Die Ampelkoalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, die Außenprüfung zu modernisieren und zu beschleunigen. Die entsprechenden gesetzlichen Änderungen wurden am 10. November 2022 vom Bundestag beschlossen. Nun steht nur noch die Zustimmung des Bundesrates aus. .
Zahlreiche Unternehmen in Deutschland beklagen eine zu lange Dauer von Außenprüfungen und einen großen zeitlichen Abstand zwischen Prüfung und geprüften Zeiträumen. Die langen Prüfungsdauern führen nicht nur zu einem übermäßigen Personal- und Ressourcenaufwand auf Seiten der Unternehmen und der Finanzverwaltung, sondern stellen auch im internationalen Vergleich einen Standortnachteil für Deutschland dar. Aus den zeitverzögerten Außenprüfungen resultieren im Falle von Steuernachzahlungen hohe Zinsbelastungen. Zudem wird erst nach einem längeren Zeitraum Rechtssicherheit hinsichtlich der geprüften Sachverhalte erlangt, was unternehmerische Entscheidungen für die Zukunft erschwert.
Bereits seit geraumer Zeit sehnt die Praxis eine Modernisierung der Außenprüfung herbei. Nun liegt der Entwurf eines Gesetzes unter anderem zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts vor, kurz DAC 7-Umsetzungsgesetz genannt. Der Gesetzentwurf verfolgt im Hinblick auf die Regelungen für die steuerliche Außenprüfung primär das Ziel, diese früher zu beginnen und schneller abzuschließen. Im Vordergrund soll dabei die Kooperation zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen stehen. Die Regelungen sollen größtenteils erstmals für Besteuerungszeiträume anzuwenden sein, für die nach dem 31. Dezember 2024 eine Außenprüfung begonnen wird.
Schneller zu finalen Steuerbescheiden
Wird eine Außenprüfung begonnen, wird dadurch der Ablauf der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so dass Steuerbescheide entsprechend länger noch geändert werden können. Als zentrales Instrument zur Beschleunigung der Außenprüfung soll nach dem Gesetzentwurf diese Ablaufhemmung auf fünf Jahre begrenzt werden.
Inwiefern die Prüfungshöchstdauer in der Praxis Wirkung entfalten wird, bleibt abzuwarten, da zumindest bei kleinen und mittleren Unternehmen Außenprüfungen auch bislang in aller Regel bereits in weniger als fünf Jahren abgeschlossen werden.
Das Augenmerk kleiner und mittlerer Unternehmen liegt vielmehr darauf, die Außenprüfung zeitlich näher an die geprüften Veranlagungsjahre zu rücken. Dieses Ziel versucht der Gesetzentwurf mit einer im Verfahrensrecht bisher neuartigen Regelung zu erreichen: Für die Ertrag- und Umsatzsteuer soll die Prüfungsanordnung zukünftig bis zum Ablauf des Kalenderjahrs erlassen werden, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem der jeweilige Steuerbescheid wirksam geworden ist. Gibt die Finanzbehörde die Prüfungsanordnung später bekannt, verkürzt sich die Ablaufhemmung.
Kritik: Insgesamt hält der Gesetzgeber jedoch weiterhin am Konzept der nachgelagerten Außenprüfung ausgehend von einer vollständigen und endgültigen Steuererklärung fest. Der Gedanke einer sogenannten begleitenden Kontrolle, wie sie etwa schon in Österreich praktiziert wird, wird hingegen nicht aufgegriffen. Aus Sicht der Praxis könnte sich jedoch dank einer solchen Vorgehensweise der Zeit- und Ressourcenaufwand für die Bearbeitung komplexer Sachverhalte für die Unternehmen deutlich reduzieren, da deren steuerliche Würdigung – ohne das formalisierte Verfahren der verbindlichen Auskunft in Anspruch nehmen zu müssen – bereits mit der Finanzverwaltung vorab geklärt wäre, bevor die Sachverhalte in eine Steuererklärung einfließen. Seitens der Finanzverwaltung würde sich der anschließende Prüfungsaufwand auf die technisch korrekte Umsetzung in den Steuererklärungen begrenzen.
