Eigenkapitalfinanzierungen haben eine immense unternehmerische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz. Dennoch sind sie in Deutschland – einem der attraktivsten Unternehmensstandorte weltweit – noch nicht in befriedigendem Maße zu finden. Woran liegt das?
VON MARKO MASCHEK
Die Eigenkapitalfinanzierungen in Deutschland liegen seit vielen Jahren in einem Dornröschenschlaf. Laut Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) wurden 2018 zirka 200 Neuengagements und rund 500 Folgefinanzierungen im Venture Capital- und etwa 150 Beteiligungen im Private Equity-Bereich getätigt. Das investierte Kapital belief sich auf etwa zehn Mrd. Euro, vergleichbar mit der letzten Rentenerhöhung. Damit ist Deutschland im europäischen wie auch im internationalen Durchschnitt und gemessen an der Größe der Volkswirtschaft seit Jahren eines der Schlusslichter. Dabei ist das Produkt Eigen kapital überaus wichtig und von wirtschaftlicher sowie gesellschaftlicher Relevanz. Man fragt sich: Wie kann die Industrie zum Nutzen der Unternehmenslandschaft in Deutschland aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt werden?
Unterschiedliche Stadien
Um diese Frage zu erhellen, ist es notwendig, einige Aspekte von Eigenkapital darzustellen:
(i) Ein neues Unternehmen entsteht, ein Unternehmer braucht Startkapital, um einen Proof of Concept zu liefern. Hierzu ist Risikokapital in Form von Eigenkapital nötig, andere Finan zierungsformen sind in diesem frühen Stadium nicht geeignet beziehungsweise kaum verfügbar. Weiter in der Evolution:
(ii) Das Unternehmen hat sich im Markt behaupten können, der Unternehmer möchte seine Gesellschaft skalieren und ein nachhaltiges Unternehmen aufbauen. Es ist weiteres Kapital nötig. Fremdkapital ist wieder nicht geeignet, da das Unternehmen noch keinen nachhaltigen Cashflow produziert. Nach Jahren harter Arbeit:
(iii) Der Unternehmer möchte sein Unternehmen im Rahmen einer Nachfolge in die Hände anderer Gesellschafter geben, sei es in der Familie oder an Nichtfamilienmitglieder, die heute schon im Unternehmen operativ tätig sind und dieses übernehmen könnten. Zur Übernahme der Geschäftsanteile ist Kapital nötig, das die Nachfolger nicht aufbringen können. Dazu kommt noch:
(iv) Die digitale Transformation stellt viele Unternehmer vor existenzielle Herausforderungen – Geschäftsmodelle zu digitalisieren und digitale Talente für das Unter nehmen zu gewinnen kostet Geld, viel Geld, und braucht entsprechendes Kapital, darunter auch Eigenkapital.
Zwei diametrale Perspektiven
Aus den vier Beispielsituationen wird deutlich, dass Eigenkapitalfinanzierungen im Unternehmenszyklus eine wesentliche Rolle spielen. Die Manager von Beteiligungsgesellschaften akquirieren Geld bei Kapitalsammelstellen ein und wollen es möglichst rentierlich in Unternehmen über einen mittelfristigen Zeithorizont investieren. Dies bedingt, dass das Unternehmen nach der Beteiligungsperiode mehrheitlich an einen Käufer zum bestmöglichen Preis veräußert wird. Es wird also ein Wettbewerb für den Erwerb in Gang gesetzt. Der Unternehmer, insbesondere der Familienunternehmer, möchte aber das Unternehmen im Familienbesitz behalten, die Leitlinien der Unternehmenspolitik bestimmen können und sieht das Unternehmen als Going Concern für die Ewigkeit. Für ihn sind Unternehmen und Unternehmer ein und dieselbe Sache und deshalb untrennbar miteinander verbunden
Es braucht Beteiligungsmanager, die selbst Unternehmer sind oder einen unternehmerischen Familienhintergrund haben. Denn dann kennen sie aus eigener Erfahrung die Chan cen und Risiken von kleinen Unternehmen und haben Verständnis für die emotionale Verbundenheit von Inhabern zu ihrem Unternehmen.
