Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr verging praktisch kein Monat, in dem nicht von einer Landesregierung oder einem Bundesministerium eine neue Corona-Hilfe angekündigt oder ein bestehendes Programm angepasst wurde. Und praktisch mit dem ersten Tag gab es auch Kritik an diesen Hilfsprogrammen. Mal klemmte die Software, dann wurde die Auswahl der Branchen kritisiert und bei einigen aufgesetzten Programmen haperte es bei der Umsetzung.
Spätestens seit Ende 2020 hat vor allem die Kritik an der schleppenden Auszahlung von „Soforthilfen“ an Schärfe zugenommen. Was als unkonventionelle und schnelle Unterstützung für geschlossene Betriebe gedacht war, kommt bisher als Rinnsal auf den Konten der Betroffenen an. Nun gibt es ein Problem mit der Überbrückungshilfe II und III: Einen Monat nach Verkündung der Programme für die Corona-Hilfe stellt sich plötzlich heraus, dass sich die Bedingungen für die Inanspruchnahme geändert haben. „Das kam für viele Kollegen sehr überraschend. Auch wenn die beihilferechtlichen Regelungen grundsätzlich von Anfang an galten, wurde hierüber nicht ausreichend informiert“, erklärt Patrick Huhn, Partner bei Ebner Stolz.
Plötzlich veränderte Kriterien
Was war passiert? Bei der Verkündung des ersten Hilfsprogramms hatten die beiden Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen erklärt, dass – vereinfacht gesagt – Unternehmen, die von Schließungen betroffen sind, entgangene Umsätze zu einem erheblichen Teil erstattet werden sollen. Besonders im Fokus dieser Überbrückungshilfe waren Betriebe aus den Sektoren Hotellerie, Gastronomie, Events und Konzerte sowie Messen. Gut einen Monat später veröffentlichte das Finanzministerium eine Fragen- und Antwort-Liste (FAQ) und plötzlich war davon die Rede, dass diese staatlichen Hilfen aus der Überbrückungshilfe nur für „ungedeckte Fixkosten“ gelten – also für Kosten, die ein Unternehmen nicht mit seinen noch vorhandenen Geldern decken kann. „Dies bedeutet ganz konkret, dass im Rahmen der Überbrückungshilfe II und III im beihilfefähigen Zeitraum ein Verlust vorliegen muss, wenn sie sich allein auf die Bundesregelung Fixkostenhilfe stützt“, sagt Huhn. Mittlerweile wurde klargestellt, dass auch die Bundesregelung Kleinbeihilfen und die De-Minimis-Verordnung für die Überbrückungshilfe III genutzt werden kann. Somit können nach einer erneuten Erhöhung der beihilferechtlichen Grenzen bis zu 1,8 Mio. EUR an Fördergeldern ohne Verluste erhalten werden.
Verständliche Verärgerung bei Unternehmern
Diese für viele unerwartete Entwicklung in einer Phase, in der bereits viele Anträge auf Corona-Hilfe bearbeitet und gestellt wurden, habe bei den Verantwortlichen zu Verärgerung geführt. Ursprünglich hätten sich viele Berater bei ihren Analysen für die Antragsteller auf die Ermittlung der Umsatzrückgänge konzentriert. Das zusätzliche Kriterium eines Verlustes kommt erst jetzt in den Fokus und verursacht damit zusätzliche Arbeit und auch entsprechende Kosten. Den zeitlichen Aufwand für die Erstellung eines Antrages auf Überbrückungshilfe bei einem kleinen Betrieb beziffert Huhn mit mindestens sechs bis sieben Stunden. Hinzu wird weiterer Aufwand im Rahmen der Erstellung der Schlussrechnung kommen.
