Was ist passiert? Mastercard-Kartell hebelt europäischen Wettbewerb bei Interbankengelten aus
Mastercard hat in seinen Netzregelungen, die für alle an dem System beteiligten Banken gelten, festgelegt, dass die Acquirer die Interbankenentgelte des Landes anwenden müssen, in dem der Einzelhändler ansässig ist. Den Einzelhändlern war es somit nicht möglich, von günstigeren Interbankenentgelten in anderen EWR-Staaten zu profitieren. Das Mastercard-Kartell konnte damit die Interbankenentgelte in den einzelnen EWR-Staaten auf einem hohen Preisniveau halten. Diese Regelung schränkte den Wettbewerb zwischen den Acquirern ein und führte zu einer künstlichen Segmentierung des Binnenmarktes.
Die Europäische Kommission hat diese Geschäftspraktik nunmehr untersagt. Am 22.01.2019 verhängte sie gegen Mastercard eine Geldbuße in Höhe von über 570 Mio. Euro. Die Untersuchungen durch die Europäische Kommission begannen bereits im April 2013 mit der Einleitung eines förmlichen Verfahrens gegen Mastercard. Im Juli 2015 teilte die Europäische Kommission ihren Kartellverdacht mit. Mastercard hat mit der Europäischen Kommission kooperiert und den EU-Wettbewerbsverstoß anerkannt. Gleichwohl kann Mastercard gegen den Bußgeldbescheid noch Rechtsmittel einlegen.
Die Zahlung mit Kreditkarten nimmt immer weiter an Bedeutung zu, sowohl im Geschäft, als auch online. Bei jeder Transaktion mit der Mastercard zahlt die Händlerbank (Acquirer) ein Interbankenentgelt an die Bank des Karteninhabers (Issuer). Dieses Interbankenentgelt wälzt der Acquirer über die Disagio-Gebühr an den Einzelhändler ab. Die Acquirer müssen sich dem Mastercard-System angeschlossen haben und mit den Einzelhändlern Vereinbarungen abschließen, damit diese Mastercard als Zahlungsmittel akzeptieren können. Durch die Regelung konnten die Acquirer den Einzelhändlern keine besseren Konditionen mit günstigeren Händlerentgelten in anderen EWR-Ländern anbieten.
Was bedeutet das für Händler? Mehr als ein Prozent höhere Abgaben – pro Kartenumsatz
Insbesondere Einzelhändler, die in der Zeit zwischen Ende April 2003 bis Ende 2015 eine Zahlung mit der Mastercard akzeptiert haben, gelten als vom Mastercard-Kartell betroffen. Ihnen können Ansprüche auf Schadensersatz gegen die Kartellanten zustehen. Die Schadenersatzansprüche sind darauf gerichtet, die Unternehmen so zu stellen, wie sie stünden, wenn sie die Dienstleistungen der Acquirer unter funktionierenden Wettbewerbsbedingungen bezogen hätten (= Ersatz der kartellbedingten Preisüberhöhungen).
In Deutschland betrug das durchschnittliche Interbankenentgelt im Jahr 2014 stattliche 1,4 Prozent pro Kartenumsatz. Es war eines der höchsten Interbankenentgelte im Europäischen Wirtschaftsraum. In den meisten EWR-Staaten lag das Interbankenentgelt unter 1 Prozent. In Ungarn, Polen und Spanien machte das Interbankenentgelt im Jahr 2014 gar nur 0,3 Prozent pro Transaktion aus.
Was können betroffene Händler tun? Schadensersatz ist möglich
Die Entscheidungen der Europäischen Kommission zum Mastercard-Kartell enthalten keine Feststellungen zu den konkret eingetretenen Schäden. Die Unternehmen müssen daher selbst ermitteln, zu welchen Preisüberhöhungen das Mastercard-Kartell in ihrem jeweiligen Fall geführt hat. Diese Schadensermittlung ist in der Regel nur mithilfe wettbewerbsökonomischer Gutachten möglich. Mittels der Gutachten kann der faire Wettbewerbspreis geschätzt beziehungsweise die Differenz zu den tatsächlich bezahlten Preisen angegeben werden. Die Betroffenen haben den Verstoß gegen Kartellrecht und die erlittenen Schäden auch zu beweisen. Den Bußgeldentscheidungen der Europäischen Kommission kommt allerdings eine gesetzliche Bindungswirkung hinsichtlich des Kartellrechtsverstoßes zu. Die zuständigen Zivilgerichte sind an diese Feststellungen der EU-Kommission gebunden. Dies hilft den geschädigten Unternehmen bei der Verfolgung erheblich. Allerdings können die Ansprüche verjähren.
Rechtsverfolgung: Prozessfinanzierer federn hohe Kosten ab
Ein Schadensersatzverfahren gegen Kartellanten ist mit erheblichen Kosten verbunden. In Kartellschadensersatzprozessen werden allerdings häufig Prozessfinanzierer aktiv. Sie übernehmen die gesamten Prozesskostenrisiken gegen eine Erfolgsbeteiligung. Die Geschädigten können in diesem Fall ohne eigenes Kostenrisiko in die Rechtsverfolgung einsteigen, haben bei Scheitern des Prozesses keine Kosten zu tragen und müssen lediglich im Erfolgsfall die vereinbarte Erfolgsbeteiligung an den Prozessfinanzierer abgeben.
János Morlin ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Partner sowie Geschäftsführer der SGP Schneider Geiwitz Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Zu seinen Spezialgebieten gehören Kartellrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht und Prozessführung
Elisa Miethling ist Rechtsanwältin und seit 2018 Associate bei SGP. Sie ist aktiv im Bereich Kartellrecht und Prozessführung.