Die 5. Auflage des M&A Insurance Summer Forum zeigte die immense Bandbreite des Themas auf: Experten von Kanzleien, Versicherern, MGAs, Brokern und weiteren Dienstleistern diskutierten die aktuellen Themen und Trends.
Spätestens während der angeregten Diskussionen auf der Dachterrasse (die Gastgeber Dr. Christoph Schmitt, Partner und Standortleiter Advant Beiten zurecht als „ideale Location für den Event“ während seiner Begrüßung bezeichnete) wurde deutlich: Die interdisziplinäre Grundstruktur der Lösung „W&I-Police“ erlaubt und befördert kreative Umsetzungen, deren stetig verbesserte Passgenauigkeit Mehrwert für Nutzer schafft und somit die Verbreitung des Tools auf hohem Niveau hält oder sogar ausweitet. „Der Markt ist erfinderisch“ stellte Mirjam Boche (Arqis) fest.
Das ist die eine Betrachtungsweise auf einen wachsenden Markt, der einstweilen weitere Player anzieht. Gleichzeitig wurde überdeutlich, dass es mit dem Abschmelzen der Prämien bei gleichzeitiger Ausweitung der Deckung nicht wird weitergehen können. „Kommt es zu einer Konsolidierung?“, fragte Moderator Robert Engels (WTW), doch eine eindeutige Antwort fiel den Experten schwer. „Man rechnet schon lange damit“, zeigte sich Peter Ratz (Howden) eher zweifelnd. Neue Player würden es zunehmend schwerer haben, auf dem DACH-Markt Fuß zu fassen, merkte Boche an, denn die Markteintrittsbarrieren würden stetig höher, da die Qualität rund um die Police steige.
Diese Qualität muss und werde sich auf die Prämien auswirken, betonte Niki Demirbilek (Amaniki). Gerade die MGAs würden leiden, in UK habe es Policen bis hinunter zu 0,2% gegeben, im DACH-Raum bis 0,5%, „gleichzeitig werden die Begriffe bis hin zur grob fahrlässigen Unwissenheit aufgeweicht und versichert.“ Diese Gegenläufigkeit – nachgefragtes, mehrwertschaffendes, sinnvolles, passgenaues Produkt/Lösung, aber sinkende oder entfallende Marge – war den gesamten Abend zu beobachten. Aber ob, wann und in welchem Ausmaß eine Bereinigung stattfindet, Prämien steigen und der Markt sich dreht, musste offen bleiben.
Einigkeit herrschte indes über die Ausgestaltung der Policen: Die sogenannten Enhancements, für die zumeist kein Prämienaufschlag vereinnahmt wird, werden die Versicherer nicht wieder einfangen können. Es werde also bei tendenziell breiten Deckungsumfängen bleiben.
Positive Aussichten für den M&A-Markt
Bei alledem setzt der W&I-Markt auf den M&A-Aktivitäten auf. Deshalb hatte Markus Rieger, Vorstand der Kapitalmarktplattform GoingPublic und Inaugurator und Kurator des Summer Forums mit Michael Drill (Lincoln International) und Klaus-Martin Haussmann (Grant Thornton) gleich zwei Experten eingeladen. Drill konstatierte zwar, „dass im Moment die Euphorie im Markt fehlt“, gleichviel rechnet er mit einem Dealwachstum von 20% im kommenden Jahr, „getrieben vor allem von strategischen Investoren im Midcap-Bereich“. Generell sei er positiv gestimmt, denn der von ihm bevorzugte Frühindikator habe angeschlagen: „Die Kurse der börsennotierten M&A-Banken haben durchgängig angezogen.“
Haussmann sieht ebenfalls die Talsohle auf dem DACH-Markt durchschritten, schon jetzt habe gerade im Smallcap-Segment eine erhebliche Belebung stattgefunden. Die EV/EBITDA-Multiples bei der Bewertung der Targets seien zwar etwas zurückgekommen, konkret von 21,8x auf 18,7x, aber das sei ja noch immer ein hohes Niveau. Sein Fazit: „Wir können uns für den Rest des Jahres und 2025 auf einen schönen Anstieg der Dealaktivitäten freuen.“
Dass diese Deals zunehmend mit Hilfe von KI-Tools abgewickelt werden, davon zeigte sich Graig Gröbli, Co-Founder von DealCircle, überzeugt: „Es steht eine fundamentale Veränderung im M&A-Prozess bevor.“ Gröbli erläuterte, dass KI graduell in die Workflows einsickern werde, um die größten Vorteile zu heben: Effizienzsteigerung, verbesserte Entscheidungsfindung und Verbesserung der Risikostruktur. Aber: „Menschliche Expertise und Urteilskraft bleiben ausschlaggebend“.
Tiefer Blick in den Maschinenraum der Deals
Ganz tief in den Maschinenraum der Deals stiegen Marco Niehaus (Aquinex), Boris Dürr (Heuking), Irina Novikova (Deloitte) und Dr. Heiko Bertelmann. Niehaus Ausführungen zu US-amerikanischen Elementen in W&I-Policen hierzulande unterstrichen die Flexibilität und Weiterentwicklung des Produkts. Für ihn geht es bei der Implementierung bestimmter Vorgehensweise rund um Offenlegungen und Garantiekataloge vor allem um verbesserte Transparenz. „Das Zusammenspiel von Versicherung, Brokern, Anwälten etc. entscheidet über die Qualität dieser Transparenz“. Insgesamt sieht er die interdisziplinäre Zusammenarbeit auf gutem Weg.
