Brandschutz First Class

Einzigartig: Ein Verfahren zur Beschichtung von Spezialrohren mit wechselndem Außendurchmesser bietet weltweit nur InProCoat an. Foto: © InProCoat Holding GmbH

Jeder Heimwerker kennt das Problem: Wenn ein Bauteil rostet, geht es um mehr als nur Optik. Das Gleiche gilt im größeren Maßstab: Korrosion stellt in vielen Industrie-, Bau- und Infrastrukturbereichen eine große Herausforderung dar. VON LUKAS HENSELEIT

Eines der führenden Unternehmen, die sich dieses Problemfeldes annehmen, ist die InProCoat Holding GmbH aus Kreuztal, die spezielle Beschichtungslösungen anbietet. „Unser Schwerpunkt liegt auf der Brandschutzbeschichtung sowie auf der Beschichtung von tiefseeverlegten Spezialrohren“, so Dr. Jörg Doege, der geschäftsführende Gesellschafter.

Der Trend zur Nachhaltigkeit im Bauwesen erfordert ein Umdenken mit Blick auf das Material: „Nachhaltiges Bauen ist nur mit einem hohen Anteil von Stahl möglich, der im Gegensatz zu Beton zu 100% wiederverwertbar ist“, erläutert Dr. Doege. Allerdings verfügt Stahl nur über eine geringe Feuerfestigkeit. Bei hohen Temperaturen verändern sich seine Eigenschaften und er schmilzt. InProCoat versieht kritische Bauteile mit einer speziellen Beschichtung, die den Stahl selbst bei Temperaturen von bis zu 1.600 Grad für eine gewisse Zeit vom Schmelzen abhalten.

Dr. Jörg Doege, geschäfts-führender Gesellschafter InProCoat Holding GmbH

„In den letzten Jahren haben wir mit dieser Technologie große Bauobjekte, zum Beispiel für einen Sportartikelhersteller in Herzogenaurach oder den weltgrößten Möbelhersteller in Hamburg-Altona, realisiert. Ein weiteres wichtiges Geschäftsfeld ist die Beschichtung von tiefseeverlegten Spezialrohren: Große Öl- und Gaspipelines werden zum Teil in Wassertiefen von bis 3.000 m verlegt, wo enormer Druck und ganz besondere Bedingungen herrschen“, so Dr. Doege. Spezielle Beschichtungen helfen, diesen Stand zu halten. InProCoat ist weltweit der einzige Anbieter eines Verfahrens zur Beschichtung von Spezialrohren mit wechselndem Außendurchmesser – eine typische Herausforderung in der Branche. „Somit sind wir bei allen Großprojekten im Offshore Pipeline-Bereich dabei.“

Fast 100-jährige Firmengeschichte

Die Geschichte beginnt vor 95 Jahren, als sich Malermeister Wilhelm Schneider auf Korrosionsschutz spezialisiert. 1976 wird der heutige Stammsitz von Schneider + Co. in Kreuztal errichtet. Im Rahmen der Unternehmensnachfolge übernimmt 2011 Dr. Doege, der zuvor Unternehmensberater war, das Ruder. Das Eigenkapital für diesen Schritt liefert der Siegerlandfonds. „Unser Ziel war, das Unternehmen zu einem international tätigen Spezialanbieter auszubauen“, skizziert Dr. Doege die Ausgangslage. Auf Basis des Flammspritzverfahrens entwickelt Schneider + Co. ein neues Verfahren zur Drei-Lagen-Polyolefin-Beschichtung, das insbesondere bei Tiefseerohren zum Einsatz kommt.

Die weltweit größte Flammspritzanlage geht 2014 in Betrieb. 2015 wird ein weiteres Werk in Schapen/Emsland eröffnet. 2018 übernimmt Schneider + Co. zwei Beschichtungswerke in Mannheim und Saarlouis, diesmal mit maßgeblicher Unterstützung durch den Mittelstandsfonds der NRW.BANK. 2019 wird das Unternehmen in InProCoat umbenannt, was für „Industrial Protective Coatings“ steht und das internationale Umfeld betont. Trotz des Wachstums ist InProCoat noch sehr familiär geprägt: „Die kulturellen Unterschiede zu einem internationalen Großkonzern können erheblich sein“, warnt Dr. Doege. Diese gelte es zu meistern. Der Markt sei eine Nische, es gebe wenige Wettbewerber.

Der Weg führt weiter

Während heute noch das Projektgeschäft im Vordergrund steht, möchte Dr. Doege künftig das Seriengeschäft stärken, zum Beispiel in der Brandschutzbeschichtung von Batterien für E-Fahrzeuge. „Batteriebrände erreichen Temperaturen von bis 1.200 Grad. Da es sich um eine chemische Reaktion handelt, können sie nicht mit herkömmlichen Maßnahmen gelöscht werden“, so Dr. Doege. Zusammen mit großen deutschen Automobilherstellern befindet sich InProCoat aktuell in der Zulassung für ein System, das die Auswirkungen von Batteriebränden massiv reduzieren soll. Das wäre ein weiterer Schritt hin zu seinem erklärten Ziel: zum europaweiten Innovationsführer von Applikationen im Brandschutzbereich aufzusteigen.

