Neben dem klassischen Börsengang in Form eines Initial Public Offering (IPO) rücken in Zeiten getrübter Börsenstimmung vermehrt alternative Wege an die Börse in den Vordergrund. So kann das reine „Listing“, also die Einbeziehung der bestehenden Aktien in den Freiverkehr oder auch den regulierten Markt einer Börse, ein geeigneter Schritt für Unternehmen sein, nicht nur Wachstum, Innovation und Finanzierungsmöglichkeiten positiv zu beeinflussen, sondern auch die Unternehmensnachfolge zu erleichtern.
Ohne Rücksicht auf Markt- und Börsenstimmung kann die Einbeziehung der Aktien zu einem fest definierten Zeitpunkt durchgeführt werden. Das „Pure Listing“ ermöglicht es dem Unternehmen auch, sich sukzessiv auf die Anforderungen der Börse und Investoren einzustellen. So kann das Listing einer Gesellschaft (AG, SE oder KGaA), also die Einbeziehung ihrer Aktien in den Freiverkehr einer Börse, auch die Nachfolgeplanung eines Unternehmens in unterschiedlicher Hinsicht vereinfachen und unterstützen. Neben der verbesserten Handelbarkeit der Geschäftsanteile, zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten über den Kapitalmarkt und der Erhöhung des Bekanntheitsgrads bietet die gelistete Aktiengesellschaft/KGaA darüber hinaus auch Vorteile bei der Mitarbeiterbeteiligung und Vermögensübertragung sowie der Umsetzung von Buy-and-Build-Strategien.
Die Rechtsform „Aktiengesellschaft“
Voraussetzung für ein Listing sind neben der Rechtsform der AG/SE beziehungsweise KGaA ein Mindestgrundkapital und ein handelbarer Free Float. Auch wenn die wenigsten Unternehmen, die sich mit dem Thema Nachfolgeplanung auseinandersetzen, die Voraussetzung als Aktiengesellschaft erfüllen, bietet sich neben dem Rechtsformwandel auch das sogenannte Reverse-IPO, also die Einbringung einer Gesellschaft mittels Bewertungsgutachten gemäß IDW S1 und Einbringung als Sacheinlage in eine bestehende gelistete sogenannte Vorrats-AG an. Die Besetzung der drei Organe der AG – Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung – bietet ebenfalls optimale Voraussetzungen, den „Machtwechsel“ im Rahmen einer Nachfolgeplanung zu gestalten. So kann der Unternehmer/Gründer beispielsweise als Aufsichtsratsmitglied immer noch ein wichtiges Organ der Gesellschaft mit Mitspracherecht, aber ohne operative Verantwortung bleiben.
Verbesserte Erfolgsaussichten für Managementnachfolge
Gerade wenn sich bei Familienunternehmen kein Nachfolger in der eigenen Verwandtschaft findet, verbessern sich durch einen Börsengang potenziell auch die Erfolgsaussichten bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger für die Geschäftsleitung – denn die Position des Vorstands einer gelisteten AG bietet mehr Freiräume, Beteiligungsmöglichkeiten und Herausforderungen als die GmbH-Geschäftsführerposition unter dem Einfluss des Eigentümers.
Motivierende Wirkung durch Mitarbeiterbeteiligungsprogramme
Mit dem Listing ist oftmals auch eine vorbörsliche Kapitalerhöhung, zum Beispiel im Rahmen eines Family-and-Friends-Programms, verbunden, die interessante Möglichkeiten bietet, das bestehende Management und leitende Mitarbeiter einzubeziehen oder ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm aufzusetzen. Die motivierende Wirkung einer solchen Beteiligung, bei der das Management den Erfolg der eigenen Arbeit direkt an der Wertsteigerung in Form des Aktienkurses ablesen kann, ist offenkundig. Hierdurch kann nicht nur die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen gesteigert werden, sondern auch das Unternehmen selbst an Attraktivität und Reputation gewinnen. Die Steigerung von Reputation und Rating führt wiederum regelmäßig zu verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten beziehungsweise Finanzierungskonditionen.
Übertragung von Unternehmensanteilen
Im Rahmen der Nachfolge können die Eigentümerfamilien sowohl den Ausstieg aus der Unternehmensleitung als auch die finanzielle Ausgestaltung via Listing sehr flexibel regeln. Die Übertragung von Unternehmensanteilen auf Nachkommen, aber vor allem auch der Verkauf an Investoren lässt sich nach einem Listing mit einem dann vorhandenen Börsenkurs als Referenzpreis oft einfacher umsetzen. Oftmals ist ein Listing der Aktien auch Voraussetzung für den Einstieg von (strategischen) Finanzinvestoren. Durch den Rückzug der Alteigentümer werden so auch keine wichtigen liquiden Mittel entzogen, die die Gesellschaft zur Finanzierung ihres weiteren Wachstums, für Forschung und Entwicklung, Personal oder andere wesentliche Anschaffungen benötigt.
FAZIT
Das Listing als Option der Nachfolgeplanung mag in vielen Fällen keine relevante Option sein, doch bieten die aufgezeigten Überlegungen im Einzelfall sehr reizvolle Ausgestaltungsmöglichkeiten für die Beteiligten sowie wesentliches Optimierungspotenzial einer nachhaltigen Unternehmensnachfolge.
👉 Diese Fallstudie ist auch in der Unternehmeredition 1/2025 mit Schwerpunkt “Unternehmensnachfolge” erschienen.