Boris Dürr referierte zu den Feinheiten von W&I-Policen bei Public Deals. Er sieht durchaus interessante gelistete Targets. Hauptproblem: Garantien für die Übernahme von Aktienpaketen sind aus zahlreichen Gründen kaum möglich. „An dieser Stelle baut die W&I-Police Brücken und kann als Enabler wirken.“ Besonderes Interesse weckten seine Ausführungen zur BAFin, die tatsächlich die Policen in die Bewertung etwaiger Übernahmeangebote einfließen lasse.
Irina Novikova betrachtete Deals von der Warte der Wirtschaftsprüfung aus und erläuterte die unterschiedlichen Qualitätslevel von Prüfungen. Ihr dringender Rat: „Man muss als Käufer sehr genau darauf achten, welche Garantien der Verkäufer auf Basis welcher Prüfung gibt“. Heiko Bertelmann widmete sich dem Noch-Nischenmarkt Distressed M&A, der aber auf dem Vormarsch sei. Auch in diesem Segment seien Garantien vom Verkäufer, in der Regel vorläufiger oder finaler Insolvenzverwalter, nicht erhältlich. Eine vollsynthetische W&I-Police könne als Lösung dienen. Er hofft auf ein Umdenken bei den Insolvenzverwaltern: „Wenn es Garantien gäbe oder wenigstens Mindest-Standards bei der Aufbereitung und Vorlage von Dokumenten, dann können die Verwalter tendenziell auch höhere Verkaufspreise erzielen.“
Claims: Wie sie entstehen und durchgesetzt werden
Patrick Müller (PwC) geht davon aus, dass die Zahl der Claims weiter steigen wird, insbesondere in den bereits jetzt häufigsten Breaches Tax und Bilanzgarantien. Zu beobachten sei schon jetzt, dass Bieter strenger prüfen und die Financial DD tiefgehender ausgelegt wird. Wenn es dennoch zu einem Claim kommt: „Ein analytischer und finanziell sauber aufgesetzter Claim erhöht die Erfolgsaussichten stark.“ Victor Gontard (Clyde&Co) legte anhand dreier Beispiele dar, wie es zu Breaches und Claims kommen kann. In einem Fall wurden bei einem Carve-out 87% eines Geschäftsbereichs eines Konzerns übernommen, die Overhead-Kosten sanken aber nur um einen Bruchteil dieses Anteils. „Bei solchen und anderen Fällen ist es sehr wichtig, sehr präzise zu formulieren, wer etwas garantiert.“
Trends im M&A-Markt
Während der Runde zu Trends ging es natürlich auch um die Entwicklung der Prämien. „Die Claimsquote wird steigen, das setzt die Prämien unter Druck“ sagte Peter Ratz. Auch Niki Demirbilek geht von steigenden Prämien aus, denn derzeit seien die Policen schlicht nicht auskömmlich. Mirjam Boche erwartet gleichermaßen die Standardisierung als auch Individualisierung des Marktes, was kein Widerspruch sei: „Standardisierung betrifft die Themen KI und vor allem den Smallcap-Bereich, hier geht es um Kostensenkung. Gleichzeitig schreitet die Individualisierung voran, etwa durch die Bereiche Distressed oder Public M&A.“
Tax – ohne das Thema geht es nicht
Ein Summer Forum ohne den Bereich Tax ist nicht vorstellbar. Die Trends: Für Anne-Catherine Lorek werden die Themen zunehmend komplexer, eine Folge der Tatsache, dass auch die finanziellen Strukturen bei den Unternehmen komplexer werden. Patrick Löffler (AIG) sieht starkes Wachstum bei den Tax-Policen, vor allem derzeit in Südeuropa. „Selbst in Italien, wo Steuerpolicen lange Zeit undenkbar waren.“ Uwe Eppler (MHL) beobachtet immer mehr Verfahren, „bei denen die Finanzbehörden bereits involviert sind.“ Für ihn ist bei aller Komplexität noch immer die Versicherbarkeit von Steuerrisiken gegeben, „bessere Qualität der Prüfungsunterlagen wären dabei sehr hilfreich.“
Einig waren sich die Panelteilnehmer, dass die Claims auch in diesem Bereich eher steigen werden, schon weil die Finanzbehörden stärker und intensiver prüfen. Dennoch habe man auch bei den Taxpolicen einen Preisverfall gesehen. Für Lorek ist das untere Ende erreicht: „Wenn so viel Komplexität in den Markt kommt, muss jedem klar sein, dass es in den Tricky-Bereichen nicht unter 2% gehen kann.“
FAZIT
Nicht nur die W&I-Police hat sich etabliert, sondern auch das Summer Forum. Die Planung für die 6. Auflage ist gestartet. Oder wie die Teilnehmer während ihrer Verabschiedung sagten: „Bis zum nächsten Jahr!“
Stefan Preuss
Stefan Preuß arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Redakteur im Kapitalmarktumfeld. Der gelernte Tageszeitungsredakteur sammelte zudem Erfahrung als Investor Relations Manager. Der Redaktion der GoingPublic Media AG gehört er als ständiger Mitarbeiter mit den Schwerpunktthemen IPOs, Vermögensanlage und Nachfolgelösungen an. Er betreut als Redaktionsleiter die jährlichen Spezialausgaben "Mitarbeiterbeteiligung" sowie "M&A Insurance".