Interview mit Jutta Heitzer: „ Passende Finanzierung für jede gute Idee“

Jutta Heitzer, Direktorin und Senior-Projekt-managerin im Bereich Eigenkapitalfinanzierungen der NRW.BANK

Unternehmeredition: Frau Heitzer, welche Faktoren waren für Ihre Beteiligung am Unternehmen InProCoat entscheidend?
Heitzer: Bei InProCoat haben uns sowohl das Geschäftskonzept als auch das Management überzeugt. Nach dem Einstieg des neuen Geschäftsführers war es dem zuvor eher regional aufgestellten Unternehmen gelungen, mit neuen Produkten auf völlig neue Märkte vorzustoßen. InProCoat überzeugte uns als innovatives Unternehmen, das laufend neue technologische Verfahren entwickelt und eine überzeugende Liste von Referenzen und Großprojekten mit international namhaften Kunden vorzuweisen hat. Die Firma ist zudem in einem Nischengeschäft unterwegs, das gute Margen verspricht. Für ein Investment der NRW.BANK sprach auch, dass InProCoat mehrere Geschäftsfelder gleichzeitig bedient und eine gute Mischung aus großen und kleinen Projekten durchführt.

Die NRW. BANK begleitete das Wachstum von InProCoat über den NRW.BANK.Mittelstandsfonds. Was sind dessen Besonderheiten?
Mit dem Mittelstandsfonds unterstützt die NRW.BANK mittelständische Unternehmen bei klassischen Wachstumsinvestitionen oder auch Investments, die typischerweise bei Unternehmensnachfolgen anfallen. Dabei liegen die Investitionssummen zwischen 1 Mio. und 7 Mio. EUR. Die Mittel fließen wahlweise in Form einer direkten Beteiligung oder als nachrangiges Mezzanine-Kapital. Die zweite Variante ist besonders gefragt. Mezzanine-Kapital stärkt die Eigenkapitalbasis des Unternehmens; dadurch verbessert sich das Rating und damit auch die Bereitschaft der Hausbank, eine Finanzierung bereitzustellen. Viele mittelständische Unternehmen favorisieren Mezzanine-Kapital auch deshalb, weil sie dadurch Zugang zu Eigenkapital erhalten, ohne dafür Firmenanteile abgeben zu müssen.

Kommen die Besonderheiten des Mittelstandsfonds bei InProCoat besonders gut zum Tragen?
InProCoat treibt in hohem Maße technologische Innovationen voran. Mit dem Mittelstandsfonds möchte die NRW.BANK genau solche Unternehmen unterstützen. Das Management von InProCoat verfolgt eine klaren Expansions- und Innovationsstrategie. Um den Anforderungen der internationalen Auftraggeber gerecht werden zu können, muss InProCoat dafür sorgen, dass die Aufträge in gleichbleibend hoher Qualität erfüllt werden. Dafür galt es, in moderne Produktionsanlagen zu investieren. Zudem benötigten die Kreuztaler Forschungsmittel, da sie gerade an neuen Techniken feilten, zum Beispiel für Brandschutzbeschichtungen von Lithium-Ionen-Akkus, und dafür umfangreiche Tests erforderlich waren. Ein Millionenaufwand, den die NRW.BANK über ihren Mittelstandsfonds mit Mezzanine-Kapital unterstützt hat.

Arbeiten Sie mit dem Managementteam zusammen?
Mit InProCoat bestand von Anfang an ein intensiver Austausch, der regelmäßig auch über reine Finanzierungsfragen hinausgeht. Das Management von InProCoat hat uns bestätigt, dass die Mitarbeiter, die bei der NRW.BANK für den Mittelstandsfonds zuständig sind, die Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen sehr gut verstehen und dass diese Expertise ein starkes Kriterium bei der Auswahl des Fonds war. Wir agieren hier als Sparringspartner, ohne uns jedoch als Investor in die Geschäftsführung einzumischen.

Wie sehen Sie InProCoat im aktuellen Marktumfeld positioniert?
InProCoat hat das Ziel, sich als einer der führenden Spezialisten für Oberflächenbeschichtungen in Europa zu positionieren. Die Weichen dafür sind gestellt. Das hat sich auch in der Coronapandemie wieder gezeigt: Als einem Großunternehmen ein Lieferant aus Asien wegbrach, konnte InProCoat kurzfristig und flexibel einspringen. Um Kunden noch schneller und noch zuverlässiger beliefern zu können, hat das Unternehmen in Produktionsanlagen investiert, seine innerbetriebliche Logistik ausgebaut und sein Qualitätsprüflabor mit neuen Geräten ausgestattet. InProCoat hat sich also bestens am Markt positioniert. Unternehmen hierbei zu unterstützen – genau das ist unsere Aufgabe: dass jede gute Idee die passende Finanzierung erhält.

Frau Heitzer, vielen Dank für die interessanten Hintergründe.


Kurzprofil InProCoat Holding GmbH

Branche: Beschichtungslösungen
Firmensitz: Kreuztal
Beschäftigte: 120
Umsatz 2019: 13 Mio. EUR
Investoren: NRW.BANK, Siegerlandfonds
Internet: www.inprocoat.com

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