Verbesserung der Kommunikation und Kooperation
Zur Beschleunigung der Außenprüfung beabsichtigt der Gesetzgeber auch eine Verbesserung der Kommunikation und Kooperation zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen.
Zwischen diesen kann nach den Vorgaben des Gesetzentwurfs verbindlich vereinbart werden, im Verlauf der Außenprüfung in regelmäßigen Abständen Gespräche über die festgestellten Sachverhalte und die möglichen steuerlichen Auswirkungen zu führen.
Zudem eröffnet der Gesetzentwurf den Parteien erstmals die Möglichkeit, Rahmenbedingungen für die Mitwirkung des Steuerpflichtigen zu vereinbaren. So können etwa ein Prüfungsplan festgelegt, Prüfungsfelder eingegrenzt oder Fristen für die Beantwortung von Prüferanfragen vereinbart werden.
Macht ein Unternehmen keinen Gebrauch von der Möglichkeit der Vereinbarung von Rahmenbedingungen, sieht der Gesetzentwurf allerdings als neuartiges Instrument zur Durchsetzung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtgen die Einführung eines sogenannten qualifizierten Mitwirkungsverlangens vor. Kommt das Unternehmen der Aufforderung zur Erteilung von Auskünften und Überlassung von Unterlagen nicht innerhalb eines Monats nach, ist ein Mitwirkungsverzögerungsentgelt von 100 EUR für jeden Kalendertag der Mitwirkungsverzögerung festzusetzen. Zudem verlängert sich die Ablaufhemmung in der Außenprüfung um mindestens ein Jahr.
Eine weitere Neuerung sieht vor, dass der Finanzverwaltung bereits mit Erlass der Prüfungsanordnung die Möglichkeit eingeräumt werden soll, Buchführungsunterlagen anzufordern, um auf Grundlage der Unterlagen Prüfungsschwerpunkte zu identifizieren. Im Gegenzug sollen – müssen aber leider nicht – dem geprüften Unternehmen diese Prüfungsschwerpunkte mitgeteilt werden, was allerdings nicht zu einer Einschränkung der Außenprüfung auf bestimmte Sachverhalte führt.
Digitalisierung der Außenprüfung
Unterstützt werden soll die Beschleunigung und Kollaboration innerhalb der Außenprüfung durch die Nutzung digitaler Möglichkeiten. Dazu soll die elektronische Kommunikation vereinfacht werden; etwa soll die Schlussbesprechung zukünftig digital abgehalten und der Prüfungsbericht in elektronischer Form vorgelegt werden können. Allerdings liegt es allein im Ermessen der Finanzverwaltung, ob hiervon Gebrauch gemacht wird. Dem Steuerpflichtigen wird keine Möglichkeit eingeräumt, die elektronische Form verbindlich zu beantragen, sodass fraglich ist, inwiefern die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten flächendeckend zum Einsatz kommen werden.
Im Rahmen der Außenprüfung darf die Finanzverwaltung bereits seit 2001 auf alle aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Unterlagen, die mit einem Datenverarbeitungssystem erstellt und elektronisch gespeichert wurden, zugreifen. In der Praxis beschränkt sich der Datenzugriff bei mittelständischen Unternehmen bislang weitgehend auf den sogenannten Z3-Datenzugriff, also auf den Austausch maschinell verwertbarer Datenträger. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung werden im Wirtschaftsleben aktuell Daten aber weitgehend bereits über Onlinespeicher oder Clouddienste ausgetauscht. Dieser Realität soll nun gesetzgeberisch klarstellend Rechnung getragen und der Datenaustausch in Betriebsprüfungen flexibel ermöglicht werden.
Zudem soll das BMF ermächtigt werden, einheitliche digitale Schnittstellen und Datensatzbeschreibungen für den standardisierten Export von Daten zu bestimmen. Dabei wird eine faktische Verpflichtung zur Nutzung der Schnittstellen eingeführt, da andernfalls Nachteile drohen.
