2019 wird ein Jahr der zwei Gesichter

Wie viel Umsatz ist gerade zu machen? In vielen Branchen und Sektoren sehen die Aussichten erst mal trübe aus.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Einklang mit unseren Erwartungen seit einem Jahr im Abschwung. Zwischen dem 4. Quartal 2017 und dem 4. Quartal 2018 ist das Wachstum von 2,8 Prozent auf 0,6 Prozent eingebrochen (im Vorjahresvergleich). Mehr noch, auch zum Ende des 1. Quartals 2019 ist der konjunkturelle Tiefpunkt nicht durchschritten. Allen voran in der Industrie hängt der Haussegen weiter schief. Das haben die beiden wichtigsten deutschen Konjunkturbarometer im März nachdrücklich unterstrichen. Demnach sind sowohl der Einkaufsmanagerindex als auch das IFO-Geschäftsklima der Industrie auf mehrjährige Tiefststände gefallen. Die Steilheit des Abwärtstrends lässt mittlerweile sogar Erinnerungen an die Finanzkrise von 2008/2009 wach werden.

Besonders kräftigem Gegenwind waren von Anfang an die Grossbetriebe ausgesetzt. Der Mittelstand erwies sich hingegen lange Zeit als stabiler Fels in der Brandung. Dies lag zunächst am Ausgangspunkt des Abschwungs – der wegbrechenden Auslandsnachfrage (vor allem aus Asien). Darunter leiden traditionell die exportabhängigen Großunternehmen stärker als die eher binnenorientieren Klein- und Mittelbetriebe. Darüber hinaus ist der Mittelstand primär in Branchen verankert, die sich – im Gegensatz zur Industrie – bis zuletzt wacker geschlagen haben (Dienstleistungen, Handel) oder sogar boomten (Baugewerbe).

Mit zunehmender Dauer des Abschwungs steigt indes die Gefahr, dass auch der Mittelstand stärker in den Abwärtsstrudel gerät. Laut dem KfW-IFO-Mittelstandbarometer hat im verarbeitenden Gewerbe bereits eine Angleichung zwischen Klein und Groß stattgefunden. Die Geschäftserwartungen der Klein- und Mittelbetriebe sind inzwischen genauso steil nach unten gerichtet wie bei den Grosskonzernen (Abbildung links). Ein Blick in den Fahrzeugbau unterstreicht den zunehmend einheitlichen Pessimismus über alle Betriebsgrössen hinweg. Demnach fällt die Stimmungseintrübung in der mittelständisch geprägten Zulieferindustrie mittlerweile sogar noch stärker aus als bei den großen Autoherstellern (Abbildung rechts).

 

Im Ergebnis geht die gesamte deutsche Industrie (einschliesslich des Mittelstands) sehr geschwächt ins 2. Quartal. In Anbetracht dessen ist die Gefahr groß, dass die Industrie-Grippe auch die bislang noch stabilen Sektoren infiziert und somit die deutsche Wirtschaft in eine Rezession abrutscht. Das würde die kleinen und mittleren Unternehmen besonders hart treffen, weil dann auch die Binnennachfrage stark unter Druck geraten würde. Unser konjunktureller Ausblick ist indes nicht so pessimistisch. Wie rechnen in den nächsten Monaten mit einer zyklischen Stabilisierung. In der zweiten Jahreshälfte sollte das Expansionstempo der deutschen Wirtschaft sogar wieder anziehen.

Unser vorsichtiger Optimismus gründet auf unseren eigenen Frühindikatoren, die der Realwirtschaft vorauslaufen und eine nahende konjunkturelle Trendwende signalisieren. Darin kommt zum Ausdruck, dass sich die finanziellen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen bereits schleichend verbessert haben. So sind etwa die Anleiherenditen seit Jahresbeginn weiter gefallen, die Aktienmärkte haben sich erholt, der Euro hat abgewertet und die Banken vergeben bereitwillig Kredite. Auf weltwirtschaftlicher Ebene hat insbesondere China eine Reihe von Maßnahmen ergriffen (Steuersenkungen, Ausgabensteigerungen, Lockerung der Geldpolitik), um die Konjunktur anzukurbeln. Dies sollte über kurz oder lang den deutschen Exporteuren zugutekommen. Davon würden zunächst in erster Linie große Firmen profitieren. Zumindest indirekt (über die Stabilisierung der Gesamtwirtschaft) würde es aber auch vielen Klein- und Mittelbetrieben helfen.

Wir gehen daher davon aus, dass sich der Pessimismus der Industrie über alle Betriebsgrössen hinweg wieder in moderaten Optimismus verwandelt. Damit wäre zugleich die Basis für eine Investitionsbelebung und Wachstumsbeschleunigung in Deutschland gelegt. Das 2. Halbjahr wird somit konjunkturell besser ausfallen als das 1. Halbjahr. Konkret rechnen wir im Jahresverlauf mit einer Erholung des deutschen Wachstums von 0,5 auf 1,5 Prozent. Bei aller Freude darüber bleiben indes zwei Wermutstropfen bestehen: Zum einen sind die allerbesten Zeiten des Wirtschaftsbooms vorbei (2016/2017 wuchs die Wirtschaft mit deutlich über 2,0 Prozent). Zum anderen dominieren weiter die Abwärtsrisiken. So könnte in China die Belebung wider Erwarten ausbleiben. Außerdem schwebt immer noch das Damoklesschwert von US-Importzöllen auf Autos über dem deutschen Fahrzeugbau.


Zur Person

 

Dr. Daniel Hartmann ist Chefvolkswirt des Asset Managers Bantleon.

 

 

 

 

 

 

 

Autorenprofil

Dr. Daniel Hartmann ist Senior Analyst Economics der BANTLEON BANK AG. Er verantwortet den Bereich Wirtschaftliche Entwicklung und Geldpolitik in der Eurozone, in Osteuropa und in der Schweiz. Im Jahr 2005 startete er als Analyst Economics.

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