“Darum geht es mir in meiner Arbeit: Missstände aufdecken”

Interview mit Collien Ulmen-Fernandes, Moderatorin, Schauspielerin, Autorin

Interview mit Collien Ulmen-Fernandes über ihre Karriere: Vom Modeln zur internationalen Moderation und Schauspielerei.
Foto: © ZDF_Johanna Wittig

Als geborene Hamburgerin mit einem Multikulti-Hintergrund hat Collien Ulmen-Fernandes nicht nur die deutsche Unterhaltungsbranche erobert, sondern auch internationale Anerkennung erlangt. Von der glamourösen Welt des Modelns bis hin zu den schillernden Bühnen des Fernsehens und Kinos hat sie sich einen Namen gemacht. Wir sprachen mit ihr über ihr aufregendes Leben und erhielten Einblicke in ihre faszinierende Karriere.

Sie sind eine vielseitige Persönlichkeit: Fernsehmoderatorin, Schauspielerin, Autorin und vieles mehr. Was hat Sie dazu motiviert, sich in so vielen verschiedenen Bereichen zu engagieren?
Nun, ich bin seit 25 Jahren in dieser Branche. Wenn ich immer nur das Gleiche machen würde, würde ich mich vermutlich irgendwann langweilen. Ich freue mich wahnsinnig darüber, dass ich mich so vielseitig ausprobieren durfte, dass ich im ZDF-Hauptprogramm um 20:15 Uhr, also zur besten Sendezeit, eine Sendung zum Thema Feminismus moderieren oder eine Dokumentation über Moral machen darf. Zwischendurch brauche ich dann aber auch mal leichtere Kost. Etwas, bei dem keine schweren Themen bewogen werden, wie zum Beispiel bei The Masked Singer.

Als Moderatorin haben Sie bei verschiedenen Sendern wie VIVA, MTV, VOX und anderen gearbeitet. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Fähigkeiten, die man als erfolgreiche Moderatorin mitbringen muss?
Ich hasse es, wenn Moderatoren oder Moderatorinnen, wenn sie Interviews führen, kein wirkliches Interesse an ihrem Gegenüber haben, nicht wirklich zuhören. Das erlebe ich leider immer wieder. Da werden Fragen gestellt, bei denen man denkt: „Hättest Du zugehört, würdest Du diese Frage nicht stellen.“

Sie haben indische, portugiesische und ungarische Wurzeln. Wie haben diese kulturellen Einflüsse Ihr Leben und Ihre Karriere geprägt?
Das Portugiesische hatte kaum Einfluss in unserer Familie und das Ungarische auch eher weniger. Ich denke, die indischen und schwäbischen Wurzeln haben mich am meisten geprägt. Beiden sagt man Sparsamkeit nach. Da ist was dran. Die wurde mir immer sehr stark eingetrichtert. Dadurch habe ich das Geld nie unnötig rausgehauen und hatte immer ein gutes finanzielles Polster. Diese finanzielle Sicherheit sorgt dafür, dass ich heute frei bin und beruflich machen kann, was ich möchte.

Im Jahr 2013 haben Sie Ihre eigene Kolumne in der Zeitschrift Eltern gestartet. In Ihrem Buch “Ich bin dann mal Mama” und anderen Werken beschäftigen Sie sich ebenfalls mit Familie und Erziehung. Was treibt Sie an und welche Botschaft möchten Sie Ihren Lesern vermitteln?
In vielen meiner Projekte geht es um das Thema Geschlechterklischees. In “No more Boys and Girls“ kommt eine Studie vor, die Kindershirt-Aufdrucke analysiert. Bei den Mädchen: Begriffe, die mit Äußerlichkeiten zu tun haben, „Beauty“ oder „Pretty“ − während geistiges Empowerment nur in der Jungenabteilung zu finden ist, mit Aufdrucken wie „Born to be legendary“ oder „Genie im Wachstum“. Das Muster zieht sich durch alle geschlechtsspezifisch vermarkteten Produkte durch. Kein Wunder also, dass Mädchen sich für weniger schlau halten. Es gibt diese Studie, in der Kindern eine Geschichte erzählt wird, von einem „sehr, sehr schlauen Kind“. Sie müssen danach raten, wer wohl dieses superschlaue Kind ist. Die meisten kleinen Mädchen tippen auf einen Jungen.

Sie haben Erfahrungen als Model gesammelt und sind auch für Modefirmen tätig gewesen. Wie vereinbaren Sie Ihre Arbeit in der Modebranche mit Ihrem Engagement für faire Arbeitsbedingungen, wie zum Beispiel in Ihrer Dokumentation über die Textilindustrie in Kambodscha?
Ich war Kindermodel. In dem Alter hat man noch keine Kenntnis von all dem. Aber auch unter Erwachsenen ist der Irrglaube noch immer weit verbreitet, dass das Problem der schlechten Arbeitsbedingungen in erster Linie Billiglabels betrifft. Dem ist nicht so. Es betrifft die ganze Branche, auch Firmen im mittleren oder im Luxussegment. Viele Premiumlabels produzieren unter echt miserablen Bedingungen. All das kommt in der Dokumentation zur Sprache. Darum geht es mir in meiner Arbeit: Missstände aufdecken.

