Die schwierige Konjunkturlage und hohe Energiepreise werden sich nach Einschätzung deutscher Banken spürbar auf die Kreditvergabe auswirken und zu steigenden Kosten für Kreditnehmer führen. So bezeichnen 59% der 120 für die „EY Kreditmarktstudie“ befragten Bankmanager die Wirtschaftslage in Deutschland als schlecht. – nur vier Prozent als gut oder sehr gut. Besonders brisant: 86% halten Kreditausfälle wegen der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingung für wahrscheinlich. Erschwerend würden die hohen Energiepreise hinzukommen, die nach Einschätzung von 67% zu Kreditausfällen führen werden. Vor diesem Hintergrund sinkt laut der Studie der Anteil der Banken, die mehr Kredite vergeben wollen drastisch auf 14%. Rund zwei Drittel der Banken wollen ihre Kreditvergabe herunterfahren.
Kredite werden teurer – und häufiger abgelehnt
Auf die Bankkunden – ob Unternehmen oder Verbraucher – kommen nach den Aussagen der Studie höhere Anforderungen, steigende Kosten und häufigere Ablehnungen von Kreditanträgen zu. Mehr als drei Vierteln der Institute wollen in den nächsten zwölf Monaten höhere Anforderungen an Dokumentation und Sicherheiten bei Krediten stellen. Hoch ist auch der Anteil der Banken, die einen Anstieg der Kreditnebenkosten sehen. „Die hohe Inflation und die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten lassen den finanziellen Spielraum vieler privater Kreditnehmer stark schrumpfen“, berichtet Christoph Roessle, Partner Strategie- und Transaktionsberatung Finanzdienstleistungen bei EY. „Daher sind die Banken dazu übergegangen, höhere Pauschalen für Lebenshaltungskosten bei der Kreditprüfung zugrunde zu legen. Insgesamt wurden die Kreditrichtlinien mit Blick auf die wachsenden Kreditrisiken deutlich restriktiver gestaltet. Das Ergebnis dieser Entwicklung sehen wir bereits auf dem Immobilienmarkt: Der Traum vom Eigenheim rückt für viele Menschen in Deutschland in immer weitere Ferne. Nicht nur weil die Zinsen stark steigen, sondern auch weil höhere Anforderungen an die Finanzsituation der Kreditnehmer gestellt werden.“
Diese Entwicklung werde auch in den kommenden Monaten weiter anhalten und dafür sorgen, dass immer mehr Unternehmen und Verbraucher schwerer an Finanzierungen gelangen werden. „Den Banken bleibt keine andere Wahl, als bei der Kreditvergabe restriktiver vorzugehen. Denn die deutsche Finanzaufsicht schreibt seit dem vergangenen Jahr vor, dass die Kreditinstitute als Vorsorge für mögliche Rückschläge etwa auf dem Immobilienmarkt zusätzliche Kapitalpuffer bilden müssen. Ziel der Regulierung ist es, die Resilienz des deutschen Bankensystems gegen Krisen zu erhöhen“, fährt Roessle fort.
ESG-Kriterien spielen größere Rolle
Die Banken berücksichtigen laut der Kreditmarktstudie bei Unternehmenskrediten zudem zunehmend auch Nachhaltigkeitskriterien. Bei jeder fünften Bank seien ESG-Kriterien nach eigenen Angaben bereits Teil des Kreditvergabeprozesses, bei jeder vierten Bank würden die entsprechenden Prozesse gerade umgesetzt. Der Druck auf die Banken, Nachhaltigkeitsaspekte bei der Kreditvergabe zu berücksichtigen, steigt nach Ansicht der Studienautoren. Viele Institute würden beim Thema Nachhaltigkeit in der Kreditvergabe noch am Anfang stehen. „Der Wille ist da, aber die praktische Implementierung gestaltet sich schwierig – was auch an veralteten IT-Systemen liegt“, so EY-Manager Roessle.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.