Der aktuelle Insolvenzreport der Unternehmensberatung Falkensteg sieht eine leichte Entspannung bei den Großinsolvenzen in Deutschland. Trotz eines minimalen Rückgangs im Vergleich zum Vorquartal bleibt die Zahl der Insolvenzen auf einem besorgniserregend hohen Niveau. Im zweiten Quartal 2024 meldeten 43 Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 20 Mio. EUR Insolvenz an. Diese Zahl den Fünfjahresdurchschnitt von 35 Insolvenzen deutlich. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stiegen die Insolvenzanträge sogar um zehn Prozent.
Jonas Eckhardt, Partner bei Falkensteg und Studienautor, weist darauf hin, dass die leichte Entspannung lediglich eine kurzfristige Verschnaufpause darstellt. „Die Gesamtlage deutet auf einen weiteren Anstieg der Insolvenzen hin“, warnt Eckhardt. Als Haupttreiber dieser Entwicklung nennt er die anhaltende Konjunkturschwäche, hohe Zinsen bei Firmenkrediten sowie zunehmende Zahlungsprobleme von Kunden. Besonders betroffen im zweiten Quartal seien die Automobilzulieferer, der Einzelhandel, Modeunternehmen und die Baubranche.
Prognose: Zunahme der Firmenpleiten
Die Halbjahreszahlen werfen einen düsteren Schatten auf die wirtschaftliche Lage in Deutschland. Mit insgesamt 87 Großinsolvenzen in den ersten sechs Monaten 2024 liege die Zahl um ein Drittel über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Einzig das erste Corona-Jahr 2020 verzeichnete mit 110 Insolvenzanträgen noch mehr Fälle im gleichen Zeitraum. „Das zweite Halbjahr verspricht einen Sturm von Firmenpleiten“, prognostiziert Eckhardt. Er verweist darauf, dass die zweite Jahreshälfte traditionell höhere Fallzahlen aufweist. Die wirtschaftliche Flaute zeige sich auch auf dem Arbeitsmarkt. Im Sommer 2024 stiegen die Arbeitslosenzahlen ungewöhnlich stark an, während die Zahl der gemeldeten Stellen rückläufig ist. Allein durch die Insolvenzen der 87 Unternehmen im ersten Halbjahr seien über 64.100 Arbeitsplätze bedroht. „Die Rettung von Unternehmen aus der Insolvenz gestaltet sich zunehmend komplexer“, erklärt Eckhardt. Die hohen Zinsen machen den Erwerb insolventer Firmen teurer und unattraktiver, während unsichere Umsätze potenzielle Investoren abschrecken.
Wirtschaftliche Unsicherheiten belasten
Jürgen Matthes, Leiter der internationalen Wirtschaftspolitik am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, beschreibt die aktuelle Stimmung unter den Unternehmern als so schlecht wie seit langem nicht mehr. Er sieht einen „toxischen Mix“ aus steigenden Energie- und Verbraucherpreisen, einem weltweiten Nachfrageeinbruch und nationalen Problemen wie hohen Arbeitskosten und einer enormen Bürokratie- und Steuerlast. Hinzu kämen internationale Risikofaktoren wie unzuverlässige Lieferketten, ein möglicher Taiwan-Konflikt und die Unsicherheiten einer möglichen Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus, die die Exporteure erheblich treffen könnten. Trotz der angespannten Lage zögerten viele Unternehmen beim Abbau von Risiken. Laut einer Umfrage des IW haben zahlreiche Firmen keine Pläne, ihre Abhängigkeit von China zu reduzieren. Matthes sieht hier Handlungsbedarf seitens des Staates: „Der Staat müsse dort eingreifen, wo der Markt versagt oder die Anreize falsch gesetzt sind, damit Unternehmen neue Handelswege gehen können.”
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.