Zwischen Wert und Werten

Die Affäre Khashoggi um einen ermordeten saudischen Regimekritiker zeigt: Das Thema Compliance ist aktuell wie nie. Menschenrechte, Korruption und Arbeitsbedingungen in Drittländern finden heute im Mittelstand mehr Beachtung. Dabei wird klar: Nicht jedes Unternehmen kann alle Faktoren beeinflussen.

Christian Parsow, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei Ebner Stolz in Köln, beobachtet häufiger das Gegenteil. „Es muss oft erst etwas passieren“, sagt er, „intrinsisch werden selten Präventivmaßnahmen getroffen.“ In Deutschland habe die Debatte 2006 mit der Siemens-Affäre begonnen, einem der größten Schmiergeldskandale der deutschen Wirtschaftsgeschichte. „Danach sagten viele Unternehmer: In Zukunft schauen wir uns genauer an, mit welchen Partnern wir Geschäfte machen.“ Der nächste Schritt sei 2013 erfolgt: Damals stürzte eine Textilfabrik in Bangladesch ein, mehr als 1.000 Menschen starben, der öffentliche Aufschrei war groß. Anschließend rückten die Arbeitsbedingungen vor Ort in den Fokus der Unternehmen (siehe auch Infokasten weiter unten). In seinem Berufsalltag hat Steuerberater Parsow oft mit solchen Fällen zu tun, das erinnert mitunter an Detektivarbeit. Er ermittelt dann, ob beim Zulieferer unter menschenwürdigen Bedingungen gearbeitet wird oder Schmiergeld fließt. Gerade Korruption sei allerdings oft schwer zu identifizieren, gibt Parsow zu bedenken. „Wo hören Aufmerksamkeiten auf, wo fängt Bestechung an?“ Es gebe viele solche Graubereiche, die es schwierig machen, als Unternehmen die Mitarbeiter richtig anzuweisen. Natürlich kosten Compliance-Maßnahmen auch etwas, doch Mehrausgaben lassen sich auf anderem Wege wieder hereinholen – sei es über Marketing, sei es auf dem Arbeitnehmermarkt, auf dem Fachkräfte zunehmend zum Mangel werden. „Wenn ich merke, die Firma verhält sich integer, bewerbe ich mich dort eher als bei der Konkurrenz“, sagt Parsow. „Compliance ist ein Siegel für ein Unternehmen.“

Update: Die Klage wurde mittlerweile abgewiesen: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/textildiscounter-klage-gegen-kik-nach-fabrikbrand-in-pakistan-wegen-verjaehrung-abgewiesen/23851010.html?share=twitter&ticket=ST-1477983-KWzjVdzlbGKy4dV0kLUL-ap4

Ein Dreieck, das stabil bleiben muss

Doch dieses Siegel ist kompliziert zu erwerben. Das Spannungsfeld, in dem sich die Unternehmer bewegen, ist eigentlich ein Dreieck, mit den Eckpunkten unternehmerischer Erfolg, Ethik und Gesetzen. Ändern sich an einem der Punkte die Bedingungen, verschiebt sich das Dreieck. Dafür gibt es ein schönes Beispiel. Vor Kurzem hielt Wirtschaftsanwalt Simon eine Schulung für Unternehmer, es ging um sogenannte Konfliktmineralien. Warlords im Kongo finanzieren ihre Kriege unter anderem mit dem Abbau von Zinn, Wolfram, die viele Industrien benötigen. Anders als bei den ähnlich gelagerten Blutdiamanten, für die es ein anerkanntes Zertifizierungssystem gibt, wurde nach der Herkunft solcher Mineralien selten gefragt. Doch eine Gesetzesänderung in den USA zwingt nun alle Firmen dort, die Lieferkette von potenziellen Konfliktmineralien lückenlos nachzuweisen. Das heißt für die deutschen Kollegen: Wer mit den USA weiter Geschäfte machen will, braucht künftig auch einen Nachweis, dass seine Ware sauber ist – so will es die Politik. „Die Unternehmen machen sich darüber vehement Gedanken“, berichtet Simon aus der Schulung. „Kann ich meinen Lieferanten fragen, woher sein Zinn stammt? Und was, wenn der aus dem Kongo kommt?“ Simon rät dann unter anderem dazu, Transparenz zu schaffen, nach innen wie nach außen.

Er ist sich sicher, dass sich für Unternehmer diese Reise am Ende auszahlt – auch weil es keine Möglichkeit gebe, dem Thema auszuweichen. Schließlich verschieben sich die geopolitischen Verhältnisse, Brennpunkte auf der ganzen Welt rücken stärker in die öffentliche Wahrnehmung. Simon formuliert einen Tipp an Unternehmer: „Ihr müsst euch den Themen stellen. Fangt lieber heute an, zu überlegen, wie weit Ihr gehen wollt.“ Sein Kollege Parsow empfiehlt unter anderem, ausländische Zulieferer regelmäßig kontrollieren zu lassen und in allen Verträgen von Anfang an ein Menschenrechts-Audit mit zu verhandeln, um das eigene Risiko zu minimieren. „Wenn jemand betrügen will, können Sie das nie zu 100 Prozent verhindern.“ Wenn also einmal was passiert? Dann gelte es, konsequent und transparent die eigene Linie umzusetzen, den Regeln zu folgen, die man sich selbst einst gegeben hat. „Da darf man nicht abweichen“, sagt Parsow. „Sonst fällt es einem auf die Füße.“

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