Mit Zukäufen und Beteiligungen wächst die Niedax Group aus Rheinland-Pfalz kontinuierlich im In- und Ausland – in diesem Jahr erstmalig auf einen Umsatz in Milliardenhöhe. Dennoch bleibt das Unternehmen weiter fest in Familienhand.
Bayer 04 Leverkusen, Borussia Dortmund, 1. FC Köln: Für so manchen Azubi bei der Niedax Group sind die Fußballklubs eine gehörige zusätzliche Motivation, in der täglichen Arbeit kreativ und engagiert zur Sache zu gehen, winkt doch als Belohnung, einen Spieltag in der ersten und zweiten Bundesliga in einer VIP-Loge zu verfolgen, die der geschäftsführende Gesellschafter Bruno Reufels dort angemietet hat. „Im Zuge des Wandels im Unternehmen passen wir auch die Ausbildungsbedingungen an ein modernes Arbeitsumfeld an, um für Nachwuchskräfte interessant zu bleiben. Neben der fairen tariflichen Bezahlung bieten wir jedem Auszubildenden zwei Logentickets für ein Bundesligaspiel an. Dadurch können wir als Arbeitgeber einmalige Erlebnisse schaffen und das Fußballerlebnis bewegt unsere Azubis hoffentlich noch stärker dazu, bei uns zu bleiben“, schildert Reufels seinen Coup in der Förderung des hauseigenen Nachwuchses. Klassisch geht es auch: als Trikotsponsor beim örtlichen Fußballklub VfB Linz, der gerade den Aufstieg aus der siebten in die sechste Liga geschafft hat.
Erfinder des Kunststoffdübels
Ungewöhnliches zu tun liegt in der DNA des Familienunternehmens. Zu Beginn der 1920er-Jahre gründeten die Ingenieure Fritz Niedergesäß und Fritz Axthelm in Berlin die Niedergesäß & Co OHG. Die Elektroindustrie benötigte Befestigungs- und Verlegematerial. Aus den Anfangsbuchstaben der beiden Firmengründer wurde das Kürzel „Niedax“ als Warenzeichen eingetragen. 1928 wurde nach einer Idee von Axthelm der Niedax-Hülsenspreizdübel patentiert – die Geburtsstunde des Kunststoffdübels. 1949 flüchteten die damaligen Inhaber nach der Zwangsenteignung an den Rhein, 1955 kam es zur Neugründung des Betriebs in Linz am Rhein. Ab den 1970er-Jahren begann man mit der seriellen Produktion von Kabelrinnen. Es war der Beginn des Wandels von der Werkstatt hin zu einem Mittelständler mit industrieller Fertigung. Bis heute befindet sich die Gruppe zu 100% in Familienbesitz; die Nachfahren der Gründerfamilie sind die Gesellschafter.
Seit 1995 konsequent auf Internationalisierungskurs
Als weiteren Meilenstein in der Entwicklung des Familienunternehmens betrachtet Reufels den 1995 eingeschlagenen Internationalisierungskurs. Mit der seither verfolgten Buy-and-Build-Strategie gelang ein außergewöhnlich intensives Wachstum. Als Hersteller von Kabeltragsystemen wurde Niedax zu einem der führenden Mittelständler mit Produkten und Lösungen rund um Kabelverlegetechnik für Industrieanlagen, Rohrkomplexe, Kraftwerke und Sportarenen. Die Hamburger Elbphilharmonie und der Gotthard-Basistunnel wurden mit Kabeltragsystemen von Niedax ausgestattet. Inzwischen gehören zur Unternehmensgruppe 67 Vertriebsgesellschaften in über 30 Ländern sowie weltweit 23 Produktionsstandorte. Das Produktportfolio umfasst 50.000 Artikel aus dem Bereich der Elektroinstallation. „Wir sind dabei oft antizyklisch vorgegangen – die größten Akquisitionen haben wir während der Finanzkrise und auch in der Coronapandemie getätigt“, sagt Reufels und ergänzt: „Trotz aller Maßnahmen und weltwirtschaftlichen Veränderungen haben wir weiter an das internationale Wachstum in unserer Branche geglaubt. Um die Lieferkettenproblematik zu umgehen, haben wir beispielsweise zwei Stahl-Service-Center gekauft, das zweite während der Coronapandemie. Durch diesen Schachzug waren wir jederzeit lieferfähig, das spricht sich im Markt herum.“ Das schafft den finanziellen Freiraum für Akquisitionen. 2021 lag der Unternehmensgewinn nach Berechnungen bei rund 100 Mio. EUR.
Nachhaltiges Produktsortiment durch grünen Stahl
Neben dem Kerngeschäft Kabelverlegesysteme und der Distribution sind die Stahl-Service-Center die dritte strategische Säule im Unternehmen. Der dort veredelte Stahl wird einerseits für die eigenen Produkte genutzt, andererseits beliefert man auch produzierende Unternehmen aus der Automobilindustrie. Seit einem Jahr bezieht und verarbeitet Niedax zertifizierten, CO2-reduzierten Stahl von großen Stahlproduzenten. „Damit bieten wir als erster Kabelverlegehersteller ein grünes Produktsortiment an und können damit die Kabelmanagementsysteme für große Infrastrukturprojekte mit einer deutlich günstigeren Klimabilanz herstellen. Die Einsparungen aus diesen Projekten können wir über den von den Herstellern gelieferten Stahl an unsere Kunden weitergeben, die nach umweltfreundlicheren Lösungen für ihre Produkte suchen“, so Reufels.
