Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland steigen in der aktuellen Umfrage vom November 2021 um 9,4 Punkte auf einen neuen Wert von 31,7. Dies ist der erste Anstieg des Indikators seit Mai. Mit dieser auch von Experten unerwarteten und erfreulichen Nachricht beginnen wir die Übersicht über aktuelle Wirtschaftsprognosen.
Das ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim hat in seinem aktuellen Bericht aber auch eine schlechte Nachricht parat: Die Einschätzung der konjunkturellen Lage für Deutschland verschlechtere sich in der aktuellen Umfrage erneut. Der Wert des Lageindikators fällt um 9,1 Punkte und liegt damit bei 12,5 Punkten. „Die Finanzmarktexperten blicken optimistischer auf die nächsten sechs Monate. Der erneute Rückgang der Lageeinschätzung zeigt jedoch, dass man für das aktuelle Quartal davon ausgehen kann, dass die Lieferengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten sowie die hohe Inflationsrate die konjunkturelle Entwicklung belasten werden. Für das erste Quartal 2022 gehen wir von einer Wachstumserholung und einem Rückgang der Inflationsrate in Deutschland und im Eurogebiet aus“, kommentiert ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, die aktuellen Erwartungen. Basis der monatlichen ZEW-Konjunkturerwartungen sind Befragungen von knapp 200 Analysten und Anlegern.
Stimmung im Mittelstand stabilisiert sich
Nach drei Rückgängen in den Vormonaten steigt das mittelständische Geschäftsklima im Oktober 2021 erstmals wieder an. Das aktuelle KfW-ifo-Mittelstandsbarometer zeigt einen Anstieg um 1,0 Zähler auf nun 6,6 Saldenpunkte. Als Grund werden die verbesserten Lageurteile sowie geringfügig optimistischere Erwartungen der kleinen und mittleren Unternehmen genannt. Die Geschäftserwartungen verbesserten sich ebenfalls wie auch die Geschäftslageurteile. Deutlich schlechter als im Mittelstand entwickelte sich laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Oktober das Geschäftsklima der Großunternehmen mit einem Rückgang von fast drei Punkten. Dabei geht ihre Geschäftslage ein stückweit zurück. Vor allem seien die Geschäftserwartungen deutlich pessimistischer, auch aufgrund der anhaltenden Material- und Lieferengpässe. “Das derzeit stabile Geschäftsklima im Mittelstand bietet einen kleinen Lichtblick im Vergleich zu den sonst eher trüben Konjunkturaussichten zu Beginn des Herbstquartals”, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. Sie fährt fort: „Auch wenn Materialien und Vorprodukte voraussichtlich noch für längere Zeit knapp bleiben, kann aber jede Verbesserung der Versorgungslage für Wachstum sorgen. Nach einer Konjunkturdelle im Winterhalbjahr rechne ich im Verlauf von 2022 mit einem neuen Wachstumsschub, sobald die angebotsseitigen Verwerfungen abebben.”
Weiter keine Insolvenzwelle in Sicht
Nach historischen Tiefstständen ist die Anzahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften im Oktober nur leicht gestiegen. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erklärt im aktuellen IWH-Insolvenztrend zudem, dass die Zahl der betroffenen Jobs ungewöhnlich gering war. Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften lag laut IWH-Insolvenztrend im Oktober bei 625. Damit stiegen die Zahlen gegenüber dem Allzeittief der Vormonate zwar um 10% an, sie liegen aber noch immer um 14% unter den bereits sehr niedrigen Werten aus dem Vorjahresmonat. „Unsere Frühindikatoren lassen allenfalls einen leichten Anstieg bei den Unternehmensinsolvenzen bis Ende des Jahres erwarten“, so Steffen Müller, der am IWH die Abteilung Strukturwandel und Produktivität und die dort angesiedelte Insolvenzforschung leitet.
Kurzarbeit in der Industrie steigt
Die Zahl der Kurzarbeitenden in Deutschland ist im Oktober gesunken auf 504.000 von 580.000 im Vormonat. Gegen den Trend stieg aber die Kurzarbeit in der Industrie. Das schätzt das Münchener ifo Institut aufgrund seiner Umfragen und der Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. In der Industrie wuchs die Zahl der Kurzarbeitenden um 20.000 auf 226.000 Beschäftigte (3,3 Prozent). „Der Engpass bei den Vorprodukten würgt die Produktion regelrecht ab. Beim gegenwärtigen Auftragsbestand dürften eigentlich höchstens 10.000 Beschäftigte in der Industrie in Kurzarbeit sein“, sagt Timo Wollmershäuser, der Leiter der ifo-Konjunkturprognosen. Vor der Corona-Pandemie lag die Zahl der Kurzarbeitenden im Februar 2020 bei 134.000, im März 2020 sprang sie auf 2,6 Millionen und im April erreichte sie einen Rekordwert von 6 Millionen. Das sei, so das ifo-Institut in einer Mitteilung eine einzigartige Entwicklung in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands.
Handel erwartet klingelnde Kassen an Weihnachten
Für das anstehende Weihnachtsgeschäft rechnet der Handelsverband Deutschland (HDE) mit einem Umsatzplus von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit lägen die Umsätze in den Monaten November und Dezember dieses Jahres bei rund 112 Mrd. EUR. „Die letzten beiden Monate sind nach den Corona-Lockdowns im ersten Halbjahr für viele Händler wichtiger als je zuvor. Traditionell machen klassische Geschenkebranchen wie der Spielwarenhandel mehr als ein Fünftel ihres Jahresumsatzes im November und im Dezember“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Die aktuelle HDE-Umfrage unter 450 Unternehmen aller Branchen, Größenklassen und Standorten zeige, dass 45% der Händler Umsatzsteigerungen im Vergleich zum Vorjahr erwarten. „Die hohen Sparguthaben und die gute Verbraucherstimmung stellen die Weichen für einen versöhnlichen Jahresausklang nach einem für viele Händler mit den Lockdowns existenzbedrohendem ersten Halbjahr“, so Genth weiter. Als mögliche Negativfaktoren sieht der HDE die bei einzelnen Produkten auftretenden Lieferschwierigkeiten sowie die steigende Inflation. Beides seien aber wohl kurzfristige Probleme, die lediglich vorübergehend Bestand haben dürften.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.