2012 wurde das Insolvenzrecht durch das so genannte Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in Anlehnung an das US-amerikanische Chapter-11-Verfahren geändert. Unternehmenslenker haben nun mehr Möglichkeiten, eine wirtschaftliche Krise ihres Unternehmens und ein Insolvenzverfahren in eine Chance zur Sanierung zu wandeln. Ein guter Grund, sich einen Überblick über die innovativen Sanierungswerkzeuge des Insolvenzrechts und deren Abweichen vom bisherigen Standardverfahrensablauf zu verschaffen.
Bisheriges Regelinsolvenzverfahren
Im Falle des Eintritts von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung besteht laut Gesetz für Gesell-schaften bzw. deren Vertretungsorgane im Grundsatz die Pflicht zur Stellung des Antrags auf Eröff-nung eines Insolvenzverfahrens. Im Falle einer drohenden Zahlungsunfähigkeit kann Eröffnungsantrag gestellt werden. Nach der Antragstellung prüft das Insolvenzgericht vorrangig die formale Richtigkeit des Eröffnungsantrags, das Vorliegen des geltend gemachten Eröffnungsgrundes und ob ausrei-chend Masse zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens vorhanden ist. In dieser Zeit kann das Gericht eine Reihe von Maßnahmen zur Sicherung des Schuldnervermögens treffen. Beispielsweise kann ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein Verfügungsverbot oder ein Zustimmungsvorbehalt hinsichtlich weiterer Geschäfte auferlegt werden. In diesen Fällen ist der Ein-fluss des bisherigen Unternehmenslenkers auf die Geschicke des Unternehmens bereits vor der Er-öffnung des Insolvenzverfahrens faktisch ausgeschlossen. Nach Abschluss der Prüfungen und mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Bestellung des Insolvenzverwalters sind im bisherigen Standardverfahrenslauf oft die Weichen auf die Zerschlagung des Vermögens des Unternehmens gestellt (bestenfalls im Wege einer so genannten „übertragenden Sanierung“, d.h. dem gebündelten Verkauf von Unternehmensteilen an einen Übernehmer). Eine Sanierung und Fortführung des Unternehmens ist bei diesem Gang des Verfahrens nur selten noch möglich.
Das ESUG hatte die Ziele, den Einfluss der Beteiligten auf den Lauf des Verfahrens erheblich zu ver-stärken, die Angst der Geschäftsführer vor einem Insolvenzverfahren zu reduzieren und eine frühere Antragstellung zu erreichen. So sollten die Chancen für mehr erfolgreiche Unternehmenssanierungen erheblich erhöht werden. Zur Umsetzung dieser Ziele wurden unter anderem Sanierungswerkzeuge gestärkt oder neu eingeführt.
Vorläufiger Gläubigerausschuss
Der Eröffnungsantrag kann künftig mit dem Antrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigeraus-schusses verbunden werden. Mit Überschreitung der gesetzlichen Schwellenwerte für mittelgroße Kapitalgesellschaften ist dessen Einsetzung vom Gesetz nun zwingend vorgesehen. Das Gericht hat den vorläufigen Gläubigerausschuss dann zum Anforderungsprofil und zur Person des vorläufigen Insolvenzverwalters anzuhören. Von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigeraus-schusses zum vorläufigen Insolvenzverwalter darf das Gericht nur in Ausnahmefällen abweichen. Für den Schuldner besteht jetzt also durch die enge Abstimmung mit wesentlichen Gläubigern die Mög-lichkeit, bereits im Vorfeld des Eröffnungsantrags den Lauf des Verfahrens und die Ernennung eines sanierungsoffenen und -erfahrenen Insolvenzverwalters zu beeinflussen.
Gestärkte Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren
Bereits in der Vergangenheit konnte der Schuldner Antrag auf Eigenverwaltung stellen. Diese Antrag-stellung hatte bisher vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laut Gesetz aber keine wesentlichen Folgen für den Verfahrenslauf. Über den Antrag wird nämlich erst mit Verfahrenseröffnung entschie-den. Zu diesem Zeitpunkt waren die wesentlichen Weichen in dem Verfahren jedoch meist schon ge-stellt. In vielen Fällen war allein durch die Präsenz eines vorläufigen Insolvenzverwalters und das Be-kanntwerden der Antragstellung irreversibler wirtschaftlicher Schaden beim Schuldner entstanden.