„Es mehren sich die Anzeichen für eine Rezession der deutschen Wirtschaft im Sinne eines deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgangs der Wirtschaftsleistung.“ – mit diesem denkwürdigen Satz beginnt der aktuelle Monatsbericht der Deutschen Bundesbank. Begründet wird dies damit, dass die Unsicherheit in Bezug auf die Energieversorgung und deren Kosten nicht nur die gas- und stromintensive Industrie sowie deren Exportgeschäfte und Investitionen beeinträchtigen, sondern auch den privaten Konsum und die davon abhängigen Dienstleister. Für das laufende Quartal wird mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung gerechnet. Für das vierte Quartal des Jahres gehen die Experten der Bundesbank dann davon aus, dass „die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal merklich zurückgeht“. Auch für den Beginn des Jahres 2023 sei damit zu rechnen. Bei der Inflationsrate wird für das Jahresende ein zweistelliger Wert befürchtet. Der Auftragseingang in der Industrie setzte seine seit Jahresbeginn anhaltende Abwärtsbewegung fort. Dabei sanken vor allem die inländischen Aufträge kräftig.
Einzelhandel befürchtet viele Pleiten
Die Energiekosten im Einzelhandel sind seit Jahresbeginn im Durchschnitt um knapp 150% gestiegen. In der Folge sieht mehr als die Hälfte der Handelsunternehmen in Deutschland seine wirtschaftliche Existenz bedroht. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Handelsverbandes Deutschland (HDE) unter 900 Unternehmen aller Standorte, Branchen und Größenklassen. Der HDE fordert deshalb die schnelle Ausweitung der angekündigten Wirtschaftshilfen des Staates auf Handelsunternehmen, die die enormen Energiepreissteigerungen nicht mehr stemmen können. „Viele Handelsunternehmen sehen keinen Ausweg mehr. Einerseits steigen die Energiepreise enorm, andererseits können die meisten die Kosten aufgrund des harten Wettbewerbs nicht einfach an die Kundinnen und Kunden weitergeben“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. So geben in der Umfrage 86% der Befragten an, sie könnten steigende Energiekosten nicht oder nicht vollständig auf die Verbraucherpreise aufschlagen. Wie akut die Lage sei, werde auch dadurch deutlich, dass sich 22% der Handelsunternehmen durch die Energiekosten bereits kurzfristig (in den kommenden zwölf Monaten) in Existenzgefahr sehen. Insgesamt sehe mehr als jeder zweite Händler durch die Preisanstiege bei Energie sein Unternehmen in Gefahr.
Auftragsbestand legt leicht zu
Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat vermeldet, dass sich der Auftragsbestand im Verarbeitenden Gewerbe im Juli 2022 um 0,7% gegenüber dem Vormonat erhöht hat. Im Vergleich zum Vorjahr beträgt der Anstieg sogar 12,6%. Laut Destatis habe der Auftragsbestand des Verarbeitenden Gewerbes damit einen neuen Höchststand seit Beginn der Erfassung im Jahr 2015 erreicht. Begründet werden diese hohen Werte allerdings nicht mit der guten wirtschaftlichen Lage, sondern mit der anhaltenden Knappheit an Vorprodukten und den Problemen beim Abarbeiten der Aufträge. Die Reichweite des Auftragsbestandes liege weiter bei acht Monaten.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.