In einer immer dynamischeren und unvorhersehbarer erscheinenden Umwelt stoßen die strategische Ausrichtung und Planungen immer mehr an ihre Grenzen. Um langfristig (transgenerational) erfolgreich zu bleiben, müssen Familienunternehmen daher für sich eine Antwort darauf finden, wie sie auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen, zum Beispiel mit einer Digitalisierungs-, Innovations-, Restrukturierungs- oder Finanzierungsstrategie, reagieren.
Ein wesentlicher aber oftmals verkannter Faktor für die Erfolgsaussichten einer Strategie stellt die vorherrschende Kultur dar. Sie kann als eine Art Rahmengeberin aufgefasst werden, innerhalb derer eine Strategie nicht nur erfolgreich gedeihen, sondern auch (im Kern) scheitern kann („Culture eats strategy for breakfast“ Peter F. Drucker). Aufgrund der wechselseitigen Beziehung zwischen Kultur und Strategie ist es ratsam, mit einer Strategieentwicklung auch immer eine Kulturentwicklung durchzuführen. Zumindest sollte bei strategischen Fragestellungen die kulturelle Anschlussfähigkeit berücksichtigt bzw. reflektiert werden.
Besonderheiten von Kultur in Familienunternehmen
Zunächst einmal hat jedes (Familien-)Unternehmen eine Kultur und ist zugleich eine Kultur. Kultur entsteht durch die Interaktion der einzelnen Akteure und dient der Überlebenssicherung. Wichtig ist, dass Kultur nicht allgemeingültig ist. Jedes Familienunternehmen hat/ist seine spezifische Kultur, die für dieses einen Wettbewerbsvorteil oder aber ein existenzbedrohendes Risiko darstellen kann.
Kultur durchdringt ihre Mitglieder, prägt deren Zusammenarbeit in den Teams, Gremien, Abteilungen usw. und hat auch eine Außenwirkung in Richtung Lieferanten, Kunden oder auf das Employer Branding. Als ein wichtiger Orientierungsrahmen dienen dazu die kulturell verankerten Werte. Werte geben Aufschluss darüber, was für die Mitglieder als (nicht) richtig/wichtig angesehen wird und wofür das Unternehmen steht. Werte und die daraus abgeleiteten Erwartungen sind handlungsleitend.
Kultur ist aber nicht einfach da, sondern entwickelt sich ab dem Zeitpunkt der Unternehmensgründung. Häufig ist der Gründergeist bei bereits über Generationen bestehenden Familienunternehmen noch kulturell zu spüren. Aber ebenso verankern sich Fehlschläge, Erfolge, besondere Ereignisse oder Herausforderungen entlang des Unternehmensbestandes im kulturellen Gedächtnis, was wiederum Auswirkungen auf die Denk- und Handlungsweisen hat.
Reflexionsfragen:
- Wie würden sie die Kultur ihres Unternehmens beschreiben? Was macht sie aus?
- Welche Werte sind für sie handlungsleitend?
- Was wird unter dem jeweiligen Wert verstanden und welche Erwartungen sind damit verbunden?
Besonderheiten von Kultur in Unternehmerfamilien
Da bei Familienunternehmen eine wechselseitige Beziehung zwischen dem Unternehmen und der Familie besteht, wird die Kultur des Unternehmens wesentlich durch die jeweilige Unternehmerfamilie sowie deren kulturell vermittelten Werte geprägt. Verstärkt wird dies, wenn Familienmitglieder (noch) operativ im Unternehmen arbeiten. So hängt der langfristige Bestand des Unternehmens wesentlich von dem Zusammenhalt der Familie und deren Fähigkeit ab, mit Herausforderungen und Konflikten umzugehen. Auf der Seite der Unternehmerfamilie ist daher speziell die Familienkultur ein wichtiges Bindeglied für die Zusammenarbeit und das Zusammenleben der Familienmitglieder, indem sie den Familiengeist sichert. Kultur muss daher im Kontext der Familie u.a. dafür Sorge tragen, die Ansprüche der Familienmitglieder Richtung Unternehmen zu koordinieren, zur Identifikation mit der unternehmerischen Aufgabe beizutragen und die Nachfolgebereitschaft sicherzustellen.
Reflexionsfragen:
- Was zeichnet sie als Unternehmerfamilie aus?
- Woran orientieren sich die darin getroffenen Entscheidungen?
- Welche Erwartungen werden an die Familienmitglieder und an das Unternehmen gestellt?