Strategische Beteiligung am Glasfaserausbau
Die Zukunft seines Unternehmens sieht der CEO auch in der flächendeckenden Digitalisierung, wozu hochmoderne Datenzentren und Chipfabriken zählen. Hierfür sind in den auf Datenzentren spezialisierten Produktionsstätten in Deutschland, Frankreich und England bereits entsprechende Produkte entwickelt wurden. Doch auch in Deutschland wollen Reufels und sein Team die Digitalisierung vorantreiben – und haben sich vor wenigen Tagen im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit 10% an dem Projektentwicklungsspezialisten Giga Fiber beteiligt.
Giga Fiber will auf einer Strecke von 33.000 Kilometern ein hochleistungsfähiges und resilientes Glasfasernetz entlang von Schienen und sonstigen Verkehrswegen ausbauen (siehe auch Unternehmeredition 1/2024), was erforderlich ist, um die für die Digitalisierung erforderlichen Datenmengen in Echtzeit übertragen zu können. „Wir ergänzen uns auf ideale Weise. Wir haben damit nicht nur einen Innovationsführer für Kabelverlegetechnik als Generalunternehmer an Bord, sondern haben auch einen finanzstarken strategischen Gesellschafter gewonnen. Die Niedax Group war unser Wunschpartner“, freut sich Giga-Fiber-Gründer Lars Diebold, der ebenfalls, idealerweise bereits im Jahr 2025, mit der Verlegung von 6.500 Kilometern Glasfaser und dem Bau von 3.250 Funkmasten einen Umsatz von 1 Mrd. EUR erreichen will.
Reufels sieht vor allem sein Ziel vor Augen, die erste Umsatzmilliarde bis Ende des Jahres 2024 deutlich zu übertreffen. „Dazu wird auch die neue Partnerschaft einen Beitrag leisten.“ Doch ungeachtet dessen hat er bereits wenige Tage nach der Unterzeichnung der Partnerschaft mit Giga Fiber eine weitere Akquisition getätigt. Mit der italienischen Spina Group hat Niedax einen der führenden italienischen Hersteller von Kabelverlegesystemen mit über 100 Mitarbeitern übernommen. Das Portfolio der beiden Unternehmen ist ähnlich. So erhofft sich Niedax gemeinsame Wachstumsmöglichkeiten – und hat ganz nebenher auf dem Weg zur ersten Umsatzmilliarde seine Präsenz in Italien weiter gestärkt.
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KURZPROFIL Niedax Group
Niedax Group
Gründungsjahr: 1920
Branche: Elektrotechnik
Firmensitz: Linz am Rhein
Mitarbeiter: 2.600
Umsatz 2023: 980 Mio. EUR
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„Dank des Inflation Reduction Act eröffnen sich gute Investitionsmöglichkeiten“
Interview mit Bruno Reufels, CEO, Niedax Group
Unternehmeredition: Herr Reufels, Sie wollen bis Ende des Jahres die Umsatzmilliarde deutlich übertreffen. Wo sehen Sie die Wachstumschancen?
Bruno Reufels: Aktuell liegt unser Fokus neben West- und Osteuropa auf dem nordamerikanischen Markt. Dank dem Inflation Reduction Act – dem milliardenschweren Investitionsprogramm der USA – eröffnen sich dort gute Investitionsmöglichkeiten. Gerade erst haben wir gemeinsam mit ABB eine Vereinbarung zur Gründung eines neuen Joint Venture getroffen.
Wie finanzieren Sie Ihre Akquisitionen?
Das bisherige Wachstum wurde hauptsächlich aus Eigenmitteln und außerdem aus Bankverbindungen finanziert. Dabei arbeiten wir nicht mit einem unkalkulierbaren finanziellen Risiko, sondern investieren strategisch mit Bedacht und Weitsicht. Dazu gehören auch Akquisitionen, für die es Mut braucht, auch wenn wir danach erst einmal in einen Integrationsprozess müssen und dafür entsprechend mehr Ressourcen benötigen. Aber der wirtschaftliche Erfolg gibt uns recht: 2021 lag der Außenumsatz unserer Unternehmensgruppe noch bei 550 Mio. EUR – im Jahr darauf bei rund 800 Mio. EUR. Damit haben wir sowohl national als auch international ein Wachstum im zweistelligen Bereich erreicht.
Welche weiteren Pläne verfolgt Niedax in der Zukunft?
Zukünftig werden wir weitere Teile der Wertschöpfungskette ins eigene Haus holen. Schon jetzt können wir alles aus einer Hand anbieten – von der Planung und dem Design über die Produktion und Veredlung bis hin zur Montage. Zudem haben wir weltweit große Produktions- und Lagerkapazitäten und können damit unsere Lieferketten verkürzen. Seit 2021 treibt eine eigene Unternehmensabteilung die digitale Transformation an. Dort werden neue Technologien und innovative Tools geprüft und eingeführt, um Arbeitsprozesse in Produktion und Verwaltung effizienter zu gestalten.
Herr Reufels, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Dieser Beitrag ist in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 2/2024 mit Schwerpunkt “Unternehmensfinanzierung” erschienen.
Torsten Holler
Der Wirtschaftsjournalist Torsten Holler schreibt seit 1987 regelmäßig für renommierte Wirtschaftsmedien über verschiedenste Themen.