Kritik: Aus praktischer Sicht sollte auf einen bundeseinheitlichen Datenbereitstellungs- bzw. Datentransferweg hingewirkt und Plattformen zur Verfügung gestellt werden, die außerdem die Möglichkeit bieten, kollaboratives Arbeiten, etwa in Form von Workflows für die Bearbeitung der Prüferanfragen und die zugehörige Fristenüberwachung, zu organisieren.
Steigende Bedeutung von Tax Compliance Management Systemen
Setzen Unternehmen innerbetriebliche Kontrollsysteme bzw. Tax Compliance Management Systeme ein, beschränkt sich deren verfahrensrechtliche Berücksichtigung derzeit auf eine mögliche strafrechtliche Entlastung der Verantwortlichen bei etwaigen steuerrechtlichen Verstößen. Gleichzeitig kann das Tax Compliance Management System bereits nach geltender Rechtslage Gegenstand der Außenprüfung sein und es können auf dieser Grundlage Prüfungsschwerpunkte gebildet werden.
Im Rahmen der Erprobung alternativer Prüfungsmethoden im Zeitraum 2023 bis 2029 soll die rechtliche Wirkung eines Tax Compliance Management Systems deutlich ausgeweitet werden. Wird die Wirksamkeit eines solchen Systems im Rahmen einer Außenprüfung bestätigt, hat die Finanzverwaltung nun die Möglichkeit, dem Steuerpflichtigen für eine nachfolgende Außenprüfung eine angemessene Beschränkung der Ermittlungsmaßnahmen zuzusagen. Die Zusage der Erleichterungen soll nur auf Antrag erteilt werden und steht unter dem Vorbehalt des Widerrufs.
Hinweis: Aufgrund der kurzen Erprobungsphase ist davon auszugehen, dass insbesondere Unternehmen, die bereits ein Tax Compliance Management System implementiert haben, in den Genuss der Erleichterungen kommen können, da die Überprüfung des Tax Compliance Management Systems frühestens in einer ab 1. Januar 2023 beginnenden Außenprüfung erfolgen kann und die Erleichterungen für die sich anschließende Außenprüfung zugesagt werden können. Unternehmen, die aktuell die Einführung eines solchen Systems prüfen, sollten hier die Entwicklungen im Auge behalten, ob sie gegebenenfalls noch in den Genuss dieser alternativen Prüfmethode kommen können.
Fazit
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll durch Änderungen der verfahrensrechtlichen Vorgaben einerseits und einer Verbesserung der Kommunikation und des Informationsflusses zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen andererseits die Außenprüfung schneller und moderner werden.
Diese Ziele stehen durchaus im Einklang mit den Anforderungen auf Unternehmensseite, weshalb die angestrebten Änderungen von Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und der Beraterschaft in ihren Grundzügen befürwortet werden.
Allerdings bleibt die konkrete Ausgestaltung der Regelungen teilweise hinter den Erwartungen der Praxis zurück. Insbesondere wären aus Sicht kleiner und mittlerer Unternehmen ein größenunabhängiges Antragsrecht für eine zeitnahe Außenprüfung und eine weitere Verkürzung der Festsetzungsfristen wünschenswert.
Bemängelt wird zudem, dass die angestrebte kooperative Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung auf Augenhöhe durch Verschärfungen konterkariert wird, die der Bildung einer Vertrauensbasis für eine solche neue Zusammenarbeit widersprechen. Wünschenswert wäre hier mehr Mut des Gesetzgebers zur Veränderung –nicht zuletzt des „Mindsets“ im Verhältnis zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen.
Alexander Bohn
Dr. Alexander Bohn ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner bei Ebner Stolz in Köln. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der steuerrechtlichen Beratung mittelständischer Unternehmensgruppen. Ein besonderer Schwerpunkt ist dabei die steuerliche Gestaltungs- und Strukturierungsberatung, insbesondere von Personengesellschaften und im internationalen Steuerrecht sowie die steuerliche Transaktionsberatung. Darüber hinaus begleitet er Betriebsprüfungen und führt Rechtsbehelfe sowie Klage- und Revisionsverfahren. Seit 2015 ist Dr. Bohn Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln mit einer Vorlesung zur Besteuerung von Familienunternehmen.