Schon seit der ersten Ankündigung des Überbrückungshilfe-Programms stellte Ebner Stolz eine interne Task-Force auf, die die aktuellen Regelungen analysiert und dann eine einheitliche Beratung der Kunden bundesweit sicherstellt. Der Fokus bei Ebner Stolz liegt bei den Programmen zur Corona-Hilfe auf der Überbrückungshilfe III und der November- bzw. Dezemberhilfe Plus, da diese auch für größere Betriebe greift. „In Bezug auf die November- bzw. Dezemberhilfe Plus ist aktuell ein Zuschuss in Höhe von bis zu 12 Mio. EUR möglich, da sich diese neben der Bundesregelung Kleinbeihilfen (max. 1,8 Mio.EUR) und der De-Minimis-Verordnung (0,2 Mio EUR) noch auf die Bundesregelung Fixkostenhilfe (max. 10,0 Mio. EUR) stützt“, erläutert Huhn weiter. Von dem gleichen Höchstbetrag wird für die Überbrückungshilfe III ausgegangen.
Abgerechnet wird zum Schluss
Die Vielzahl von Hilfsprogrammen von Soforthilfe über KfW-Kredite und Wirtschaftsstabilisierungsfonds bis zu Novemberhilfe sowie den Überbrückungshilfen stellt Betriebe und Steuerberater vor große Aufgaben. Ein weiterer Faktor sind dabei die Beihilferichtlinien der Europäischen Union. „Zu beachten ist, dass sich die aus den jeweiligen Beihilferegelungen ergebenen Höchstbeträge jeweils nur einmal genutzt werden können“, erklärt Huhn. Nicht nur der Höchstbetrag ist zu beachten – in der Vergangenheit bekamen Unternehmen bereits Probleme, wenn sie mehrere Hilfsprogramme in Anspruch nehmen wollten.
Aus diesem Grund rät Huhn zu Geduld bei der Beantragung von Hilfen, da sich bereits einige Male erst im weiteren Verlauf mögliche Probleme abgezeichnet haben. Die FAQs für die Überbrückungshilfe III liegen bis heute noch nicht vor – auch hier könnten im „Kleingedruckten“ noch Fallen versteckt sein. Wenn sich bei der Erstellung des Jahresabschlusses nachträglich herausstellt, dass Förderrichtlinien nicht erfüllt wurden, dann drohen Unternehmen im schlimmsten Falle Rückforderungen des Staates. „Die staatlichen Gelder sollte man – wenn möglich – nicht frühzeitig ausgeben, denn viele Dinge sind immer noch im Fluss“, erklärt Huhn.
Programme haben gut geholfen
Bei aller Kritik an der handwerklichen Umsetzung der verschiedenen Unterstützungsleistung durch den Bund ist Steuerexperte Huhn mit den Angeboten grundsätzlich zufrieden. Gerade das Instrument der Kurzarbeit sei für viele Betriebe eine große Hilfe gewesen. Beispielsweise können Filialisten durch die Ausschöpfung der Kurzarbeit und der Überbrückungshilfe III eine sehr hilfreiche staatliche Unterstützung erhalten. Das gelte auch für größere Gastronomie-Betriebe oder Reiseunternehmen. Nach der substanziellen Erhöhung der beihilferechtlichen Grenzen kann diese Unterstützung nun auch bei größeren Mittelständlern ankommen. Die davor gültigen Grenzen seien gerade bei größeren Mandanten „nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“ gewesen und hätten zu einer massiven Insolvenzwelle geführt.
Als problematisch sieht Huhn die Kommunikation im Umfeld der Hilfspakete. Hier erfuhr der Berater teilweise von Änderungen in den Förderbedingungen durch den mit Lobbyisten im Austausch stehenden Mandanten deutlich bevor sich die zuständigen Ministerien äußerten. Hier wäre mehr Sorgfalt und weniger Eile für alle Beteiligten sinnvoll gewesen. Die aktuelle Situation sei für viele Unternehmen absolut existenzbedrohend, hier führe das Wechselbad zwischen der Hoffnung auf Hilfen und der Enttäuschung infolge permanent geänderter Anforderungen schnell zur Resignation und vorzeitiger Geschäftsaufgabe.
Anmerkung: Die Informationen des Artikels haben bezüglich der Programme für die Corona-Hilfen den Stand vom 3. Februar 2020.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.