Bis zum Ende des laufenden Jahres planen rund 190.000 Inhaberinnen und Inhaber mittelständischer Unternehmen ihren Rückzug und streben dabei an, das Unternehmen in die Hände einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers zu legen. Das entspricht fünf Prozent aller kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland bis Ende 2023. Das ist das Ergebnis des diesjährigen „Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2022“ der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Laut den aktuellen Zahlen der KfW ist die Zahl der Firmen, die eine kurzfristige Nachfolgeregelung auf der Agenda haben, leicht gesunken. Weitere zehn Prozent aller mittelständischen Unternehmen möchten mittelfristig (binnen drei bis fünf Jahren) eine Nachfolgelösung realisieren. In absoluten Zahlen ausgedrückt, bedeutet das nach Berechnungen der KfW: Bis zum Ende des Jahr 2026 streben rund 560.000 der insgesamt 3,8 Mio. mittelständischen Unternehmen eine Nachfolge an.
Externer Verkauf wird beliebter
Familieninterne Unternehmensnachfolgen sind nach wie vor die beliebteste Nachfolgevariante. Während in den Jahren vor der Corona-Krise eher die Tendenz bestand, dass Familiennachfolgen allmählich an Bedeutung verlieren, hätten lauf KfW die zurückliegenden Krisenjahre im Mittelstand zu einer „Renaissance der Familie“ geführt. Aktuell wünschen sich immer noch 53% der Altinhaber mit einem aktuellen Nachfolgedanken, das Unternehmen in die Hände eines Familienangehörigen zu legen. Mehr Unternehmer interessieren sich laut dem Nachfolge-Monitor für einen externen Verkauf. Diese Option wird im Jahr 2022 von 45% der Nachfolgeplanenden erwogen. Potenzielle Käufer können bei einer solchen Lösung auf ein bewährtes Geschäftsmodell zurückgreifen – inklusive Kundenstamm, Lieferanten, Auftragsbestand, Mitarbeitende und Knowhow. Allerding sei der Aufwand und Zeit bedarf einer externen Nachfolgelösung inklusive Suche, Planung, Kaufpreisermittlung, Verhandlung vergleichsweise größer. Eine Nachfolge durch Beschäftigte des Unternehmens wird von wenigen Inhabern in Erwägung gezogen ebenso wie die Übertragung an einen Miteigentümer des Unternehmens
In der KfW-Untersuchung wird auch klar, dass es für Unternehmer unverändert sehr schwer ist, geeignete Nachfolgerinnen und Nachfolger zu finden. Fast 80% der Befragten sehen hier ihre größten Schwierigkeiten. Ursächlich sei dafür eine strukturelle Nachfolgelücke, die unter anderem demografisch begründet ist: Auf die geburtenstarke Babyboomer-Generation folgen deutlich schwächer besetzte Kohorten („Baby-Bust“). Es fehlt schlicht der Nachwuchs. Probleme bei der Einigung über einen Kaufpreis geben rund 34% der Befragten als Problem an. Als weiter Problem werden die rechtliche bzw. steuerrechtliche Komplexität sowie der bürokratische Aufwand genannt.
Unternehmer sind immer älter
Die Schwierigkeiten, einen geeigneten Nachfolgekandidaten zu finden, sind nach Ansicht der KfW-Experten bereits aktuell ausgeprägt – und sie werden sehr wahrscheinlich weiter zunehmen. Allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung sei zu erwarten, dass künftig mehr Unternehmerinnen und Unternehmer über ihren Ruhestand und eine mögliche Nachfolge nachdenken. Wenn die geburtenstarke Babyboomer-Generation sich im Lauf der kommenden 10 bis 15 Jahre aus dem Erwerbsleben zurückzieht, werde sie eine große Lücke hinterlassen – auch auf den Chefsesseln im Mittelstand. Gegenwärtig sind bereits 31 % der Unternehmerschaft 60 Jahre oder älter, vor 20 Jahren waren es lediglich 12%. Fast drei Viertel aller Inhaber sind mindestens 50 Jahre alt, eine Verdopplung seit 2003. Gleichzeitig sei das Gründungsinteresse ist generell seit vielen Jahren auf einem absteigenden Pfad. Die Anzahl von rund 1,5 Mio. Existenzgründerinnen und -gründern in Deutschland im Jahr 2002 liegt inzwischen in weiter Ferne. Auch der DIHK konstatierte zuletzt, dass immer weniger Personen selbst Unternehmer sein möchten: Immer weniger Nachfolgeinteressierte nehmen IHK-Beratungen in Anspruch.
Jeder vierte kurzfristige Nachfolgewunsch könnte scheitern
Bei rund zwei Drittel der kurzfristig angestrebten Übergaben wurden bereits Nachfolgerinnen oder Nachfolger gefunden. Grundsätzlich sind laut KfW 120.000 der 190.000 Kurzfristnachfolgen entweder bereits geregelt oder haben zumindest die größte Hürde überwunden. Mit dem Scheitern ihrer Nachfolgepläne müssen aktuell rund 24 % der Unternehmen rechnen, die eine Nachfolge in den kommenden zwei Jahren realisieren möchten. Dort sind die Inhaberinnen und Inhaber entweder noch gar nicht in den Prozess eingestiegen oder haben bislang nur Informationen gesammelt. Für die betreffenden Unternehmen werde die Zeit sehr knapp. Insgesamt sei davon auszugehen, dass fast 46.000 mittelständische Unternehmen ihren Wunsch nach einer kurzfristigen Nachfolgeregelung nicht mehr umsetzen können.
Familieninterne Nachfolgen sind laut des Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2022 in aller Regel um ein Vielfaches besser vorbereitet als externe Nachfolgewünsche. Bei familieninternen Regelungen sein Informationsasymmetrien und Transaktionskosten geringer. Potenziell Nachfolgende kennen das Unternehmen meist bereits. Ausschlaggebend für die Schwierigkeit, die Nachfolge innerhalb der Familie zu organisieren, dürften generell kleiner werdende Nachfolge-Generationen wie auch sich wandelnde Berufswege sein. Den Auswertungen des Nachfolge-Monitorings Mittelstand 2022 liegt das KfW-Mittelstandspanel als zentrale Datenquelle zugrunde. Das KfW-Mittelstandspanel wird seit dem Jahr 2003 als Wiederholungsbefragung der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland durchgeführt. Zur Grundgesamtheit des KfW-Mittelstandspanels gehören alle privaten Unternehmen sämtlicher Wirtschaftszweige, deren Umsatz die Grenze von 500 Mio. EUR pro Jahr nicht übersteigt.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.