Seit 2017 sind Sie in der Comedy-Fernsehsendung “Jerks” zu sehen, wo Sie sich selbst spielen. Wie ist es, sich selbst auf humorvolle Weise zu verkörpern, insbesondere in einer Serie, die auf persönlichen Erfahrungen basiert?
Um ehrlich zu sein: Für mich war dieses Projekt immer etwas schwierig, weil es mir zu nah an meinem Privatleben dran ist. Ich halte mich da ja grundsätzlich eher bedeckt. Auf meinen Social-Media-Kanälen findet man kaum private Bilder, während andere jeden Stuhlgang ihres Kindes posten (lacht). Aber ProSieben wollte unbedingt, dass ich da mitspiele. Eigentlich hatte man mir zunächst die weibliche Hauptrolle angeboten, aber das wäre mir definitiv zu viel gewesen.

Sie waren Jurymitglied bei “The Masked Singer” und auch mehrmals Gast bei “Joko & Klaas gegen ProSieben”. Was reizt Sie an der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern und Moderatoren in solchen Projekten?
Aus „Joko und Klaas gegen ProSieben“ entstehen tolle Projekte, wie zum Beispiel unser Film „Männerwelten“, der mehr als 20 Millionen Zusehende erreicht hat und ein wahnsinnig wichtiges Projekt war, das auf das Thema Alltagssexismus aufmerksam gemacht hat. Ich habe das Gefühl, der Film hat gesellschaftlich wirklich etwas bewegt. Mit Klaas hatte ich außerdem einen tollen Dreh für die ARD-Dokumentation „Die Viva-Story“, die Joko und Klaas mitproduziert haben und die ich moderieren durfte. Klaas kenne ich ja noch aus einer Zeit, als er noch ganz klein war und noch gar keinen Bartwuchs hatte (lacht) und es war echt spannend mal wieder gemeinsam in alte Zeiten einzutauchen.

Wir sind ein Corporate Finance Magazin und deshalb dreht sich bei uns alles ums Thema Finanzierung. Wie ist Ihre Einstellung zum Geld?
Das Geld gibt mir die Freiheit, die Projekte zu machen, die ich wirklich gut finde. Oft sage ich Projekte ab, die viel Geld bringen, um mich in der Zeit anderen Projekten zu widmen, die monetär vielleicht etwas weniger bringen, wo ich das Thema aber für sehr relevant halte. Weil ich immer schon sehr sparsam war und früh in die richtigen Immobilien investiert habe und dafür zum Glück immer ein gutes Händchen hatte, kann ich mir das zum Glück so leisten.

Ihr aktuelles Projekt ist die Dokumentation “Das KI Manifest” (verfügbar in der ZDF-Mediathek), die sich mit den Möglichkeiten und Herausforderungen von Künstlicher Intelligenz im Film beschäftigt. Was hat Sie an diesem Thema besonders fasziniert?
All die Fragen, die mit der Thematik verbunden sind, die sicherlich auch andere Branchen betreffen: Wie stellen wir sicher, dass die KI ethisch korrekte Entscheidungen trifft und wer übernimmt die Verantwortung, wenn sie es nicht tut. Die technischen Möglichkeiten im Filmbereich sind mittlerweile immens. Schauspielende können digitale Avatare von sich erstellen lassen und müssen theoretisch gar nicht mehr physisch am Set erscheinen. Einer unserer Experten macht genau das, derzeit hauptsächlich für amerikanische Produktionen. Das wirft natürlich Fragen auf: Wird künftig nur noch der 30-jährige digitale Avatar einer Schauspielerin besetzt, während ihr echtes 50-jähriges Ich keiner mehr sehen will? Schon jetzt wird man als Schauspielerin ab einem gewissen Alter kaum noch besetzt, zurzeit gilt die 47 als diese magische Marke.

Nach so vielen Jahren in der Unterhaltungsbranche und zahlreichen Projekten, was sind Ihre nächsten Ziele und Pläne für die Zukunft, sowohl beruflich als auch persönlich?
Im Juli kommt ein spannendes Format zu einem wissenschaftlichen Themenkomplex mit mir als Hostin, bei dem ich während der Aufzeichnung wahnsinnig viel lernen durfte. Darauf freue ich mich sehr. Außerdem habe ich einige Ideen für Dokumentationen und hoffe, dass ich weiterhin die Themen umsetzen darf, für die ich brenne. Ich wünsche mir, dass alles genau so weiter läuft wie bisher.

Liebe Frau Ulmen-Fernandes, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Eva Rathgeber.

👉 Dieser Beitrag erscheint am 28. Juni in der nächsten Magazinausgabe der  Unternehmeredition.


ZUR PERSON

Foto: © Anatol Kotte

Collien Ulmen-Fernandes, geboren am 26. September 1981 in Hamburg, ist bekannt als Fernsehmoderatorin, Schauspielerin und Autorin. Mit indischen, portugiesischen und ungarischen Wurzeln begann sie ihre Karriere als Model und wurde schnell zu einer bekannten Moderatorin bei Sendern wie VIVA und MTV. Parallel dazu etablierte sie sich als Schauspielerin in Filmen und Serien. Ulmen-Fernandes engagiert sich auch aktiv für soziale Themen und setzt sich für faire Arbeitsbedingungen in der Modeindustrie ein.

 


KURZPROFIL

Geboren: am 26. September 1981 in Hamburg
Familienstand: verheiratet, eine Tochter
Beruf: Moderatorin, Schauspielerin, Autorin
Instagram: collien_ulmen

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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