Einfluss der Kultur auf den Erfolg einer Strategie
Eine Strategie kann als die Ziele verstanden werden, die ein Familienunternehmen bzw. eine Unternehmerfamilie realisieren möchte oder auch muss, um mit internen und externen Einflüssen umgehen zu können und so den langfristigen Bestand zu sichern. Damit die Strategie in weiterer Folge umgesetzt werden kann, bedarf es dann geeigneter Strukturen und davon abgeleiteter Prozesse. Allerdings hat hier die vorherrschende Kultur einen entscheidenden Einfluss. Gerade in Bezug auf eine strategische (Neu)Ausrichtung, gibt Kultur vor, welche Strategien überhaupt als möglich erachtet werden. Ebenso besteht bei der Implementierung einer (neuen) Strategie die Gefahr, dass diese durch die kulturellen Gegebenheiten im Unternehmen und der Familie vereinnahmt und so modifiziert wird, sodass sie ihr volles Potenzial nicht entfalten kann.
Die Erfolgsaussichten einer Strategie werden daher auch immer durch die kulturelle Färbung beeinflusst; speziell in Familienunternehmen durch das kulturelle Werteverständnis der Familie. Widerspricht eine Strategie den Werten oder ist der Zuspruch der Familienmitglieder nicht groß genug, wird eine Strategie scheitern. Der Vorteil, aber zugleich die Problematik bei Kultur ist ihre änderungsskeptische Wirkung. Das heißt sie wird gespeist durch vergangene Erfahrungen der (Familien-)Mitglieder. Hierdurch wirkt sie zwar u.a. stabilisierend, schafft Ordnung, vermittelt Sinn und reduziert die Komplexität. Jedoch birgt dies auch die Gefahr, dass Wandelbarrieren entstehen oder neue (strategische) Orientierungen abgewertet werden. Dies kann einerseits dazu führen, dass an in der Vergangenheit bewährten Strategien festgehalten wird, obwohl diese unter aktuellen Bedingungen nachteilig sind. Andererseits können Strategien, die in der Vergangenheit als nicht zielführend erachtet wurden, aber unter heutigen Gesichtspunkten wichtig wären, nicht mehr als Möglichkeit betrachtet werden.
Reflexionsfragen:
- Mit welchen realistischen Herausforderungen in der Familie und dem Unternehmen müssen sie in Zukunft rechnen?
- Welche strategischen Optionen zur Lösung der Herausforderungen sind für sie denkbar?
- Wirkt ihre Kultur fördernd auf die strategischen Optionen? Wenn nicht, warum? Was muss dahingehend in der Familie und dem Unternehmen unternommen werden?
Fazit
Kultur dient als eine Art Sensor, mit dem die Familie notwendige Innovationen oder strategische Neuausrichtungen für das Unternehmen erkennen kann. Ebenso liefert sie Aufschluss im Hinblick auf die Wirkkraft und Erfolgsaussicht einer Strategie und der daraus abgeleiteten Maßnahmen. Aufgrund des Einflusses der Familie und deren kulturell geprägten Werteverständnisses sind Familienunternehmen aber der Gefahr ausgesetzt, dass die Familienmitglieder die Signale aus ihrer Umwelt nicht richtig interpretieren, wodurch notwendige strategische Neuorientierungen oder Anpassungen nicht zeitgerecht oder erst gar nicht initiiert werden. Kultur beeinflusst folglich nicht nur die Entwicklung, Ergebnisse und Umsetzung einer Strategie, sondern kann diese auch zum Scheitern bringen. Daher sollte bei einer Strategieentwicklung auch immer die kulturelle Anschlussfähigkeit berücksichtigt werden oder eine Antwort darauf gefunden werden, welche Impulse die Kultur benötigt, um die Probleme zu lösen und die strategischen Ziele zu erreichen. Kultur formt also ein Milieu, durch das sich im besten Fall das Familienunternehmen optimal entwickeln und auf sich ändernde Umweltbedingungen (frühzeitig) reagieren kann. Kultur hat somit auch entscheidenden Einfluss auf die Resilienz des Unternehmens. Abschließend gilt: „Veränderungen im Unternehmen bedürfen auch immer eines Umdenkens innerhalb der Unternehmerfamilie – Kultur ist ein wesentlicher Schlüssel dazu!
Dr. Simon Caspary
Simon Caspary ist Unternehmensberater und systemischer Coach für Familienunternehmen und deren Familien sowie Trainer. Er ist Autor u. a. zu den Themen Kulturentwicklung in Unternehmerfamilien, zur Sozialisation von Nachkommen aus Unternehmerfamilien sowie das Loslassen-Lernen der Senior-Generation im Übergabeprozess.