragen rund um die Nachhaltigkeit halten. Und dieser Trend wird sich voraussichtlich verstärken.
Pauli: ESG ist aktuell natürlich in aller Munde. Ich sehe auch Investitionsnotwendigkeiten – im Rahmen der aktuellen Beteiligungsanfragen sind auf ESG zurückzuführende Finanzierungsanlässe aber noch nicht dominierend. Die BayBG hat im letzten Geschäftsjahr eine ESG-Strategie entwickelt, wir sehen uns als „Enabler“, der Unternehmen auf dem Weg zur ESG-Konformität begleitet, und nicht etwa als einen „Impact Investor“, der nur noch in ESG-Geschäftsmodelle investiert. Gleichwohl führen wir eine ESG Due Diligence durch und orientieren uns an ESG-Ratings. Wenn die Ergebnisse nicht zufriedenstellend sind, investieren wir nicht. Eine große Aufgabe sehe ich auch durch die neue EU-Richtlinie zur Unternehmensnachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive; CSRD) auf den deutschen Mittelstand zukommen. Ab dem Geschäftsjahr 2024 müssen auch mittelständische Unternehmen (KMU) umfassender und nach einheitlicheren Maßstäben berichten. Aus meiner Sicht überfordern diese Berichtspflichten kleinere Unternehmen und sollten dringend noch einmal angepasst werden.
Herr Pauli, Herr Krull, wir danken Ihnen für das Gespräch!
ZU DEN PERSONEN
Carsten Krull ist nach seiner Tätigkeit als Bankkaufmann im genossenschaftlichen Bankenbereich seit 2000 bei der MBMV beschäftigt und seit 2006 in der Funktion als Leiter der Risikosteuerung/Marktfolge Mitglied der erweiterten Geschäftsführung. In den letzten Jahren hat er aktiv die Geschäftsführungsvertretung übernommen. Im August 2022 ist der Bankfachwirt als Geschäftsführer der MBMV und auch der Bürgschaftsbank Mecklenburg-Vorpommern GmbH berufen worden.
Peter Pauli ist Geschäftsführer (Sprecher) der BayBG Bayerischen Beteiligungsgesellschaft. Er ist seit 1998 für die BayBG tätig und seit 2007 Geschäftsführer. Darüber hinaus ist Pauli Vorstandsmitglied im Branchenverband BVK und dort für Mittelstandsthemen zuständig.
Dieser Beitrag erscheint Mitte Mai in unserem Spezial “Investoren im Mittelstand”.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.