Über seine eigene Endlichkeit macht sich dieser Unternehmer – aus nachvollziehbaren Gründen – meist wenig Gedanken. Wie können diese diametral unterschiedlichen Positionen unter einen Hut gebracht werden? Wichtig ist, dem Unternehmer zu verdeutlichen, dass eine Beteiligungsgesellschaft aufgrund des eigenen Geschäftsmodells nur Partner auf Zeit sein kann. Deshalb entscheiden sich heute noch viele mittelständische Unternehmen in Deutschland gegen eine Partnerschaft mit einer Beteiligungs gesell schaft. Minderheitskonstruktionen, die das Andienen von Geschäftsanteilen (PutOption) zurück an die Familienunternehmer zum Inhalt haben, sind jedoch nicht geeignet, die Renditeerwartungen von Eigenkapitalfinanciers zu bedienen. Des Weiteren wird das Potenzial, das die Expertise einer Beteiligungsgesellschaft mit sich bringt, häufig unterschätzt – meist, weil die Familienunternehmer in der Regel Entscheidungen ohne Dritte treffen wollen. Damit verpufft das Wertsteigerungspotenzial, das eine Beteiligungsgesellschaft mit seiner Expertise einbringen kann.
Der feine Unterschied liegt im Gesellschafterkreis
Geeignet ist eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmer und Beteiligungsgesellschaft immer dann, wenn der Inhaber sein Unternehmen zwar als Gebilde für die Ewigkeit sieht – auch bezüglich Nachhaltigkeit, Standort und Wachstum –, dies aber unabhängig vom Gesellschafterkreis und vom jeweiligen Management. Für solche Konstellationen sind Beteiligungsgesellschaften gute Partner. Allerdings braucht es Beteiligungsmanager, die selbst Unternehmer sind oder einen unternehmerischen Familienhintergrund ha ben. Denn dann kennen sie aus eigener Erfahrung die Chancen und Risiken von kleinen Unternehmen und haben Verständnis für die emotionale Verbundenheit von Inhabern zu ihrem Unternehmen. Bei der Vertragsgestaltung und -verhandlung kommen dieses Verständnis sowie die eigenen Erfahrungen besonders zum Tragen. Hier ist Empathie und Fingerspitzengefühl gefragt: Solche Verträge sind Neuland für den Unternehmer, und er tut sich naturgemäß schwer damit, Kontrolle abzugeben beziehungsweise anderen Gesellschaftern Mitspracherechte einzuräumen. Haben die Beteiligungsmanager also die entsprechende DNA, sind die Voraussetzungen gegeben, dass die beiden Parteien auf derselben Wellenlänge liegen und die Zusammenarbeit gelingt.
Was moderne Beteiligungsgesellschaften bieten
Operative Erfahrung seitens der Beteiligungsgesellschaft ist ein weiteres Kriterium, auf das ein Unternehmer achten sollte. Zwar sind die meisten Beteiligungsgesellschaften in Deutschland vermögensverwaltend tätig, aber in der täglichen Arbeit mit dem Unternehmer und den Unternehmen macht es einen fundamentalen Unterschied, wenn Beteiligungsmanager in der Vergangenheit selbst als Geschäftsführer vergleichbarer Unternehmen tätig waren. Zunehmend wichtig wird auch die Technologieexpertise der Beteiligungsmanager, besonders im Hinblick auf die anstehende digitale Transformation im Mittelstand. Ein technisch-ingenieurwissenschaftlicher Abschluss ist ein dezidierter Wettbewerbsvorteil. Unternehmenslenker im deutschen (zumindest technologischen) Mittelstand sind oft Techniker und erwarten vom Beteiligungsmanager, dass er die Sprache des Technologen beherrscht. Der Autor dieses Beitrags erinnert sich an eine Zusammenkunft mit einem bekannten Familienunternehmer: ob man das letzte Automodell eines schwäbischen Herstellers fahre, in dem seine Technologie verbaut sei, und was man davon halte.
FAZIT
Beteiligungsgesellschaften sollten sich in der Zukunft so ausrichten, dass sie sowohl operativ als auch technologisch Expertise intern vorhalten. Nur dann werden sie einen Draht zu inhabergeführten Unternehmen finden. Vonseiten der Unternehmer wäre mehr Mut wünschenswert, eine Beteiligungsgesellschaft an Bord zu nehmen, und auch zu erkennen, dass dieser Schritt beim passenden Fit dem Wachstum und der Nachhaltigkeit des eigenen Unternehmens dienen wird.
ZUR PERSON Marko Maschek ist Gründungspartner von Marondo Capital, einer Beteiligungsgesellschaft für wachstumsorientierte mittelständische Technologieunternehmen. Der studierte Elektroingenieur (KIT) stammt aus einem schwäbischen Familienunternehmen und ist seit mehr als 20 Jahren in der Beteiligungsbranche sowie im Mittelstand aktiv.